Am 27. August 1973 beginnt in aller Frühe das lang geplante Abenteuer der Peter von Danzig rund um die Welt – mit Schlepphilfe Richtung Kiel-Kanal. Beim Whitbread Race, dem Vorläufer des heutigen Ocean Race, wollte die Studentencrew auf Weltumrundung und Pokalhatz gehen, gewagt blauäugig, wie die Veteranen im ersten Teil der Story eingestehen.
Einen Motor besaß die Yawl damals nicht. Per „Anhalter“ geht es zunächst durch den Nord-Ostsee-Kanal Richtung Elbe. Ein Marineschiff hat schließlich ein Einsehen und schleppt die stählerne Hochseeyacht nach Brunsbüttel. Von dort geht es selbstständig Richtung England zum Start des Whitbread Race nach Portsmouth.
Die Begleitmusik: eine erste Auseinandersetzung an Bord. Die Wacheinteilung bereitet Kopfschmerzen. Oder sind es „die Überreizung und schlechte Nerven“, wie es Friedrich-Karl Heinemann in seinen Aufzeichnungen überlegt? Einige Auseinandersetzungen werden jedenfalls noch folgen.

Zeit – davon hat die Crew in den nächsten Monaten reichlich – heilt hier nicht immer die Wunden. Man beherrscht einfach noch nicht die Kunst des Zusammenlebens auf engstem Raum. Und das, obwohl viele an Bord Erfahrungen mit Hochseesegeln, auch Transatlantiküberquerungen haben.
Wacheinteilung
Zwei Personen sind bei den ersten Einteilungen der Segelwache zunächst wachfrei: der Schiffer und der Smut. Die anderen werden mit jeweils vier Mann in zwei Wachen eingeteilt. Tagsüber wird alle sechs Stunden gewechselt, nachts alle vier.
Man merkt schnell, dass beispielsweise die Freiwache während der vierstündigen Nachtwachen nur kurz zum Schlafen kommt. Der Grund: Essen, Aufwärmen und Auskleiden, dann vorzeitiges Wecken, um sich für die nächste Wache wieder anzukleiden, verbrauchen einfach zu viel Zeit, sodass man höchstens zweieinhalb Stunden zum Schlafen kommt.
Als sich dieser Rhythmus auf die Dauer als sehr ermüdend und kräftezehrend herausstellt, wird nach längerer Diskussion auf ein Drei-Wachen-System à drei Mann gewechselt. Nun muss auch der Schiffer mit ran. Als dann noch abwechselnd eine Person, die bei Wachwechsel nicht an Deck erforderlich ist, weiterschlafen darf, verbessert sich die Stimmung an Bord sofort erheblich.


Nicht nur das: „Achims Augen (Achim Meyer Anm. d. Redak.) vergrößern sich nach der ersten durchschlafenen Nacht auf das Doppelte.“ Nur der Smut ist weiterhin wachfrei. Und das nicht ohne Grund. Seine Aufgabe an Bord, die Mannschaft zumindest mit seinen Künsten immer bei Laune zu halten, ist nicht zu unterschätzen. Größere Manöver werden, wenn möglich oder vom Aufwand erforderlich, beim Wachwechsel durchgeführt.
Diskussionsstoff
Wie das damals in akademischen Kreisen so üblich war, wurde alles ausdiskutiert. Bei flauem Wetter noch besonders viel und gerne. „Patentrezepte sind bei uns offenbar im Dutzend billiger“, schildert Reinhard Laucht in seinen Erinnerungen.
Eine rein akademische Diskussion gibt es auf dem Weg gen Kapstadt auch zwischen den „Proviantheinis“, „Don“ (Tomas – ohne h! – Rüther Anm. d. Red.) und Aki Müller-Deile. Es geht darum, wer denn nun die Proviantzuteilung bestimmen darf. Eine wohl völlig überflüssige Auseinandersetzung, hat man doch mehr als reichlich Proviant gebunkert, dass nun wirklich keine Gefahr besteht zu verhungern.
Es gilt lediglich darauf zu achten, nicht die „besseren Lebensmittel“ zuerst zu verbrauchen, um auch später abwechslungsreich kochen zu können. Die beiden sind aber nicht imstande, das genau vorauszuberechnen.

Keine Diskussion gibt es dagegen, dass Volker Mackeprang als „kleinster“ Mitsegler für das Verstauen der Unmengen gebunkerter Lebensmittel zuständig ist. Da ist derjenige gefragt, der jeden geradezu unerreichbaren Winkel erreichen und zu nutzen weiß.
Trotz vieler Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten unterwegs kommt es nie zu Situationen, die ein weiteres Miteinanderumgehen unmöglich gemacht hätten. Obwohl sich mit zunehmender Dauer der Reise auch schon mal die „Fronten“ derart verhärten, dass man sich „tagelang durch Nichtbeachtung straft“.
Kochkünste
Seefahrt macht hungrig. Max Heinemanns Bruder, Friedrich-Karl, empfindet es so: „So lästig das Kochen für den Smut ist, so wichtig sind die Mahlzeiten als zusätzliche Kommunikationsgelegenheit – wie in einer Familie – für die Crew.“ Entsprechend umfangreich und abwechslungsreich sieht der Speiseplan zumindest auf der ersten Etappe von Portsmouth nach Kapstadt aus. Gekocht auf dem Primus, einem lediglich zweiflammigen Spiritus-Petroleum-Kocher.

Thomas Rüther zieht – was die Kommunikation bei Tisch angeht – Monate später in seinem persönlichen Logbuch folgende Bilanz und beschwert sich über die Gierigkeit (!) der hombres. „Da gibst du dir Mühe und sonst was, und dann haben sie den Fraß noch nicht ganz auf der Back, da fragen sie auch schon nach irgendeinem Scheißnachtisch, Kaffee oder dergleichen. Nicht: Gibt‘s Kaffee?, sondern: Wann gibt‘s Kaffee?“
Vom Koch zum weisen Mann
Max Heinemann selbst wird dagegen geradezu philosophisch: „Gehe auf eine Yacht ein halbes Jahr smuten, und du wirst ein weiser Mann. Milde lächelnd ziehst du die Gabeln wieder aus deinem Hintern und schließt das Besteckfach. Und mit verinnerlichter Miene lauscht du der Musik aus dem Vorratsschrank, wo sich Eier, Marmeladengläser und Heringsdosen am Ausgang drängeln.“
Während Hein Anhold sich gelegentlich um Süßes und Gebackenes verdient macht, gebührt „Don“ als Smut höchstes Lob. Unvergessen wohl seine „Gladiatoren-Kartoffeln“ genannten Pommes frites. Todesmutig wie ein Gladiator hergestellt trotz irrem Rollen der Yacht in der See, während er „seinen Körper pausenlos um den Topf mit dem brodelnden Fett jongliert“.