Schwarz, bedrohlich und unberechenbar: Vor kaum etwas haben Segler mehr Respekt als einem aufziehenden Gewitter. Gefahren gibt es viele auf hoher See. Aber keiner stehen Seeleute so machtlos gegenüber. Stürme kann man abwettern, Wellen abreiten. Einem Blitz ausweichen? Unmöglich!
Zwar ist es möglich einzelne Gewitterzellen zu orten und im Idealfall zu umfahren. Bei Gewitterfronten, Dutzende Kilometer breit, wie sie dieses Jahr zuhauf über das Meer gezogen sind und erheblichen Schaden angerichtet haben, gibt es kaum ein Entrinnen.

Dann hilft nur eine bestmögliche Vorbereitung – und ein guter Blitzschutz. Denn ein direkter Blitzeinschlag birgt Gefahren für Leib und Leben, zumindest aber für die elektronische Ausrüstung an Bord. Ein Blitz sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands zum Erdpotenzial. Trifft er aber auf einen solchen Widerstand, dann können Masten bersten, Ruderblätter gespalten und Rumpf- oder Kielverschalungen regelrecht weggesprengt werden.
Auch ohne Einschlag können Schäden gewaltig sein
Für gravierende Schäden muss der Blitz nicht einmal direkt im Boot einschlagen. Ein Einschlag 50 bis 100 Meter neben dem Boot reicht aus. Denn die Stromstärke eines Blitzes liegt in der Regel bei 20.000 bis 50.000 Ampere, in Ausnahmefällen bis zu 100.000 Ampere.
Zudem erzeugt ein Blitz ein elektromagnetisches Feld, das an Strukturen in mehreren hundert Metern Umgebung Überspannungen beträchtlicher Größenordnung erzeugt. Natürlich nicht nur auf See, auch im Hafen. Schlägt in einer Marina ein Blitz ein, sind oftmals gleich mehrere Boote beschädigt.
Auch moderne Materialien wie Carbon sind betroffen. Carbon ist sehr leicht und hoch belastbar, aber auch elektrisch leitend. Im Falle eines Blitzeinschlags sind Freizeitboote mit Carbon-Bestandteilen im Rumpf, Mast und Rigg sehr anfällig für gefährliche Schäden durch Blitze.
Schadensfälle verdreifacht
Bei Pantaenius, dem führenden europäischen Versicherer von Yachten, ist Blitzschutz daher ein großes Thema. Denn in den vergangenen Jahren haben sich die Schadensfälle verdreifacht. Mittlerweile machen die Schäden durch Blitzeinschlag rund zehn Prozent der Gesamtschadensumme aus.
Den Grund dafür sieht Holger Flindt, Leiter der Schadenabteilung, primär gar nicht mal in den zunehmenden Wetterkapriolen bedingt durch den Klimawandel, sondern vielmehr durch die Konstruktion und Ausrüstung im modernen Bootsbau. „Die modernen Yachten sind voll mit Hightech“, sagt Flindt.
Zudem seien die Komponenten meist alle miteinander über ein Bussystem verbunden. Navigation, AIS, Radar, Funkgeräte, das seien alles komplexe Systeme, die miteinander vernetzt sind. „Der Blitzstrom rauscht dann durch das gesamte Netzwerk und beschädigt sämtliche Geräte“, sagt Flindt.

Die gute Nachricht: Es gibt sie zwar, die tragischen Fälle, bei denen Segler durch Blitzschlag sterben oder das Boot anschließend sinkt, weil die enorme Energie die Seeventile gesprengt hat. In 20 Jahren, sagt Flindt, seien ihm aber nur zwei solcher Fälle auf den Schreibtisch gekommen. In der Regel bleibt es bei Schäden an der Bordelektrik.
Aber auch das kann gravierende Folgen haben. Gerade bei Nachtfahrten. Kein Licht, kein Autopilot, kein Kartenplotter. Und auch die Maschine springt oftmals nach einem Blitzschlag nicht mehr an, weil der Starter keinen Strom bekommt. Ein Horrorszenario für jeden auf See.
Sorgenfall Katamaran
Laut Statistik häufen sich die Schadenfälle auf Katamaranen. Zum einen liegt das natürlich daran, dass die Doppelrümpfer boomen, immer mehr davon auf den Weltmeeren herumschippern. Das darf bei jeder statistischen Betrachtung nicht vergessen werden. Flindt sieht aber noch andere Gründe.
„Der Trend auf dem Wasser geht zu viel Boot für wenig Geld. Das gilt besonders für Katamarane“, sagt der Experte.