Das an überraschenden Volten reiche Ocean Race nahm am Donnerstagabend kurz nach dem Start zur letzten Etappe in Den Haag noch einmal eine tragische Wendung. Rund 15 Minuten nachdem die fünf Rennyachten der Imoca-Klasse die Startlinie überquert hatten, kollidierte das Rennboot von 11th Hour Racing mit dem eben erst wiederhergestellten Schiff von Guyot Team Europe.
Beide Boote nahmen erheblich Schaden und mussten in den Hafen zurückkehren, um die durch die Kollision gegen 20.30 Uhr verursachten Schäden zu sichten. An Bord gab es keine Verletzten. Im Video sieht man die Kollision aus Sicht des Teams 11th Hour Racing.
Die anderen drei Boote setzten das Rennen auf dem Inshore-Kurs fort, mit dem jede der sieben Etappen im Ocean Race beginnt. Das Team Holcim-PRB passierte als erstes das Ausfahrtstor, das Team Malizia lag an zweiter Stelle und Biotherm auf Platz 3. 11th Hour Racing, das bisher führende Team des aktuellen Ocean Race, könnte dieses Ereignis den Gesamtsieg kosten.
Gesamtsieg futsch für 11th Hour Racing?
Der Skipper des 11th Hour Racing Teams, Charlie Enright, sagte, er habe versucht, einen Zusammenstoß zu verhindern. Doch als er merkte, dass das Guyot-Boot seinen Kurs nicht änderte, war es zu spät. „Das ist natürlich eine äußerst unglückliche Situation“, sagte der US-Amerikaner nach der Rückkehr. „Wir sind auf der Layline zur Markierung 4 gewendet, sauber und klar. Ich möchte nicht spekulieren, aber es scheint, dass das andere Boot uns nicht gesehen hat. Wir hatten die Vorfahrt.“
Es bestehe, so heißt es in einer Guyot-Presserklärung, kein Zweifel daran, dass der Fehler bei der europäischen Kampagne lag, als das schwarze Guyot-Schiff auf Steuerbordbug der Segelyacht von 11th Hour Racing Team auf Backbordbug zu spät auswich und seinen Bugspriet in den Heckbereich des US-Rennboots bohrte.
Der Aufprall war heftig, sagte Enright: „Wir haben großes Glück, dass alle wohlauf sind.“ Obwohl die Schäden noch nicht eingeschätzt sind, erklärte der Skipper des führenden Teams: „Es ist definitiv nicht vorbei, bis es vorbei ist. Das wird nicht der Grund sein, warum wir den Job nicht zu Ende bringen.“
Guyot Team Europe ist angefasst
Benjamin Dutreux übernahm umgehend die Verantwortung für das Debakel. In einer am späten Donnerstagabend verbreiteten Presseerklärung beschrieb er den Moment vor der Kollision mit 11th Hour Racing: „Ihr Boot tauchte vor mir auf und es war zu spät“, erklärte der Skipper später nach der Rückkehr im Hafen von Den Haag. „Es war unmöglich, den Kontakt zu vermeiden, nachdem ich sie gesehen hatte. Ich übernehme die volle Verantwortung. Es ist ganz sicher unsere Schuld.“
Hörbar angefasst erklärten die Segler von Guyot Team Europe später am Abend: „Es ist schwer, Worte zu finden. Es gibt nichts, was die Trauer beschreiben könnte, die Guyot Team Europe ergriffen hat.“ Für die deutsch-französisch geführte Crew, die nach einem fulminanten Sieg beim Ocean Race Europe hoffnungsvoll in die Weltumseglung gestartet war, ist das Ocean Race in Den Haag endgültig zu Ende.
„Das Guyot Environnement Team Europe wird das Rennen nicht wieder aufnehmen, selbst wenn die eigenen Schäden repariert werden könnten“, heißt es in einer Erklärung am Donnerstagabend. Der Rückzug aus der letzten Etappe erfolge auch aus Respekt vor dem 11th Hour Racing Team.
Tragischer Segler
Nach der Kollision mit 11th Hour Racing ist Guyot-Skipper Benjamin Dutreux endgültig die tragische Figur dieses Ocean Race. Er, der das Boot in die Kampagne mit einbrachte, haderte als klassischer Solosegler zu Beginn mit seinem Team bei der Kommunikation an Bord. Dann musste der Franzose auf die Königsetappe durch den Southern Ocean verzichten.
Auf der Etappe nach Newport wurde das Guyot-Boot im Sturm entmastet, die Fortsetzung des Rennens schien aussichtslos. Der Moment, in dem Benjamin Dutreux verzweifelt, halb weinend, den Verlust des Masts mit „Oh nein, oh nein“ kommentiert, gehört zu den tragischsten Momenten dieses Rennens.
Dass das Guyot Team Europe anschließend dank der herkulischen Arbeit vieler Helfer bei der Kieler Knierim-Werft – und des Ersatzmastes von 11th Hour Racing – wieder zurück ins Rennen kam, verdient und erhielt größten Respekt. Für Team-Europe-Kampagnenchef Jens Kuphal war das Umrunden der Wendetonne beim Fly-By in Kiel vor dem deutschen Konkurrenten Mailizia ein Riesenerfolg.
Das Comeback von Guyot beim Inshore-Rennen hätte der Auftakt für ein gutes Ende sein sollen. Es kam anders. Quel dommage, Benjamin! Einfach nur schade.