Morgen, am 4. Juli, um 15:30 Uhr, startet Boris Herrmann zum letzten Vorbereitungs- und Qualifikationsrennen für die 9. Vendeé Globe – zur Vendée-Arctic-Les Sables d’Olonne, kurz „Valso“ genannt. Sie ersetzt die Regatta „The Transat CIC“, die wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Es ist das erste Rennen für den Hamburger Segler seit der Corona-Zwangspause für Profisegler.
Gesegelt wird die Valso von Frankreich hoch in den arktischen Polarkreis, zur Küste Islands, dann weiter zu den Azoren und wieder zurück nach Frankreich. Zehn bis zwölf Tage lang werden sich die 21 Teilnehmer und Aspiranten der Solo-Weltumseglung Vendée Globe zum letzten Mal vor dem geplanten Start im November messen. Dabei können die Segler ihre teils mit ultramodernen Foils ausgestatteten Boote unter ähnlichen Bedingungen testen.
Weltbekannt seit der Atlantikfahrt mit Greta Thunberg
Boris Herrmann ist der erste deutsche Teilnehmer einer Vendée Globe. Der 39-jährige Skipper segelt seit fast 20 Jahren auf den Weltmeeren. Er ist weltweit bekannt, seitdem er mit seiner Rennyacht „Malizia II“ letztes Jahr Greta Thunberg über den Atlantik nach New York brachte. Im Frühjahr wurde seine Mailizia, die jetzt „Seaexplorer-Yacht Club de Monaco“ heißt, mit neuen Foils ausgestattet. Der erste Testlauf vor einer Woche war schon sehr vielversprechend. Wir sprachen gestern mit Boris Herrmann während der letzten Rennvorbereitungen.

Boris, vorab erst einmal herzlichen Glückwunsch! Du bis gerade Vater geworden. War es schwer, gleich los zu müssen, nachdem deine Tochter auf der Welt war?
Ich sehe sie ja in zwei Wochen schon wieder, und dann kann ich viel Zeit mit ihr verbringen. Ohne Corona wäre der zeitliche Ablauf sicher ein bisschen einfacher gewesen für uns. Wir hatten eine Eltern-Auszeit geplant. Aber ich will mich nicht beklagen, es ist alles gut. Jetzt fokussiere ich mich erst mal auf das Rennen.
Die VALSO wurde in kurzer Zeit als Ersatz für die Transat auf die Beine gestellt, ein ziemliche Leistung unter Corona-Bedingungen. Wie kam es zustande?
Mit viel Aufwand hat es geklappt – mit Unterstützung von Leuten aus unserer Klasse bis hin zum Innenministerium. Hier in Frankreich sind ja alle Sportveranstaltungen verboten bis 1. August, und wir dürfen jetzt als Erste und Einzige eine Ausnahme machen.
Ohne dieses Vorbereitungsrennen wäre die Teilnahme an der Vendée sicher schwieriger, oder?
Hätte das nicht geklappt, würden wir andere Vorbereitungsfahrten machen. Ich hatte schon Alternativen geplant: Ich wäre dann zu den Kapverden gesegelt.

Was hältst Du von der Route, die jetzt ausgewählt wurde? Ein kleiner Vorgeschmack auf den berüchtigten Southern Ocean, wenn man sich die Wettermodelle gerade anschaut, oder?
Die Route ist ganz originell. Es ist sinnvoll, die Boote mal unter diesen Bedingungen zu testen – noch in der Nähe von Europa und nicht erst im Southern Ocean. Etwas weiter nördlich haben wir jetzt die Chance, unter schwierigeren Bedingungen zu segeln. Solo würden wir das so nicht machen. Instinktiv würde man solche Routen eher vermeiden. Das ist eigentlich das Beste an diesem Rennen. Es bietet die Chance, das Material noch mal auszuprobieren.
Gestern bei der Pressekonferenz gab es sehr unterschiedliche Auffassungen, ob es ein Rennen ist oder ein Test für die einzelnen Segler und Seglerinnen. Manche wollen ihre Imocas lieber schonen, andere wollen es richtig rocken lassen und das Material auf die Probe stellen. Wie ist deine Haltung, Boris?
Immer, wenn man was verändert am Schiff, muss es mindestens durch ein Transatlantikrennen validiert werden oder eine andere lange Fahrt. Das ist unser Prinzip, und diese Regel gilt auch hier. Wir haben Dinge verändert, das müssen wir testen. Und danach wird nichts mehr verändert, hoffentlich. Ich bin da ganz guter Dinge.
Du hast die Seaexplorer jetzt sechs Tage getestet. Wie läuft sie denn?
Deutlich schneller als vorher! Sie kann komplett fliegen, so dass man wirklich die gesamte Verdrängung des Schiffs auf dem Foil trägt. Das ist ein faszinierendes Gefühl.
Was gilt es jetzt zu trainieren? Du hast das Schiff nach sechs Tagen ja noch nicht komplett durchdrungen.
Ich muss ein Gleichgewicht finden zwischen Kielwinkel und Anstellwinkel des Foils. Weil das Boot auch ein bisschen zwischen diesen beiden Oberflächen foilt, ist da noch mehr Testen erforderlich. Es gibt mehr Einstellungsmöglichkeiten und Variationen, die ich ausprobieren kann. So sehe ich, was in den verschiedenen Seegangsituationen besser funktioniert. Und nicht nur schneller ist, sondern auch das Boot mehr schont, damit es nicht so stark schlägt.
… und auch dich mehr schont. Wenn die „Seaexplorer“ schneller ist, schlägt sie auch stärker, zumindest dann, wenn sie nicht foilt. Das ist körperlich sicher sehr anstrengend.
Ja. Aber erst gehen die Boote kaputt, bevor wir kaputtgehen. (lacht)
Fühlst Du dich fit?
Ja.
Welche technischen Neuigkeiten habt ihr noch eingebaut?
Eine ganze Menge: Elektronik, Segel, Details, das Wichtigste sind die Foils. Ein bisschen Technologie auch.

Kannst du was zur Technologie sagen?
Es gibt mehr Möglichkeiten für den Autopiloten. Wir haben ein Gerät eingebaut, das uns bei Kollisionsverhütung helfen soll. Es heißt Oscar und das schaut mit einer Infrarotkameras nach vorne.
Und welche Besegelung hast du jetzt drauf?
Wir nutzen Segel von Quantum Sails und setzen hier das Cableless Code Zero ein. Das macht es vielseitiger als ein klassisches Rollsegel, das man am Kabel am Vorstag ein- und ausrollt. Das Cableless-Segel hat das Kabel quasi in seiner Struktur integriert und kann dann auch ein bisschen gefiert werden.