Gottfried Wieser war sieben Jahre lang Hüttenwirt auf der Glungezer Hütte in Tirol. Heute steigt der 66-Jährige zusammen mit seiner Partnerin Darja von der Berghütte ins Tal ab, um die Welt zu umsegeln. Bergschuhe und Klettergurt haben sie im Gepäck.
float: Herr Wieser, Berge und Meer sind für viele so gegensätzlich wie Licht und Schatten, zwei Elemente an denen sich die Geister scheiden. Segler gehen normalerweise nicht in die Berge und umgekehrt. Sie tun beides. Was verbindet sich für Sie dabei?
Gottfried Wieser: Zuerst mal die Naturnähe. Als Bergsteiger und Segler bin ich den Elementen direkt ausgesetzt. Ich muss mich gut vorbereiten, mit einem ordentlich recherchierten Wetterbericht, ich muss planen, vorausschauen, improvisieren. Als Segler muss ich das ebenso. Und beide, Segler und Bergsteiger lieben die Natur. Das Licht, den Wind, die Sicht.
In beiden Elementen stellt man sich den Naturgewalten und bewegt sich in ihnen fort, ganz archaisch. Das ist eine großartige Herausforderung und sehr befriedigend, oder?
Wenn man nach einem langen Schlag auf dem Meer im Hafen ankommt, ist das genauso, wie wenn man nach einer langen anstrengenden Tour auf einer Hütte ankommt. In Hütte und Hafen ist man beschützt und hat es überstanden. Man hat die Herausforderung gemeistert. Das empfinden Segler wie Bergsteiger so.
Haben Sie schon genauere Ziele für die Weltumsegelung?
Die Routenplanung ist noch ein bisschen ungenau. Wir werden erstmal langsam starten. Im nächsten Vierteljahr geht es auf die Kanarischen Inseln, dann weiter auf die Kapverden, dort werden wir eine Weile bleiben, vielleicht sogar über den Sommer. Anschließend segeln wir rüber nach Brasilien und durch den Panamakanal. Die Karibik lassen wir aus. Wir segeln direkt in den Pazifik und dann runter in den Süden nach Patagonien.
Unser Ziel ist es auch, Gegenden anzufahren, in denen wir Berge besteigen können. Wir wollen den Alpinismus unterwegs fortführen. Wir werden Patagonien, Alaska und Neuseeland erkunden, wo ja auch sehr schöne Berge stehen. Das Bergsteigen wird auf unserem Törn einen großen Raum einnehmen neben dem Segeln. Wir reisen sozusagen auf ökologische Weise zu den Gipfeln: mit dem Boot zu den Bergen.
Sie waren jetzt sieben Jahre Hüttenwirt, haben Sie da Zeit gefunden, sich auf eine Weltumseglung vorzubereiten?
Das ist eine berechtigte Frage. Wir sind zwar Blauwassersegler, aber nicht blauäugig. Wir haben uns jetzt drei Jahre intensiv vorbereitet, waren im Atlantik unterwegs, ich habe auch schon eine Überquerung gemacht. Insgesamt haben wir sehr gut trainiert. Körperlich fit sind wir durch die Berge sowieso.
An Bord haben wir natürlich das Equipment entsprechend aufgerüstet. Angefangen mit der Navigationsgeschichte, haben wir das Boot technisch aufgerüstet, einen neuen Motor eingebaut und vieles mehr. Ich mache außerdem noch einen medizinischen Notfallkurs bei seadoc. Wir kommen ja schon in Regionen, wo es ans Eingemachte geht.

Mit heftigem Wind kennen Sie sich auf der Glungezer Hütte ja bereits aus. Vor kurzem hatten Sie dort Windgeschwindigkeiten von 280 km/h.
Ja, das war heftig! Hoffentlich müssen wir das nie auf dem Wasser erleben. Da heroben sind wir natürlich schon einiges gewohnt an Wind und wissen auch, was der anrichten kann. Ich habe einen Gast hier auf der Hütte, der ist Meterologe in Innsbruck. Wir haben dort einen Hotspot, und die Meterologen haben dort Zugriff zu den Wetterdaten weltweit. Er wird uns unterwegs mit den nötigen Daten versorgen. Wir bekommen langfristige Prognosen von ihm, wie man es für Expeditionen in den Bergen ja auch braucht.
Sie fahren zusammen mit Ihrer Partnerin Darja Kous. Welche Vorkenntnisse bringt sie mit?
Sie hat in Kroatien Segeln gelernt und dort auch alle Scheine gemacht. Es ist natürlich für mich ein Glücksfall, dass wir das gleiche Interesse und auch fast das gleiche Niveau haben!
Und dann nehmen Sie noch Tino mit.
Ja, Tino ist unser Hüttenhund. Der ist jetzt 12 Jahre alt. Er würde uns nie verzeihen, wenn er zu Hause bleiben müsste. Es ist natürlich für einen Hund eine größere Belastung, speziell bei längeren Passagen. Aber wenn er die Wahl hätte selbst zu entscheiden, würde er sich sicher dafür entscheiden. Er ist eine richtige Wasserratte, und wir können ihm so noch ein paar schöne Jährchen bescheren.

Mit welchem Boot fahren Sie los?
Die Yacht ist eine One Off, ein 40-Fuss-Eigenbau, mit einem Alu-Kasko. Sie wurde in La Rochelle entworfen. Vom Schnitt ist sie ähnlich wie eine „Reinke“. Es ist ein sehr stabiles Boot, alle Beschläge und das stehende Gut sind hochseetauglich verstärkt. Außerdem hat sie sehr viel Stauraum. Es gibt auch nur zwei Schlafplätze, weil wir im Bug eine kleine Werkkammer eingebaut haben, mit Werkbank zum Basteln und Reparieren.
Sie steigen jetzt für immer ab von der Hütte?
Ja, wir machen gerade noch die Übergabe. Morgen in der Früh vom 13. Oktober brechen wir hier auf der Hütte unsere „Zelte“ ab und steigen ins Tal.
Sie steigen von 2610 Metern herab auf Null. Was lassen Sie auf dem Weg zurück?
Eine Menge lieber Stammgäste lassen wir zurück, aber die treffen wir ja vielleicht unterwegs wieder. An Dingen lassen wir nur ganz wenig zurück. Das ist ja eine schöne Sache, dass man sich so einschränkt. Wir haben alle unsere Habseligkeiten verschenkt. Es ist erstaunlich, mit wie wenig man auskommt. Bergsteiger kennen das, sie haben nur das dabei, was sie selbst tragen können. Zurücklassen tun wir nur einige wenige persönliche Dinge, die in eine Alukiste passen. Unsere Buchhaltung macht unser Steuerberater, unsere Wohnung ist vermietet. Falls wir doch zurückkommen, haben wir sie als Hafen behalten.

Es ist etwas sehr Spezielles, wenn man sieben Jahre in den Bergen lebt und dann aufs Meer geht. Wie erleben Sie das?
Wissen Sie, ich bin zum Viertel Rumäne, in mir fließt viel Roma-Blut. Die halten es sowieso nicht so lange an einem Ort aus und müssen immer in Bewegung sein. Wir werden die Berge vermissen, ganz klar. Die Naturschauspiele, die man am Berg erlebt, sind schon einmalig. Künftig müssen wir uns dann mit den Sonnenuntergängen am Strand zufriedengeben. Aber mit diesem Ersatz können wir gut leben.