Volvo Penta scheint in der Bootsbranche die Rolle von VW in der Autoindustrie zu spielen: Während viele schon akribisch tüfteln und mutig entwickeln, wartet die skandinavische Bootsmotoren-Instanz – wie der Wolfsburger Gigant – seelenruhig ab. Und präsentiert dann mit Abstand zu den Early Adaptors ein Ding, das alle erblassen lässt.

Wirklich? Nur so ließe sich erklären, warum alle Wasser-Welt mit Elektromotoren experimentiert und sogar der US-Konkurrent Mercury schon einen Antrieb für die emissionsfreie Fortbewegung auf dem Wasser angekündigt hat, während aus Schweden noch nicht viel zu hören war. Immerhin surren auf der Straße bereits die ersten vollelektrischen Volvo-Autos.
Auf dem Wasser wurden ebenfalls erste Schritte unternommen, nachdem Volvo bereits vor drei Jahren dieses Vorhaben ankündigte. Probeweise haben die Schweden den Segelkat „Lucia“ elektrifiziert. Auch beim Energieträger der näheren Zukunft, Wasserstoff, setzte der schwedische Motorenbauer in einer Kooperation mit Lkw-Herstellern zumindest den großen Zeh in die Tür. Jetzt benennt die Marine-Sparte Volvo Penta zwei elektrische Partner. Diese Kooperationen werfen indirekt ein Licht darauf, was sich wohl hinter den Toren des Testzentrums in Krossholmen tun könnte.
Der erste Stein, den Volvo Penta ins Wasser wirft (und die Branche auf die Kreise schauen lässt), fällt nahezu lautlos: In Krossholmen wird derzeit eine Expeditionsyacht für die berühmten Hurtigruten getestet. Der älteste Reiseveranstalter Norwegens startete vor 128 Jahren als Postschiff-Verbindung entlang der zerklüfteten Atlantikküste des skandinavischen Königreiches mit ihren tief eingeschnittenen Fjorden.
Die „Eisbär“ soll bei Walross-Watching helfen
In den vergangenen Jahrzehnten wandelte sich die ursprünglich zum Post- und Passagiertransport gegründete Unternehmung zunehmend in Richtung Kreuzfahrt-Reederei. Dazu gehört auch ein vielfältiges Ausflugsprogramm in den jeweiligen Häfen. Ein wichtiges Ziel für Touristen ist dabei die einzigartige – und streng geschützte – Natur Norwegens. Hier kommt Volvo Penta ins Spiel: Das 15 Meter lange Tagesboot ist mit einem Antrieb ausgestattet, der die Fahrt in ökologisch sensiblen Bereichen begünstigt.
Die Kvitbjørn („Eisbär“ auf Norwegisch) hat Hybridantrieb: Ein Elektro- und ein Dieselmotor arbeiten je nach Anforderung kombiniert oder allein. Der Heimathafen der Yacht, die bis zu 17 Personen transportieren kann, wird Spitzbergen am Nordkap. In der Region leben seltene Wildtiere, zum Beispiel Walrosse, Papageientaucher, Seehunde und verschiedene Walarten. Um sie nicht zu stören, soll das Boot ihr Habitat möglichst mit Hilfe der Elektromotoren geräuschlos befahren. Den Transfer über offenes Wasser hingegen übernimmt der sparsame Volvo Penta.

Die Reisegeschwindigkeit der Kvitbjørn beträgt 25 Knoten. Maximal kann sie 32 Knoten schnell fahren und auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ihren Aktionsradius von 500 Seemeilen halten. Im Mai 2022 soll die schwedische Yacht vom Typ Marell M15 am Nordkap in Dienst gestellt werden. Marell baut traditionell schnelle Einsatzfahrzeuge auf dem Wasser für Polizei und Militär.