Es ist ein Freitagabend Ende Oktober. Die Sonne ertränkt sich gerade hinter der griechischen Insel Kastellorizo, oder kurz Meis, wie die Türken sagen. Das Meer glitzert noch einmal goldgelb auf, das Licht bricht auf den sich kräuselnden Wellen. Es sieht aus wie Funkenflug. Wir sitzen auf der obersten der 26 Sitzreihen des antiken Amphitheaters von Antiphellos, dem heutigen Kaş. Der helle Kalkstein ist immer noch warm. Das Schauspiel, das sich uns bietet ist grandios, die Kulisse unbeschreiblich. Die Natur ist immer noch der beste Regisseur.
Wir, das sind meine Freunde Kai-Uwe, Sven und natürlich ich. Wir sind angekommen in Kaş. Dem Ort, an dem ich auf meiner Dilly-Dally, einer Moody 425, überwintern will. Für mich ist Kaş der schönste Ort an der lykischen Küste. Weit genug von den Flughäfen entfernt, um den Massentourismus fernzuhalten, aber nah genug, um türkische Taucher und internationale Individualtouristen anzulocken. Und natürlich Segler. Eine entspannte Mischung statt der Buffetkrieger in den Bettenburgen. Noch liegt die Dilly-Dally im quirligen Stadthafen zwischen Gulets und Taucherbooten an der Pier gegenüber den vielen Bars und Restaurants. Mittendrin statt nur dabei.

„Nur mal gucken.“ „Na, klar!“ „Oh, toll.“
Der letzte Abend mit Kai-Uwe und Sven klingt in der Mavi-Bar aus. Die kleine Bar in einem alten Bootsschuppen am Hafen hat kleine bunte Stühlen und Tische vor der Tür. Es gibt sie seit über 30 Jahren. Nach dem „letzten“ Absacker stolpern wir noch an anderen Bars vorbei, an der Hafenfront oder in verwunschenen Innenhöfen. „Nur mal gucken.“ „Na, klar!“ „Oh, toll.“ Drei paar Augen schauen sich an, in denen das gleiche geschrieben steht. Wir setzen uns.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr schultern die beiden ihre Taschen, gehen zum wartenden Taxi. Ich schaue mich um. Der Hafen, die Mole, die pittoresken Häuschen der Altstadt, Gässchen, die sich die Hügel hochschlängeln. Langsam erwacht Kaş nach einer kurzen Nacht. Es ist warm, obwohl sich die Sonne erst noch über die Berge quälen muss. Mein Gefühl ist: „Angekommen“. Ich nehme mir noch einen Kaffee, verkrieche mich wieder in der Koje und genieße die Ruhe. In vier Stunden kommen die nächsten Freunde.
S – der Heimathafen
Da bin ich also. In Kaş. Meiner neuen Heimat, in einem fremden Land, mit einer anderen Kultur. Vor mehr 25 Jahren war ich das erste Mal hier, damals noch mit einem Camperbus. Später wurde Kaş zu einem Highlight aller meiner Segeltörns in der Türkei. Aber hatte sich der Ort vielleicht in den vergangenen vier Jahren seit meinem letzten Besuch verändert? Wie lebt es sich nach Millionenstädten wie Hamburg und Berlin in einem 9.000-Seelen-Nest? Schon am ersten Morgen war ich mir sicher: Ziemlich gut!
Da es mein Plan ist, keinen Plan zu haben, wollte ich erst einmal in der Türkei und auf meinem Schiff ankommen. Das neue Leben kennenlernen, die Dilly-Dally, mich. Auch stand fest, dass ich im Winter sicher nicht alleine durch das bisweilen sehr ruppige Mittelmeer schippern möchte. Frei wollte ich sein und ungebunden, aber nicht losgelöst. Manchmal fühlte ich mich wie ein Astronaut, der durchs All schwebt. Gleichzeitig war ich froh, immer noch eine Verbindungsleine zu haben. Oder, maritimer ausgedrückt: einen Anker. Und dieser Anker ist die Marina in Kaş.

Die Marina übertrifft meine Erwartungen. Sie gleicht einem 5-Sterne-Resort unter Palmen. Perfekt gepflegt, nettes Personal, landschaftlich herrlich gelegen, zum Stadthafen sind es mit dem Bordfahrrad nur fünf Minuten. Es gibt eine Bar mit Livemusik, einen Hamam, zwei Restaurants, einen Pool und einen Tennisplatz. Die sanitären Anlagen sind erstklassig. Ich habe meinen Liegeplatz bis Mai 2020 bezahlt. Elf Marinas gehören zu dem Betreiber, und in jedem dieser Häfen darf ich jeweils bis zu einem Monat kostenfrei liegen. Ein perfektes Angebot, um im kommenden Jahr nach Istanbul zu segeln.
Der Tipp: Wer einen Ort zum Überwintern sucht, sollte nicht nur auf die Liegeplatzgebühren schauen. Das komplette Umfeld muss stimmen. Denn auch im Mittelmeer können die Winter sehr ungemütlich sein – vor allem stürmisch. Ein sicherer Hafen ist da unbezahlbar.
Ein australisches Seglerpaar, das aus Kostengründen im Stadthafen liegt, hat das Sparen kürzlich teuer bezahlt. Ein Sturm mit bis zu 40 Knoten Wind warf ihre Yacht immer wieder gegen die Hafenmole. Vier der acht Fender platzten. Die einzige Chance, das Schiff vor größeren Schäden zu schützen, war die, es an einen anderen Ort zu verholen. Mitten in der Nacht, bei strömenden Regen, Sturm. Ohne die Hilfe vieler türkischer Helfer hätte die Nacht im Desaster enden können.
Auch in der Marina kann es ungemütlich werden. Trotzdem fühle ich mich sehr sicher. Die Marineros überprüfen vor jedem Sturm alle Stege, alle Schiffe, alle Moorings. Und die Kosten? Wegen des anderthalbjährigen Vertrags bezahle ich für meine Moody 425 auf den Tag gerechnet 8,50 Euro.