Die CEOs der Hanse Yachts AG, Hanjo Runde, und von Bavaria Yachtbau, Marc Diening, haben einiges gemeinsam: Beide sind bei ihrer Werft noch keine zwei Jahre im Amt, und beide waren bis zum Start ihrer Führungsaufgaben zuvor nicht in der Bootsbranche tätig. Zudem wandelten sich die Führungsteams der führenden deutschen Werften seit 2022 gehörig. Bei der Hanse Yachts AG gab es in den letzten 14 Monaten mehrere Wechsel bei der Position des Finanzchefs.
Ein wesentlicher Indikator für die Nachfrage und Produktivität ist, wie stark eine Werft bei Neubooten ausgebucht ist. Mit 263,5 Millionen Euro Auftragsbestand zur Mitte des noch bis 30. Juni 2023 laufenden Hanse-Geschäftsjahrs liege der Auftragsbestand „weiter auf Rekordniveau“, so Hanse-Pressesprecher Boris Heitmann.

Zum Vergleich: Im Februar 2022 nannte Hanjo Runde 330 Millionen Euro im Auftragsbuch, dieses Jahr sind es rund 25 Prozent weniger. „Die Werft ist damit bis weit ins Jahr 2024 ausgelastet.“
Ein ähnliches Datum nennt Bavaria. Die Lieferzeit ab Werft liege „bei den meisten Modellen bei Frühjahr bzw. Sommer 2024“, so CEO Marc Diening. „Mit einer stärkeren Mannschaft konnten wir unsere Produktion im letzten Jahr um 30 Prozent steigern, und wir legen dieses Jahr noch einmal mehr als 20 Prozent drauf.“
Wann Kunden, die heute ein Boot bestellen, mit fahrfertiger Auslieferung rechnen können, hängt aber von den Vertragshändlern ab. Denn oft sind die von den Händlern georderten Neuboote von den Kunden vorbestellt und keine Ausstellungsschiffe.

„Einzelne Modelle“, wenn auch nicht in der vollen Optionsauswahl, so Bavaria-Chef Diening, „sind noch in der Saison 2023 über Händler erhältlich.“ Ähnliches hört man von Hanse. Für „Kurzentschlossene“ hätten einige Vertragshändler noch nicht verkaufte Boote im Vorlauf, so Heitmann. Denn man werde in diesem Jahr mehr Boote ausliefern als in den Vorjahren.
Herausforderungen bei Werften wandeln sich
Vor einem Jahr waren brüchige Lieferketten, also die Versorgung mit Material, Bauteilen und ganzen Komponenten durch die Lieferanten, die größte Herausforderung für die großen Werften. Dazu kam die krankheitsbedingte Abwesenheit vieler Mitarbeiter – beides Folgen der Corona-Pandemie. „Die Herausforderungen sind unverändert, wenn auch abnehmend“, so Heitmann.
Die Lage bei fehlenden Teilen verbessere sich, auch weil Hanse die Bestände an kritischen Komponenten deutlich erhöht habe. Wesentlich, so Bavaria-Chef Diening, sei „eine enge Kommunikation mit allen Zulieferern, um rechtzeitig gegensteuern zu können“. Das bestätigt auch Heitmann: „Die immer noch anhaltenden Schwierigkeiten in einigen Lieferketten sorgen für Ineffizienzen in der Produktion und belasten dadurch das Ergebnis.“
Galoppierende Kostensteigerungen ziehen sich schon seit 2022 durch alle Gewerke. Nun fordert die Inflation – mit dem Ende des billigen Gelds und den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf die Energiepreise – zusätzlich ihren Tribut. „Stark gestiegene Energiekosten konnten wir nur teilweise reduzieren“, erklärt Marc Diening, „zum Beispiel durch Modernisierung unserer gesamten Beleuchtung in der 70.000 Quadratmeter großen Produktion.“

Die Suche nach geeigneten Fachkräften ist weiterhin ein großes Thema. Mehr als 100 neue Mitarbeiter habe Bavaria Yachtbau im letzten Jahr gewonnen. Diening: „Gleichzeitig haben wir Programme aufgelegt, um Personal weiterzuentwickeln.“ Mit einer stabileren Vorsorgung durch die eigenen Lieferanten und mehr Personal hätte man den Umsatz nochmals deutlich steigern können.
Das neue Normal
Die Markteinschätzung die großen deutschen Werften für dieses und das kommende Jahr fällt positiv aus. Nach der extrem hohen Nachfrage nach Booten in den letzten zwei Jahren normalisiere sich der Markt langsam wieder, so Diening, „für Bavaria aber auf viel höheren Niveau als vor 2020“. Damals lag für die fränkische Werft der Neustart nach der Insolvenz erst zwei Jahre zurück.
Seitdem füllt sich das Bavaria-Portfolio wieder mit neu entwickelten Modellen wie der neuen Motoryacht-Baureihe SR und der C-Linie für Segler.