Es stand auf Messers Schneide. Vor genau einem Jahr wurde die Giebelstädter Serienwerft Bavaria Yachts nach dramatischer Investorensuche mit Hilfe des Berliner Investors CMP vor der Pleite gerettet. Nun hat die Werft das erste Jahr der Sanierung erfolgreich überstanden. Im zweiten Geschäftsjahr nach dem Neustart geht Bavaria mit neuen Entwicklungen zur boot Düsseldorf 2020. Werftchef Michael Müller zieht für float Bilanz und gewährt Einblick in die nahe Zukunft.
„Wir holen viel Know-how zurück in die Werft“
float: Herr Müller, Bavaria Yachts ist gerade zum zweiten Mal ein Jahr alt geworden, die Werft hat das kritische erste Jahr nach der Insolvenz überstanden. Die Werft war mit zwei Modellen auf dem Cannes Yachting Festival vertreten. In welche Richtung geht es bei Bavaria Yachts im zweiten Jahr?
Michael Müller: Wir waren nicht nur in Cannes vertreten, sondern auch in Southampton, Oslo, Lelystad, Genua, La Rochelle und Friedrichshafen. Bis zur boot folgen noch weitere wichtige Bootsmessen bis Januar. Für die Marke und die Werft haben wir wichtige Meilensteine bereits erreicht:
Unser Händlernetz ist stabil geblieben und wir konnten neue Händler in wichtigen Regionen hinzugewinnen. Entsprechend konnten wir auch unsere Ziele für das erste Geschäftsjahr, das für uns ja praktisch nur von Oktober bis 31. Juli lief, erreichen und 350 Segel- und Motoryachten ausliefern.

Ein neues flexibleres Arbeitszeitmodell gibt uns mehr Möglichkeiten in der Produktion für das laufende Geschäftsjahr. Das heißt in der produktionsintensiven Zeit im Winterhalbjahr können wir mehr Arbeiten, in den Sommermonaten können die Mitarbeiter ihre Überstunden wieder abbummeln. Wir können dadurch Lieferzeiten optimieren und brauchen keine Saisonkräfte mehr bei Produktionsspitzen. So planen wir für dieses Jahr knapp 450 Einheiten auszuliefern.
Wie haben sich die Produktionsabläufe inzwischen eingespielt? Was haben Sie verändert und verbessert?
CMP musste erst einmal alles übernehmen, wir hatten ja kaum Zeit. Wir haben an unseren Produkten, von unseren Kunden und von den Märkten in den letzten zwölf Monaten gelernt. Das können Sie als Unternehmen nur selber machen. Deshalb holen wir uns viel Know-how wieder zurück in die Werft. Das spart Kosten und schafft mehr Kontrolle.
Wir investieren gerade in der Schreinerei in eine neue Maschine für unserem Möbelbau. Wir investieren auch in neuere Technologien und in Entwicklungskapazität. Wir müssen ja neue Boote entwickeln, und das muss schneller gehen als normal. Allein in diesem Jahr investieren wir einige Millionen Euro in Entwicklung.

Was wird alles inhouse produziert?
Unser Prinzip ist „Made in Giebelstadt, Made in Germany“. Alle Boote, die wir bauen, kommen von hier. Die Produktentwicklung, die Produktpflege, die Linienbetreuung, das Engineering und die Technik wollen wir in Zukunft wieder inhouse machen. Wir legen viel Wert auf den Holzausbau in unserer eigenen Schreinerei, wo wir alle Möbel selber bauen und sie selber anpassen. Das Qualitätsmerkmal einer Bavaria soll sein: Es ist ein solides Boot.
Andere Werften bauen in Polen. Das tut Bavaria nicht. Wie schafft ihr es, im Wettbewerb zu bestehen?
Bavaria baut Boote zwischen 33 und 57 Fuß. Jeder weiß: Je kleiner die Boote sind, desto geringer ist die Marge und umso höher der Kostendruck. Deshalb gehen wir nicht unter 30 Fuß, denn dann können wir nichts mehr verdienen, dann müssten wir auch nach Polen gehen.
Herr Müller, Sie kommen aus einem ganz anderen Bereich und hatten vorher nichts mit Booten zu tun. Wie viel muss eine Werftleitung wissen, um eine erfolgreiche Werft zu sein?
Gute Frage! Bei Bavaria habe ich den Eindruck, je mehr Geschäftsführer hier waren, die dachten, sie kennen die Materie, desto mehr Probleme hatten sie. Ich glaube, es ist wichtig, eine gewisse Neutralität und Business-Effizienz zu haben.
Sie brauchen Grundwissen und eine Affinität zum Produkt, aber die Prinzipien in Produktionsprozessen sind immer gleich. Der Gründer von Bavaria war auch kein Segler, der hat Fenster gebaut. Ich bin kein Bootsbauer, aber ich bin Technologe.
Ich will die Prozesse verbessern. Ich will, dass wir ganz dicht dran sind an den Menschen, die die Bavarias bauen. Denn sie wissen am besten, wo die Probleme liegen und wie wir sie verbessern können. Daran arbeiten wir gerade.
Was sagen denn die Bavaria-Kunden?
Unsere Kunden sind uns weitestgehend treu geblieben. Viele haben gewartet, bis sich die Wogen nach der Übernahme geglättet hatten – und dann ihre Bavaria bestellt. Aber Bavaria Yachts war auch über ein halbes Jahr nicht am Markt, das hat natürlich auch Kunden gekostet. Wir denken, dass wir in drei bis vier Jahren den richtigen Produktmix fertig entwickelt haben.
CMP ist selbst im operativen Geschäft tätig. Dr. Ralph Kudla ist als Finanzmanager in Giebelstadt vor Ort. Er bleibt so lange hier, bis der Laden läuft. Hier in Giebelstadt ist man mittendrin, gestaltet und versucht so schnell wie möglich, das Management aufzustellen.

Zum Oktober konnten wir Jens Abromeit als neuen COO für die Bavaria-Yachtbau-Gruppe gewinnen. Er ist verantwortlich für die gesamte Produktion inklusive Produktionsplanung, Logistik sowie Qualität und Service. Desweiteren übernimmt Herr Abromeit die Verantwortung für den Bereich Produktentwicklung.
Für die boot Düsseldorf 2020 haben Sie zwei neue Boote angekündigt, ein Segel- und ein Motorboot. Worauf dürfen wir uns freuen? Können Sie uns schon ein kleines bisschen verraten?
Lassen sie sich überraschen. Ich habe die Boote schon gesehen und bin begeistert.
Wir sind gespannt, Herr Müller. Danke für das Gespräch.