Multiplast steht im französischen Hochsee-Segelsport so da wie Derbysport im deutschen Bundesligafußball. Sie sind das Rückgrat, aber kaum einer kennt sie. Derbysport stellt die Bälle her, Multiplast die Rennyachten. Wenn Boris Herrmann seine neue Imoca betritt, berühren seine Sohlen GFK, das 33.000 Stunden lang von Multiplast-Bootsbauern bearbeitet wurde.
Tip & Shaft, das französische Partnermagazin von float, hat dazu Multiplast-Geschäftsführer Yann Penfornis zum Gespräch gebeten. Denn hinter den Kulissen des französischen Herstellers gibt es Verschiebungen. Multiplast gehört neben Plastinov und Plasteol zur Carboman-Gruppe. Diese Gruppe wurde Ende Juni 2022 freundschaftlich von der HBH-Gruppe übernommen.
Der frühere Präsident von Carboman, Dominique Dubois, will sich lieber auf seine Teilnahme am Ocean Globe Race 2023 von Don McIntyre konzentrieren. Geschäftsführer bei Multiplast bleibt Yann Penfornis. Im Interview mit Tip & Shaft erläutert er die zukünftige Strategie von Multiplast.
Ein Fließender Übergang
Tip&Shaft: Herr Penfornis, wie lief die Übernahme?
Yann Penfornis: Vor zwei Jahren bereitete Dominique Dubois seinen Abschied aus der Firma vor. Anfang Dezember 2021 kontaktierte er Damien Harlé und Jean-Denis Bargibant von HBH wegen eines Verkaufs. Ende Juni wurde der Vertrag unterzeichnet. Die Produktion läuft ohne Unterbrechung weiter.
Was ist Ihnen aus den 13 Jahren an der Seite von Dominique Dubois in Erinnerung geblieben?
Großartige Projekte wie Groupama 4, Gitana 17 oder die Volvo Ocean Race 65. Das Unternehmen zählte 49 Mitarbeiter, als Dominique übernahm. Es ist bis heute auf 110 angewachsen. Nicht einfach zu überstehen war die Covid-Periode. Und im Moment steigen die Rohstoffpreise rasant an und es gibt Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter.
Verfügt Multiplast nach der Übernahme über mehr finanzielle Mittel?
Das Geld wird nicht in Strömen fließen. Aber die Firma wird größer, wir kommen jetzt auf 250 Mitarbeiter. Der Umsatz verdoppelt sich fast und erreicht 30 Millionen Euro.
Baut Rennyachten und Radare
Werden Offshore-Regatten weiterhin einen so wichtigen Platz einnehmen?
Wir werden weiter Hochsee-Rennyachten bauen. Das liegt in der DNS des Unternehmens und macht 50 Prozent des Betriebs aus. Gleichzeitig engagieren wir uns im industriellen Bereich. Wir arbeiten zum Beispiel mit Les Chantiers de l’Atlantique am Projekt Solid Sail, bei dem wir das feste Segel und einen Teil des Mastes bauen.
Wir sind auch an dem Luftschiffprojekt Flying Whales beteiligt. Thales bleibt ein sehr wichtiger Kunde, für den wir Radare und Radarkuppeln bauen. So müssen wir nicht alles auf eine Produkt-Karte setzen.
Welche Projekte im Hochseesegelsport stehen aktuell an?
Wir haben gerade das Boot von Boris Herrmann fertiggestellt. Es wird in die Werkstatt des Team Malizia überführt, um die Systeme zu installieren, bevor es Mitte Juli zu Wasser gelassen wird. Solch eine Imoca bedeutet für eine Werft wie unsere 33.000 Arbeitsstunden – die Zusatzteile, den Mast und den Baum nicht mitgerechnet.

Prominente Namen
Das ist viel mehr als früher. 2007 waren für eine Imoca wie die Brit Air 20.000 Arbeitsstunden erforderlich. Die Boote werden auf allen Ebenen komplexer. Sie müssen massiver verstärkt werden, weil sie schneller segeln.
Wir bauen auch die Paprec-Arkea, die Imoca von Yoann Richomme, die wir Ende des Jahres ausliefern. Bei diesem Projekt arbeiten wir erstmals mit den Designern vom Büro Finot-Conq und Antoine Koch von GSea Design zusammen. Wir haben auch den Rumpf und das Deck des Bootes von Maxime Sorel (V&B-Monbana-Mayenne) gebaut, das gerade zu Wasser gelassen wurde.
Außerdem kümmern wir uns derzeit um die Reparaturen am Boot von Nicolas Troussel (Corum L’Epargne). Das Boot kam Anfang Juni in der Werft an. Die Unterseite des Rumpfes und der Kielbereich müssen erneuert werden. Die neuen Elemente werden gerade hergestellt, wir erhalten sie Anfang August. Und das Boot wird Anfang September wieder in Betrieb genommen.
Klein und knifflig
Sie haben auch an Ihren ersten Class40 gearbeitet, den „Clak40s“.
Wir haben vier Class40 nach VPLP-Entwürfen gebaut. Drei davon sind bereits im Wasser für Nicolas d’Estais, Andrea Fornaro und Martin Le Pape. Eine vierte lassen wir Ende Juli für William Mathelin-Moreaux zu Wasser. Die Class40-Skipper und ihre Teams haben weniger Erfahrung im Bootsbau als die Imoca-Skipper. Der Designer ist stärker involviert.

Die Class40 ist kleiner als die Imoca, aber das Projektmanagement ist fast noch komplizierter. Bei der nächsten Route du Rhum werden wir mit vier Class40-Booten antreten. Und wir werden auch in Zukunft weitere bauen.
Die Gewichtsprobleme mit der Clak40 sind gelöst?
Wir liegen immer noch 40 Kilo über dem erlaubten Minimalgewicht. Doch dafür sind unsere Boote stabil und zuverlässig.
Aus Class30 wird Carboman
Wie steht es mit dem Projekt Class30, dem 30-Fuß-Einheitsdesign, das auf Initiative des französischen Yachtclubs UNCL und des englischen Royal Ocean Racing Clubs nach einem VPLP-Plan entworfen wurde?
Wir sagen jetzt „Carboman 30“… Der Name Class30 ist von Class40 registriert. Die Produktion der Gussformen beginnt am kommenden Montag bei der HBH-Firma Ouest Composites Industries. Der Standort für die industrielle Montage der Boote steht noch nicht fest. Wir haben etwa 20 feste Aufträge. Ab dem nächsten Frühjahr werden wir wöchentlich eine Carboman 30 auf den Markt bringen.
Ist es eine Herausforderung für eine Werft, die eher an den Bau von Prototypen gewöhnt ist, solch eine Serienproduktion zu stemmen?
In unserer industriellen Sparte sind wir an Serienproduktion gewöhnt. Für Thales haben wir etwa fünfzig Radargeräte hergestellt. Aber auch bei unseren Booten ist sie uns nicht ganz fremd. Wir haben 200 Foils für die Figaro 3 gebaut, zwei pro Woche. Das erfordert natürlich eine andere Arbeitsorganisation. Aber bei Multiplast haben wir alles unter Kontrolle.