Über 4.000 Regattateilnehmer, 1.900 Boote, über 400 Starts, Aktive aus zirka 60 Nationen, 42 Klassen und Disziplinen, zehn Regattabahnen an neun Tagen – das ist die Kieler Woche 2018, zu der 3,5 Millionen Besucher erwartet werden. Das internationale Segel-Event in Kiel-Schilksee hat in diesem Jahr seinen absoluten Höhepunkt erreicht, was die Zahl der Teilnehmer und Wettfahrten betrifft. Hochkarätig besetzt sind vor allem die olympischen Klassen, denn auch Teams aus Übersee kommen dieses Jahr zur Kieler Woche, um für die World Championships in Aarhus im Juli zu trainieren.
Ein besonderes Highlight unter den Regatten ist das Rennen der 49er FX mit den amtierenden Europameisterinnen Tina Lutz und Susann Beucke. Wir haben mit Susann über ihre Vorbereitung und Erwartungen für die kommenden Meisterschaften und die Qualifizierung für Olympia gesprochen.

float: Susann, Du hast gerade mit dem Team DSV Kader II beim Helga-Cup den ersten Platz gemacht. Wie war das?
Susann Beucke: Der Zieleinlauf war total beeindruckend! Es war ein sehr bewegender Moment, wie die vielen Frauen am Steg uns angefeuert und beklatscht haben! Überhaupt war es cool zu sehen, dass die Frauen sehr fair miteinander umgehen. Und man hat gemerkt, dass sie wirklich zum Segeln dazugehören und echte Mitkämpferinnen sind.
Wie war es als 49er-Seglerin im Viererteam auf einem ganz anderen Boot zu segeln?
Gar nicht ungewöhnlich. Ich bin das gewohnt, wir tauschen oft im Training durch und probieren neue Situationen aus. Und ich habe auch schon eine Atlantik-Überquerung mit 12 Leuten gemacht.
Es war beim Helga-Cup immer wieder Thema, ob die Frauen etwas anders machen als die Männer. Wie siehst Du das?
Wir würden supergerne mehr mit den Jungs trainieren, weil Männer immer noch ein bisschen schneller fahren. Sie können sich aggressiver bewegen als Frauen. Dafür können wir eher komplexe Zusammenhänge verstehen und ganz gut vorausschauen beim Segeln. Ich finde es auch witzig, mit den Männern zu trainieren. Wenn man sie überholt, dann kann man sich richtig freuen, und sie ärgern sich umgekehrt genauso. Weil sie aktiver segeln und sich gegenseitig mehr attackieren und fighten. Das Boot fährt ja nur schnell, wenn man sich gut bewegt.

Wie bereitet ihr euch auf die kommenden Rennen vor?
Ich schreibe gerade an meiner Bachelor-Arbeit und Tina an verschiedenen Studienarbeiten, deshalb gehen wir im Moment sehr planvoll vor und versuchen die gesamte Logistik der Regatta-Saison schon vorab zu organisieren. Das geht soweit, dass schon die Tasche für den Container nach Japan gepackt ist.
Wo trainiert ihr denn?
Immer dort, wo gerade die Regatten sind. Wir haben keinen festen Trainingsstützpunkt, das würde auch gar nicht gehen: Ich wohne in Kiel, Tina wohnt in Innsbruck. Deshalb haben wir immer Blocktraining: Im Winter waren wir insgesamt fast zwei Monate in Portugal, kurz vor dem Helga-Cup hatten wir zweieinhalb Wochen Training in Aarhus.
Was magst Du besonders an der Kieler Woche?
Die Atmosphäre! Die Kieler Woche ist heimisch und gleichzeitig international. Die mediale Aufmerksamkeit, die in der Woche auf dem Segeln liegt, ist enorm und man kann viel für die Sponsoren und Partner erreichen. Für unsere Olympiakampagne 2020 ist das enorm wichtig.

Nach Kiel geht es jetzt nach Gdynia in Polen – statt nach La Rochelle in Frankreich zur EM. Was erwartet euch in Gdynia?
Polen passt uns sehr viel besser als La Rochelle, wo die Herausforderungen am Atlantik ganz andere sind. Jetzt finden die drei kommenden Regatten alle im baltischen Meer statt und werden von den Bedingungen viel ähnlicher sein. Nach den European Championships haben wir zweieinhalb Wochen frei. Dann bereiten wir uns eine Woche auf die WM in Aarhus vor.
Wie sieht eure Vorbereitung genau aus?
Jetzt geht es eigentlich nur noch darum, mit dem Material hauszuhalten und gesund zu bleiben. Das ist ja sowieso der wichtigste Faktor. Wir haben jeden Tag Fitnesstraining auf dem Plan. Darin machen wir Maximalkrafttraining, Kraftausdauer und viel Beweglichkeitsverbesserung. Im Segeln wird eine breite Palette an Fähigkeiten abgefragt.
Ernährung ist auch superwichtig. Nicht aus diätetischen Gründen, sondern um gesund zu bleiben: Den Körper nicht zu sehr belasten und viele Vitamine essen, damit man genug Energie zum Regenerieren hat. Wir verzichten auf nichts und wir nehmen auch keine teuren Energiepräparate. Dafür haben wir unseren Ernährungsberater.

Tina und Du seid jetzt seit zwölf Jahren ein Team. Wie segelt ihr miteinander nach so vielen Jahren?
Es ist schon verwunderlich, wie unterschiedlich man nach so langer Zeit immer noch Dinge interpretieren kann. Wir haben unsere fest gesteckten Rollen, aber die ändern sich auch alle 2, 3 Jahre wieder, weil eine von uns auf einmal in einer Sache besser wird. Dann werden die Verantwortlichkeiten vom Trainer umgeändert. So hört die Entwicklung nie auf. Ganz wichtig ist es mit „keywords“ zu arbeiten, damit man nicht so viele Worte verwenden muss, um einen Sachverhalt zu beschreiben.
Kannst du uns ein Beispiel nennen?
Wenn ich auf das, was Tina sagt, noch keine Antwort habe, sage ich einfach „copy“. Wir haben herausgefunden, dass ein „ja“ nicht ausreicht. Auch bei den Manövern haben wir solche Schlüsselwörter.
Wie habt ihr euch technisch verbessert dieses Jahr?
Wir sind beim Start inzwischen viel aktiver und trauen uns zu, eine Doppelwende bei 15 Sekunden zu ziehen. Wir haben außerdem gerade extrem an unserem Höhemodus gearbeitet, um nach dem Start super hochhalten zu können und die anderen Boote in Luv zu „töten“, wie man so sagt.
Wie läuft eure Kommunikation bei einem Race? Schreit ihr euch manchmal an?
Selten. Das bringt nichts. Die Anspannung sollte man bei sich behalten. Zum Beispiel, indem man sich mehr bewegt oder Ruhe bewahrt. Unsere Kommunikation läuft ingesamt viel geordneter, und wir sprechen wir viel mehr auf dem Regatta-Kurs. Wir haben unseren Trainer Dave Evans häufiger an Bord genommen und gehört, worüber er redet. Es ist nämlich superwichtig, dass man beschreibt, was als nächstes passieren wird. Die Steuerfrau muss der Vorschoterin sagen, was als Nächstes kommt, denn die ist die ganze Zeit am Ackern. Von daher ist das wie eine laufende Geschichte, die von hinten erzählt und aufgebaut werden muss. Die Steuerfrau hinten überlegt, was sie taktisch macht. Die Vorschoterin muss Zeit haben, die Segel entsprechend einzustellen, je nachdem ob man höher oder tiefer fährt.

Was wünscht Du euch für eine Gesamtplatzierung am Ende der Saison?
Unser Fokus liegt ganz klar auf der Weltmeisterschaft. Auch wenn Platzierungen im Sport alles sind, was zählt, tue ich mich schwer, ein Ergebnis in Form einer Zahl zu nennen. Ich setzte mir lieber handlungsorientierte Ziele wie zum Beispiel „Ich möchte das Boot bei Welle schneller fahren, indem ich das Großsegel besser einstelle“. Ich habe ziemlich hohe Erwartungen an uns dieses Jahr, von daher bleibe ich handlungsorientiert, denn dann kommt meistens ein gutes Ergebnis am Ende dabei heraus.
Danke für das Interview, Susann. Wir wünschen euch bei allen drei Rennen die bestmögliche Platzierung!