Es gibt diesen einen Moment, der sich ins Gedächtnis eingräbt: Wir tuckern mit 3,5 Knoten sachte aus dem Yachthafen, da tippt der Skipper ebenso sachte auf den Gasgriff. Und – wumms! – geht die Yacht mit der doppelten Motorisierung ab wie vom Katapult geschossen. Zum Glück haben wir uns alle festgehalten.
Das Gewicht von etwa 7 Tonnen bei 14 Meter Bootslänge ist nichts gegen die geballte Kraft von zwei mal 600 PS. Der neue V12 Verado von Mercury Marine scheint die Schwerkraft und noch eine Handvoll weiterer Grundregeln der Physik aufzuheben. Der größte und stärkste Außenborder weltweit!

Mehr als ein halbes Jahr haben wir auf die Bescherung gewartet. Weihnachten war für die internationale Bootsbranche diesmal im September, als Mercury erstmals in Cannes seinen lange angekündigten Zwölfzylinder endlich vorführte. Das heißt: Der Zwölfzylinder führte sich selbst vor. Es ist der größte Motor, den das traditionsreiche Unternehmen jemals baute.
Mit diesem technischen Meisterwerk treffe ich erstmals auf dem Trockenen zusammen: Als ich im August aus dem Hotel in Mandelieu La Napoule trete, begegnet mir der V12 Verado auf Augenhöhe. Der Händler, der die Presse-Präsentation organisiert, hat das mannshohe Aggregat sehr effektvoll vor dem Eingang platziert. Wie einen Wachtposten! Es handelte sich zwar nur um ein Modell, aber die Wirkung ist beeindruckend.
In seinem Element wirkt der V12 zurückhaltender
Doch in seinem Element wirkt der modernste Außenborder von Mercury Marine zunächst zurückhaltend. Streift der Blick über die Verkleidung, könnte man leicht der Illusion erliegen, hier handele es sich um einen ganz gewöhnlichen Außenborder, in Leistung und Arbeitsweise von Mitbewerbern nicht sonderlich verschieden. Weit gefehlt! Die Abmessungen bleiben auch hier gewaltig: So erstreckt sich zum Beispiel der kürzeste montierbare Schaft über mehr als einen halben Meter unter der Wasseroberfläche.

Das glatte, monolithische Design bewirkt, dass der Motor optisch in den Hintergrund tritt. Übrigens auch akustisch. Denn als ich einen Monat später in Cannes den Steg betrete, kann ich anfangs nicht erkennen, ob die Maschinen laufen. Leise, wirklich leise sind die beiden V12 am Heck der wie auf Maß für den Motor gefertigten Bernico RXP14.
Das kleinste Boot, für das Mercury den neuen V12 empfiehlt, ist ein 27 Fuß langes Boot. Ein kleinerer Rumpf würde die halbe Tonne Gewicht nicht verkraften, die allein der Motor hat.
Erster Außenborder mit Zweigang-Automatik
Mit einer Mindestgeschwindigkeit von 3,5 Knoten bei 700 Umdrehungen pro Minute verlassen wir die Marina und die Zone des Tempolimits. Dann kommt der Moment, als sich in den 12 Töpfen mit 7,6 Litern Hubraum mächtiger Druck aufbaut. Fast augenblicklich ist das RIB in Gleitfahrt und wir fegen bereits nach Sekunden mit 25 Knoten bei 3.000 Umdrehungen übers Wasser.
Der neue Mercury-Motor ist der erste Außenbordmotor der Welt, der über ein automatisches Zweigang-Getriebe verfügt. Der erste Gang mit einer Übersetzung von 2,97:1 hilft, das schwere, große Boot schnell ins Gleiten zu bringen. Der zweite Gang mit einer Übersetzung von 2,50:1 schaltet sich automatisch ein, wenn der Schub nachlässt und das Tempo gehalten wird. Er senkt auch den Kraftstoffverbrauch, sobald sich das Boot auf Reisegeschwindigkeit befindet.

Während des Tests habe ich mich bemüht, den Moment des Gangwechsels zu registrieren. Aber er ist am Gashebel überhaupt nicht wahrnehmbar und im Motorbetrieb unhörbar. Theoretisch ist der einzige sichtbare Beweis für das Schalten die leichte Veränderung der Motordrehzahl, die auf dem Drehzahlmesser zu sehen ist. Ich sage „theoretisch“, denn in der Praxis ist dieser Moment sehr schwierig zu erkennen. Der Gangwechsel findet sehr sanft und kaum wahrnehmbar statt.