Richtig reisen
Mit dem Flugzeug von Paris nach Hobart braucht man keine 30 Stunden. Per Segelyacht dauert es 80 mal so lange: 3 1/2 Monate oder 2.520 Stunden. Was fangen nur die Flugzeugpassagiere mit den überzähligen 2.490 Stunden an?

Simon Curwen auf Platz eins erreichte Hobart am Weihnachtsabend. Er führte bis zum Gate mit guten 200 Seemeilen Abstand vor Kirsten Neuschäfer, hat sich aber in den Schwachwinden der letzten Etappe so gelangweilt, dass er nicht nur sein Schiff, sondern auch seinen Bart frisch getrimmt hat. Man riecht geradezu das After-Shave auf seinem aalglatten Kinn, während er philosophisch zu Protokoll gibt: „Als ich im Nordatlantik eins von drei Solarpaneelen verlor, machte mich das etwas unruhig. Das ist lange her.“
Kirsten Neuschäfer folgte ihm einen Tag später am Gate mit ihrer Universal-Losung „All good“. Beim Video-Call vor Hobart sah sie aus, als hätte man sie gleich mehrmals durch einen Jungbrunnen gezogen. Diese Frau hat ihr natürliches Habitat gefunden.

Auf dem Weg von Hobart nach Osten rangelt sie mittlerweile mit Simon Curwen um Platz eins. Sie ist zwar 30 Stunden hinter ihm. Wegen ihrer Rettungsaktion für Tapio Lehtinen kann sie sich aber 35 Stunden gutschreiben. Heißt: Sie führt auf dem Papier mit 5 Stunden vor Simon Curwen.
Auf dem Meer gibt es keine Trampelpfade
Eine große Schippe Lässigkeit hat sich Abhilash Tomy aufgeladen. Über die 3 1/2 Monate hat er sich vom geschniegelten Paradesoldaten zum verwegenen Dynamitfischer gewandelt. Ihm sprießt der Vollbart, lockt sich das Haupthaar, fletscht sich das Lebenskünstlergrinsen. Beim nächsten Gate vor Punta del Este sollte er als Corto Maltese mit langen Koteletten und goldenen Creolen einlaufen. Spätestens dann wird ihn sich Bollywood angeln.

Nicht ganz so schillernd drücken sich Ian Herbert-Jones, Guy Waites und Jeremy Bagshaw auf den hinteren Rängen herum – und fallen immer weiter hinter die Fab Four zurück. Aber was soll’s, das Kielwasser der Vorsegler ist längst zerflossen und der Ozean liegt vor den Nachzüglern genauso unberührt wie vor Simon Curwen.
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Und ihm gingen schon Bernard Moitessier, Charles Darwin, Hermann Melville, Fletcher Christian und Joseph Conrad voraus. Das Beste am Ozean ist, dass niemand „… was here“ hineinritzen kann.
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