Beiden Crews des America’s Cups – den Titelverteidigern aus Neuseeland und den Herausforderern Luna Rossa Prada Pirelli – war die Anspannung deutlich anzumerken, als es wieder aufs Wasser ging. Heute Nacht unserer Zeit wurde das Rennen um die älteste und begehrteste Segeltrophäe im Hauraki Gulf entschieden, der großen Bucht im Nordwesten der Nordinsel von Neuseeland.
Das zehnte und entscheidende Rennen begann mit einer Verzögerung. Die Wettfahrtleitung entschied, die Markierungen zu verschieben, damit die sieben bis zehn Knoten Wind gut auf Kurs A genutzt werden konnten. Hier war es Luna Rossa Prada Pirelli, die als erste an Backbord in die Startbox einliefen. Und während sie das taten, konnte man hören, wie Co-Helmsman Jimmy Spithill betonte: Die rechte Seite der Startlinie sieht gut aus. Und Spithill kann es: Er hatte, bevor er bei den Italienern anheuerte, den America’s Cup als Skipper für BMW Oracle Racing 2010 gewonnen und anschließend verteidigt.
Perfektes Timing an der Startlinie
Die Crew an Bord des Emirates Teams New Zealand sah das natürlich ebenso und wendete hoch über der Startlinie, kam zurück, sodass Pete Burling von den Neuseeländern die „Te Rehutai“ zehn Sekunden vor dem Start perfekt platzieren konnte. Und schon ging es los auf der rechten Seite des Kurses Als das Emirates Team New Zealand zurückkam, ging es nach einer Wende in Führung. Ein kleiner Vorsprung für Burling und seine Crew!
Von da an wurde es eng: Die Italiener kamen zurück, doch die Neuseeländer mit ihrer „Te Rehutai“ konnten auf der linken Seite des Kurses ihre Führung ausbauen. Mit einem Vorsprung von sieben Sekunden gingen sie durch das erste Top-Gate.
Es war eng, aber kurze Zeit später war klar, wozu die Neuseeländer fähig sind. Sie bauten ihren Vorsprung auf 250 Meter aus und segelten mit 41 Knoten. Am Ende der zweiten Runde vergrößerte sich der Vorsprung auf neun Sekunden, nachdem sie in den Wind segelten, anstatt ihre Gegner zu decken.
Auf dem Weg zur gleichen Wendemarke halsen beide Boote, und das Emirates Team New Zealand „rundete“ großzügig, zog einen weiten Kreis. Luna Rossa Prada Pirelli strauchelte hinter ihnen, segelte zu lange mit beiden abgesenkten Foils, was sie verlangsamte. Und wieder war „Te Rehutai“ bei Runde 3 ganze 250 Meter voraus.
Burling segelt das Rennen souverän zu Ende
Das öffnete die Tür für den Schlussspurt, bei dem die Luna Rossa chancenlos war. Gibt man Seglern vom Kaliber eines Peter Burling eine solche Gelegenheit, segelt er das Rennen souverän zu Ende. Und so kam es auch. Die klare, ruhige und unaufgeregte Kommunikation zwischen Burling, Tuke und Ashby erlaubte es ihnen, ohne Stress ihr eigenes Rennen zu Ende zu segeln.
Und mit der steten Brise auf dem Wasser begannen die Fans an Land, den Heimsieg beim noch einmal dem technisch hochgerüsteten Cup zu wittern. Am Gate 4 vergrößerte sich der Vorsprung auf 37 Sekunden. Am letzten Top-Gate waren es 49 Sekunden und ein Vorsprung von 400 Metern.
Auf der letzten Etappe überquerte „Te Rehutai“ die Ziellinie mit 38 Knoten und 650 Metern Vorsprung – angefeuert von begeisterten Fans, als gäbe es kein Covid 19 mehr. Das war’s. Luna Rossa Prada Pirelli kommt 46 Sekunden später durchs Ziel. Aber, wie wir bei dieser ältesten Trophäe im internationalen Segelsport wissen: Es gibt keinen Platz 2 beim America’s Cup.
Vor 170 Jahren begann es
Es war ein weiter Weg vom Schoner „America“, der dem Cup seinen Namen gab, bis zum heutige Wettbewerb. Er begann – das wurde schon öfter erzählt – mit einem Rennen um die Isle of Wight anlässlich der Weltausstellung 1851. Ein paar amerikanische Geschäftsleute um den Gründer des New York Yacht Club wollten es den Engländern, die vor nicht allzu langer Zeit noch ihre Kolonialherren gewesen waren, einmal richtig zeigen.
Sie waren mit der neugebauten „America“ einer Einladung des angesehensten englischen Clubs, der Royal Yacht Squadron, gefolgt. Darin war von Freundschaft, aber nicht vom Regattasegeln die Rede. Zunächst fand sich kein Gegner für die „America“: Die britischen Gentlemen mochten nicht gegen dieses Schiff antreten. Schon bei der Ankunft vor Cowes war es seinem Empfangskomitee davon gesegelt. Auch als die Amerikaner ein Preisgeld von 10.000 Pfund auslobten, passierte nichts. Faule Ausrede der Briten: Die „America“ gehöre keinem einzelnen Gentleman, sondern einem Syndikat.
Erst als die angesehene Londoner „Times“ den Mut ihrer Landsleute anzweifelte, erklärte man sich bereit, die „America“ beim Club-Rennen um den 100 Guineas Cup der Königin mitsegeln zu lassen. „America“ startete als Letzte nach 14 britischen Yachten. Doch nach der Häfte der 58 Meilen hatte sie das Feld bereits zweieinhalb Meilen hinter sich – und siegte komfortabel mit 24 Minuten Vorsprung vor der britischen „Aurora“.
Beim aktuellen Durchgang des America’s Cup waren die US-Amerikaner schon bei den Vorregatten ausgeschieden. Immerhin besser als es dem Tee-Tycoon Lipton erging. Der Schotte finanzierte insgesmat fünf America’s-Cup-Teilnahmen. Nie hat eines seiner Schiffe das Rennen um die „alte Kanne“ gewonnen.