Annie Lush ist eine der ganz großen Seglerinnen bei The Ocean Race, das am Sonntag, den 15. Januar in Alicante startete. Erfahren wie Abby Ehler und Sam Davies, mit denen sie beim Volvo Ocean Race 2014/15 im reinen Frauenteam SCA um die Welt gesegelt ist, ist sie in The Ocean Race als Pit verantwortlich für den Trimm im Team Guyot Environnement – Team Europe von Benjamin Dutreux und Robert Stanjek.
Mit dem Offshore Team Germany gewann die 42-Jährige im letzten Jahr das Ocean Race Europe. 2017/18 war sie Teil des Teams Brunel. Dies ist ihr drittes Ocean Race. Kerstin Zillmer hat Annie Lush kurz vor dem Rennstart gesprochen.
Annie, bist Du gut vorbereitet für das Rennen?
Ja! Das Team ist seit zwei Wochen zusammen und wir hatten gute Trainings. Ich bin schon sehr gespannt auf den Start. Meine Familie ist hier, meine vierjährige Tochter Giovanna ist dabei. Meine Eltern kümmern sich um sie, wenn ich im Rennen bin – eine ganz neue Erfahrung für mich (lacht). Alleine war es etwas einfacher, aber ich bin sehr glücklich.

Beim letzten Ocean Race 2017/18 musste zum ersten Mal mindestens eine Frau an Bord sein. Vor vier Jahren waren es noch die VO65-Rennyachten, auf denen das Rennen ausgesegelt wurde, heute sind es Imocas. Bei diesem Ocean Race sind die Crews zu einem Viertel Frauen. Ist das ein großer Erfolg für die Frauen?
Ich denke, das Wichtigste bei diesem Rennen im Vergleich zum letzten ist, dass es weniger Hierarchie gibt. Es geht nicht mehr so sehr darum, welche Position die Frauen einnehmen. Sie haben sehr ähnliche Rollen. Jede Frau wird gleichermaßen einbezogen.
Das Problem bei den Imocas ist eher, dass man keine unerfahrenen Frauen mitnehmen kann, weil die Crew kleiner ist. Es ist eher ein Rennen für die erfahrenen Seglerinnen, um sich an die Spitze zu setzen. Und es gibt fantastische Frauen.
VO65 ist die Plattform für junge Seglerinnen
Wenn ich durch den Hafen gehe, sehe ich viele sehr junge Frauen, die als Mentees am Magenta-Projekt teilgenommen haben. Sie segeln jetzt auf den VO65-Booten, die ja auch einige Etappen mitsegeln. Das ist eine tolle Plattform für junge Seglerinnen, um Erfahrungen zu sammeln und sich zu pushen. Es ist das Beste, was junge Seglerinnen tun können.
Frauen sind genauso gute Seglerinnen wie Männer. Was macht das Segeln für Frauen anders?
Nicht viel (lacht). Kraft war oft ein Grund, warum Frauen weniger gefragt wurden. Ich glaube, das stimmt immer weniger, je mehr Frauen an Offshore-Regatten teilnehmen. Ich denke, darum geht es auch gar nicht. Viele der Männer, die Imoca segeln, solo oder im Doppel, sind eher klein. Auf diesen Booten geht es offshore viel mehr um Ausdauer und Belastbarkeit.
Ich habe viele Frauen gesehen, die das draufhaben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es im Moment weniger Frauen gibt, die viel Erfahrung haben. Die Manöver auf den Imocas sind eher langsam. Es macht also keinen großen Unterschied, ob man ein 95 kg schwerer Mann ist, der in fünf Sekunden das Segel oben hat, oder eine Frau von 60 kg, die etwas langsamer ist.

Hygiene ist an Bord schwierig, man pinkelt in einen Eimer. Dafür müssen Frauen mehr ausziehen als Männer. Hast Du ein paar Tricks, wie man das besser hinbekommt?
Es ist auf jeden Fall schwer für beide. Ich sehe auch, dass die Jungs ein bisschen zu kämpfen haben. Beim Foilen ist alles schwierig, wenn man nicht in einer gesicherten Position sitzt. Um ehrlich zu sein, habe ich noch keine überzeugende Lösung gefunden.
Eine Chatgruppe gehört dazu
Es gibt eine WhatsApp-Gruppe für Seglerinnen namens TOR Chicas. Wer hat die Gruppe eingerichtet?
Es gab schon eine WhatsApp-Gruppe beim letzten Volvo Ocean Race. Dann habe ich eine für das Ocean Race Europe eingerichtet. Und jetzt hat eine andere Frau das für dieses Rennen übernommen.
Was tauscht ihr so aus?
Einfach jede nützliche Information. Normalerweise organisieren wir bei jedem Zwischenstopp ein Treffen mit den Mädels. Dort lassen wir einfach ein bisschen Dampf ab, reden darüber, was an Bord passiert ist, und tauschen Erfahrungen aus. So haben wir eine Verbindung zu den anderen Mädels.
Ich denke, es ist wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen, so wie es die Männer auch tun. Es ist toll, die anderen Seglerinnen persönlich kennenzulernen. Wenn du beim nächsten Projekt eine Seglerin mit einer bestimmten Fähigkeit brauchst, kennst du sie schon. Auch wenn du nicht mit ihr gesegelt bist.

So hast du auch Tamara Echegoyen für die Crew gefunden. Bist du mit ihr schon auf einer Imoca gesegelt?
Ja, ein bisschen. Ich bin ein bisschen traurig, dass sie mich auf den Etappen, in denen ich aussetze, ersetzen wird. Wir werden also nicht zusammen segeln können. Aber ich dränge darauf, dass wir vielleicht auf einer der letzten Etappen zwei Jungs und zwei Mädels sind.