Deutschland hat einen neuen Segelstar. Boris Herrmann hat mit seiner triumphalen Teilnahme an der Vendée Globe das Segeln im Alleingang in den Fokus des deutschen Publikums gerückt. Dieses Momentum weiß er zu nutzen. Den aktuellen Zwischenstand hat der Profi-Skipper am 12. Mai auf einer Online-Pressekonferenz verkündet. Mit Kappe und Fünf-Tage-Bart rauschte er in die Konferenz, als hätte er zu viel Kaffee getrunken. Boris Herrmann brodelt vor Tatendrang – und er weiß ganz genau, wohin damit.
Ein Boot für alle Fälle
Die Partner stehen fest, das neue Boot ist im Bau. Für die nächsten fünf Jahre haben sich nicht nur die alten Partner, sondern auch Zurich Versicherungen und die Schütz GmbH verpflichtet. Das Boot wird von VPLP entworfen, zu deren Portfolio auch die Seaexplorer, die Charal oder die Hugo Boss gehören. Im Juni 2022 soll es fertig zum Stapellauf sein. Im Oktober steht der erste Härtetest an: das Ocean Race. Für Boris Herrmann schließt sich damit ein Jugendtraum. 2002 verfolgte er in Kiel den Zieleinlauf des damaligen Rennens und war fürs Leben infiziert.
Beim Design des neuen Bootes liegt das Hauptaugenmerk auf dem Unterwasserschiff. Die jetzige Generation der IMOCAs kracht viel zu sehr mit dem Bug in die Wellen. Das bremst und gischtet unnötig. Der neue Rumpf wird bananenförmig. So, wie sich ein Kind ein Boot vorstellt, skizziert Boris Herrmann am Bildschirm.
Die vierköpfige Crew hat er noch nicht ausgewählt, aber mindestens eine Frau muss nach dem neuen Reglement dabei sein. Boris Herrmann begrüßt das. Das Boot wird genauso fürs Einhand- wie fürs Crew-Segeln geeignet sein. Es wird eine Bank neben den Winschen geben, auf der man als Crew nebeneinander sitzen oder als Einhand-Segler schlafen kann.
Das Boot wird unter deutscher Flagge mit Hamburg als Heimathafen registriert, aber das Team ist offensiv international.
Nach den acht bis neun Monaten auf dem Ocean Race steht 2024/25 die kommende Vendée Globe an. Mit der Malizia II hat Boris Herrmann 75.000 Seemeilen in drei Jahren abgerissen. Das wird er mit dem neuen Boot übertrumpfen. Auch bei weniger spektakulären, aber klassischen Regatten wie der Palermo-Montecarlo plant er zu starten.
Rennen gegen die Zeit
Aber das eigentliche Rennen läuft gegen die Zeit im Kampf gegen den Klimawandel. Schon beim Bau des Bootes versucht das Team, möglichst carbonarme Materialien zu verwenden. Allerdings könne man heute noch kein „carbonneutrales“ Boot bauen, gibt Boris Hermann zu bedenken.
Die Stabilität von Carbon-Fiber erreicht Bio-Komposit nicht. Bei allen nichttragenden Teilen, bei denen man es einsetzen könne, würden sie es aber tun. Hier soll auch die Expertise von Green Boats genutzt werden, die Bootsbau mit Bionik verbinden. Die neuen Regeln für die IMOCA-Klasse begünstigen solch eine Materialwahl, freut sich Boris Herrmann.
Auch das neue Boot wird wieder mit wissenschaftlicher Technik bestückt, um hilfreiche Meeres-Daten zu sammeln. Das pädagogische Projekt, um Schüler/innen über das Abenteuerthema Segeln an die Klimaproblematik heranzubringen, verfolgt das Team ebenfalls weiter.
Boris Herrmann ist sich sicher, dass die Klimafrage einen entscheidenden Einfluss auf die kommende Bundestagswahl haben wird. Aber sein Hauptinteresse sieht der Sportler nicht auf politischer, sondern auf technisch-innovativer Seite. Das regionale Wasserstoffprojekt „Westküste 100“ aus Schleswig-Holstein gehe in die richtige Richtung.
Bei seinen Partnern drängt er darauf, bei allen Innovationen die Nachhaltigkeit im Blick zu behalten. Mit der Initiative „Malizia Mangrove Park“, die eine Million Mangroven-Bäume auf den Philippinen pflanzen will, versucht das Team Malizia seinen Carbon-Abdruck auszugleichen. Das Mangrovenprojekt leitet Ulrich Kronberg, der langjährige Verleger des palstek, der seit langem im globalen Süden lebt.
Bei aller sachlich vernünftigen Ambition, Segeln bleibt eine Herzensangelegenheit. Wenn man Boris Herrmann fragt, was ihn seit der Vendée Globe umgetrieben hat, kommt es prompt: „Leidenschaft, Arbeit, Familie!“ Segeln ist für ihn alles. Und es wirkt nicht so, als ob sich das im nächsten halben Jahrzehnt ändern sollte.