An dem Tag, als Lee realisiert, dass er eine Jeanneau Sun Odyssey 42 DS gekauft hat, sitzt er kreidebleich im Cockpit seiner Neuerwerbung. Er hat das Gesicht in seinen großen Händen vergraben und kann es nicht fassen. Er ist tatsächlich Eigner einer Segelyacht. Oder gab es den Bootskauf etwa doch nicht?
Über ein Jahr hatte der ehemalige Rugbyspieler aus Wales, der sich um eine Beneteau 54 eines Freundes im türkischen Kaş kümmert, nach einem passenden Boot für sich gesucht. Er war die türkische Küste auf und ab gereist, jettete nach Griechenland und liebäugelte mit einer älteren Moody auf Zypern.
Mal konnten ihn die Boote bei genauerer Inspektion nicht überzeugen, mal schnappten andere ihm das Angebot vor der Nase weg. Lee, ein erfahrener Segler, hatte konkrete Vorstellungen, eine ellenlange Checkliste und ein Preislimit.

Doch beim Kauf seiner Segelyacht machte er alles falsch. Er hatte zwei schlechte Berater: Jim Beam und Johnny Walker. So kommt es, dass Lee am Morgen nach dem Kauf mehr geschockt als glücklich auf dem Boot sitzt, das bislang einem Isländer gehörte. Lee war zu Ohren gekommen, dass das Boot eventuell zum Verkauf stünde, also paddelte er am Vorabend auf seinem SUP zum Steg und sprach den Eigner einfach an.
Der Isländer lud zur Besichtigung an Bord und öffnete die erste Flasche Whisky. Der Rest des Abends verschwindet im Nebel. Nicht einmal die Suchaktion der Küstenwache bekommt Lee mit, die seine besorgte Freundin alarmiert hatte, als Lee von seiner Paddeltour nicht zurückkehrte.
Plötzlich Eigner
Als der Waliser am nächsten Morgen, noch wackelig auf den Beinen und mit schwerem Kopf, sein SUP holen will, gratuliert der Eigner zum Kauf, drückt erst Lee innig an die Brust und ihm dann die Schlüssel in die Hand. Er greift seine Taschen und verschwindet mit einem Taxi. Lee ist plötzlich Bootseigner.
Als ein Stegnachbar verwundert fragt, warum Lee denn – leicht derangiert – in dem Cockpit der Sun Odyssey des Isländers sitze, sagt der nur: „Fuck, ich glaube, ich habe das Boot gekauft.“ Als der Nachbar sich nach dem Preis erkundigt, werden Lees Augen immer größer. „Ich habe keine Ahnung!“

Natürlich wäre ein solcher Vertragsabschluss anfechtbar. Es gibt nicht mal einen Vertrag, zumindest keinen schriftlichen. Am Ende entpuppt sich der Bootskauf aber als absoluter Glücksgriff.
Als Lee den Verkäufer telefonisch kontaktiert, noch ehe der im Flieger in die Karibik sitzt, sagt der nur: „Wir hatten einen tollen Abend, Du bist ein cooler Typ. Zieh doch erst mal auf das Boot, geh segeln, teste alles. Die Marina ist noch für drei Monate bezahlt.“
Glückskäufe sind die Ausnahme
Es gibt sie also, diese unglaublichen Glückskäufe. Doch sie sind die absolute Ausnahme. Vorsicht also vor allzu verlockenden Angeboten, wie sie derzeit vermehrt im Netz zu finden sind. Seit Pandemiebeginn boomt der Markt – bei Neubooten wie auch bei gebrauchten. Manche Schiffsmakler zahlen bereits Provisionen für Tipps, wer eventuell sein Boot verkaufen will.
Die Nachfrage schlägt sich beim Bootskauf auch im Preis nieder. Steigerungen gegenüber der Corona-freien Zeit liegen nicht selten bei 30 Prozent. Vermeintliche Schnäppchen entpuppen sich schnell als Fallen, die zuschnappen, sobald eine Anzahlung geleistet ist.

float hatte sich Anfang des Jahres zum Schein auf einen solchen Betrüger eingelassen. Viele Leser haben sich daraufhin in der Redaktion gemeldet und von ähnlichen Erfahrungen berichtet. „Ich war gerade im Begriff, eine Segelyacht HR 46 zu kaufen“, schrieb beispielsweise ein Leser.
Genau von dem Mann, den float als Betrüger entlarvt hatte. „Bei einer Google-Suche fand ich den float-Magazin-Artikel. Der hat mir geholfen, etwas Ungemach von meiner Familie zu halten. Vielen Dank.“
Energisch eingreifen
Frank Schüttler, Geschäftsführer des Onlinemarktplatzes BestBoats24, hat den Fake-Inseraten den Kampf angesagt. „Besonders gefährdet sind wir seit 2021, da wir der einzige Bootsmarkt (außer Kleinanzeigen von Ebay) sind, bei dem private Boote gratis und mit Foto eingestellt werden können. Drei Mal pro Woche wurden alle neuen privaten Einträge auf Auffälligkeiten kontrolliert.
Zudem wurde jedes Privatinserat auch angerufen und auf Richtigkeit befragt. Zu dieser Zeit haben wir die Fake-Inserate deutlich mindern können.“ Schüttler räumt ein, dass ab Herbst massive Probleme mit Personal und krankheitsbedingten Ausfällen dazu führten, dass zwar „nach wie vor kontrolliert wurde, aber nicht mehr so, wie wir es zuvor taten“. Schüttler verspricht: „Ab März werden wir wieder wie gewohnt dort energisch eingreifen.“

Das Phänomen der Fake-Inserate beim Bootskauf sei bereits vor zwei bis drei Jahren aufgetreten, sagt Schüttler. Das Schema, auf das mehrere Kunden hereingefallen seien, sei immer ein ähnliches. Schüttler nennt ein klassisches Beispiel: „Ein Inserat mit Adresse Deutschland, per Telefon gar nicht erreichbar, nur per Mail.
Dann kommt der Hinweis, dass man erst aktuell für einen Kunden das Boot nach Dänemark transportiert habe. Bei Interesse am Bootskauf möge man sich zumindest die Transportkosten teilen. Was dann auch einige Interessenten taten.“
Oder es handele sich angeblich um einen Notverkauf, da ein Angehöriger oder der Eigner gestorben sei. Man möchte schnell das Boot verkaufen. Sei man an dem günstigen Angebot interessiert, solle man möglichst schnell eine Anzahlung von 25 Prozent leisten.
Muster sind immer die gleichen
Schüttler warnt vor einem wiederkehrenden Muster: „Zu günstig, meist die gängigen Marken, die es auch teilweise im Charterbereich gibt. Die Mobilnummer ist meist nicht erreichbar.“ Der Experte empfiehlt, unbedingt die Angebote vor Ort anzuschauen. Ist das Angebot zu günstig, ist es meist ein Fake.
Auch rät Schüttler, immer telefonischen Kontakt herzustellen. Wenn der Inserent nur per Mail zu erreichen ist, dann sei Vorsicht geboten. Grundsätzlich, sagt Schüttler, stelle der Kauf von Privat ein viel höheres Risiko da als der Kauf von gewerblichen Anbietern.

Um ganz auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt Schüttler, einen externen Dienstleister für die Kaufabwicklung des Bootes zu involvieren. Sein Unternehmen, Best Boats 24, kooperiere beispielsweise mit Vender, einem Angebot der Volkswagen Bank, das den kompletten Verkaufsprozess digital managt. Angefangen von der Verifizierung der Vertragspartner über das Erstellen des Kaufvertrags bis zur finanziellen Abwicklung.
Gebühren sind berechtigt
Ist der Deal abgeschlossen, erhält der Käufer sein Boot, der Verkäufer bekommt sein Geld. Für den Käufer ist das Angebot kostenlos, der Verkäufer zahlt eine Gebühr für die Abwicklung, die sich nach dem Kaufpreis richtet. Für ein Boot im Wert von bis zu 5.000 Euro liegt diese beispielsweise bei 9 Euro, bei einem Wert von 30.001 bis 75.000 Euro bei 69 Euro.
Oder man wendet sich an Yachtverstand und findet ein gebrauchtes Boot mit Jens Böckmanns Unterstützung, wie Theresa es gerade getan hat. Sie fand ein gutes Boot zu einem tollen Preis und weiß dank der Expertise des Experten, was sie gekauft hat.

Lee, der Waliser, hatte mehr als Glück. Seit dem Kauf seines Bootes lebt er zufrieden auf seiner „Freshwater“. Für potentielle Bootskäufer hat er einen Tipp: Lieber nicht auf Inserate vertrauen, sondern sich vor dem Bootskauf in Häfen und Marinas umhören. Der Hafenfunk weiß meist eher über potentielle Verkäufe Bescheid. Im Idealfall direkt Kontakt mit dem Eigner vor Ort aufnehmen. „Und definitiv Finger weg vom Alkohol!“, sagt Lee und lacht.