Das in der Bootsbranche führende, 1745 gegründete Traditionsunternehmen A.W. Niemeyer (AWN) nimmt die Hamburger Hanse Ventures mit ins Boot. Die Spezialisten für eCommerce steigen mit 30 % in die A.W. Niemeyer GmbH ein und werden den digitalen Bereich von AWN stärken. Der erfahrene Online-Seriengründer ist Experte in den Bereichen Online-Marketing, Softwareentwicklung und Business Intelligence. Mit dieser Expertise werde sich Hanse Ventures künftig operativ ins Geschäft von AWN einbringen, heißt es in einer Pressemeldung vom 11. Januar 2018.
Wir haben mit Christian Hofmann, dem Geschäftsführer der A.W. Niemeyer GmbH, auf der boot Düsseldorf über die neue Strategie gesprochen:
float: Herr Hofmann, was sind die Beweggründe für die Zusammenarbeit mit Hanse Ventures?
Christian Hofmann: Das Online-Geschäft wächst zur Zeit explosionsartig. Wir haben bei AWN zwar schon 20 Jahre Online-Erfahrung, aber wir haben uns bisher stärker auf unsere Filialen und den Versandhandel konzentriert. Wir haben rund 22.000 Artikel im Sortiment. Bis vor ein paar Jahren war das führende System unser Katalog, und wir haben ihn auch so im Internet präsentiert. Wir wissen genau, wie wir eine Filiale eröffnen. Online ist das für uns ein bisschen wie ein schwarzes Loch. Wenn man da von einer Agentur abhängig ist, verliert man wichtiges Wissen. Deshalb wollen wir das intern machen. Man muss schauen, dass man von Externen unabhängig wird.
Deshalb sind wir jetzt den radikalen Schritt gegangen und haben uns Hanse Ventures als Partner dazugeholt, weil wir fest davon überzeugt sind, dass sie die Besten für uns sind. Der große Vorteil, sie als Gesellschafter dabei zu haben, ist ja, dass sie so viel mehr Eigenmotivation mitbringen.
Bei 30 % muss man ja schon sehr sicher sein, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Kennen Sie Hanse Ventures gut genug?
Wir kennen uns schon ganz lange, das Vertrauen ist da. Hanse Ventures sind Vollprofis darin, die Themen online marktführend zu platzieren. Wir erweitern damit unsere Kernkompetenzen in den Bereichen Kundenberatung, Services und Vollsortiment mit der stürmischen Herangehensweise der jungen Startups. Unsere Erfahrung aus den vergangen Jahren war, dass in der Zusammenarbeit mit Agenturen zu viel Zeit, Energie und auch Geld verbraucht wurde. Deshalb ist es definitiv besser, das Know-how im eigenen Haus zu haben. 30 % ist ein Brocken, soll aber auch ein Zeichen sein. Unser Hauptgesellschafter bleibt Christoph Kroschke.
Wir haben den Riesenvorteil, dass wir das operative Geschäft direkt starten konnten und keinen Vorlauf haben. Auch das ist toll bei Hanse Ventures: Es gibt ein Team, das direkt bei uns im Haus arbeitet. Das ist keine Agentur, das sind jetzt AWN-Mitarbeiter.
Was wird sich online verändern?
Das wichtigste Thema ist für uns der Verkauf ins Ausland und die Internationalisierung. Wir denken an Europa, aber auch darüber hinaus. Fast überall gibt es mehr Wasser als in Deutschland. Diese Wassersportmärkte wollen wir jetzt besser erschließen.
Wie setzen Sie das sprachlich um?
Unsere Website läuft heute schon in acht Sprachen, und wir werden das noch optimieren. Wir arbeiten bereits mit einer Übersetzer-Agentur, die selbst aus Seglern besteht. Dort arbeiten Studenten aus allen Ländern, die das SEO in die jeweilige Sprache übersetzen und auch den Telefonservice übernehmen. Das ist ein Riesenerfolg.
Was passiert außerdem online? Wird der Webshop erneuert?
Insgesamt werden wir unser Angebot digital optimieren und überprüfen gemeinsam mit Hanse Ventures alles. Das schließt auch den Webshop ein. Natürlich müssen Dinge, die vernünftig laufen, nicht angepasst werden.
Und wie geht es mit den Ladengeschäften weiter?
Die Filialen besitzen nicht dasselbe Wachstumspotenzial wie der Online-Bereich – und sind trotzdem ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots. Wir haben letztes Jahr den Laden in Bochum geschlossen, die Geschäfte Mannheim und Zürich haben wir einem Handelspartner übergeben. Alle Filialen, die wir abgesehen davon noch haben, sind profitabel.
Berlin ist der beste Markt und das größte Wassersportgebiet Deutschlands; dort sind wir gleich mit zwei Filialen vertreten: Berlin-Spandau und Treptow. Dormagen als zentraler Laden im Ruhrgebiet ist auch toll. Lübeck ist extrem maritim, die Filiale Kiel liegt ganz in der Nähe des Regattastandorts der Kieler Woche und in Taufkirchen bei München geht es um die Seenlandschaft bis nach Italien runter zum Gardasee. Hamburg ist das Flaggschiff mit unserer Firmenzentrale. Eine gut aufgestellte Infrastruktur für unsere Kundschaft, die lieber im Geschäft einkaufen.
Sie haben mehr als zehn Generationen Erfahrung. Was bedeutet das?
Wir haben eine gute Beratung und sehr viel Erfahrung, genau gesagt nämlich 270 Jahre. Unsere Leute sind top ausgebildet, zudem haben wir ein Vollsortiment – das ist uns wichtig. Wir sind keine Discounter und machen nicht ein bisschen was. Sondern wir bedienen den Wassersport rundum: mit Hardware, mit Textilien, mit Funsport und mit unseren Eigenmarken. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal und die Daseinsberechtigung der Filialen.
Wie sieht es mit dem großen Mitbewerber Amazon aus? Verkaufen Sie darüber?
Wir bespielen jeden sinnvollen Kanal, darunter als Marktplätze auch Amazon und Ebay. Das ist allerdings kein einfaches Geschäft, da man Provisionen abgeben muss. Ein weiteres Problem: Amazon verkauft unsere so genannten Highseller ja gerne – um sie dann in drei Jahren selber direkt zu vermarkten. Davon müssen wir weg.
AWN will dem trotzen?
Ja, unbedingt! Wir wollen und werden unabhängig bleiben.
Was ist mit dem Print-Katalog?
Auf den Schiffen und Booten liegen unsere Kataloge als Nachschlagewerk und haben damit nicht nur aufgrund der Generationenfrage noch ihre Daseinsberechtigung. Die Älteren lesen Papier, die Jüngeren eher auf dem Handy oder am Computer. Für alle, die digital lesen ist unser Katalog jetzt auch online.
In Zukunft wird es wahrscheinlich immer weniger Print geben, weshalb wir ja gerade auf eCommerce und auf das Wissen von Hanse Ventures setzen. Sie sind keine Agentur und wir kein Start-up. Aber wir wollen diese forsche Herangehensweise von Start-ups haben. Wir wollen mindestens 300 Jahre alt werden, und das ist ja nicht mehr lange hin.
Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Hofmann, und wünschen Ihnen viel Erfolg.
Der AWN-Messefilm zur boot Düsseldorf 2018.