Die Führungsriege der Vendée Globe kennt nur noch ein Wetterrouting: direkt zur Ziellinie. Alle Wettermodelle sind sich einig, dass das Ziel in sieben Tagen erreicht sein sollte. Die Rennleitung hat als ETA, als erwartete Ankunftszeit, den 27. Januar ausgegeben. Boris Herrmann liegt aktuell auf Platz drei.
Das erste Mal in der Geschichte der Vendée Globe wird das letzte Boot Kap Hoorn umrundet haben, bevor der Erste die Ziellinie passiert. Eindrücklicher kann man gar nicht zeigen, wie wenig die langsameren und älteren Boote bei diesem Rennen bereit waren, sich abhängen zu lassen.

Es geht jetzt nicht nur in die spannende Endphase des Rennens, sondern auch das Wetter wird durch die starke Variabilität der Drucksysteme mehr als interessant, sagt Sebastian Wache von der WetterWelt. Aktuell müssen für die führenden Boote und Boris das schmale Windband erreichen, das eine alte Kaltfront übriggelassen hat. Im Osten und im Westen liegen dagegen Hochdruckbereich mit Flaute.
Bis zum Samstag wird sich ein sehr weiträumiges Tief vor der Küste der USA und Kanada aufbauen. In seinem Dunstkreis zeigt sich knapp südwestliche der Azoren ein Randtief. In dessen Einwirkbereich muss Boris Herrmann nun zwingend eindringen, um den guten Wind mitzunehmen. Dieses massive Tief mit all seinen möglichen Randtiefs wird es sein, das die Boote ins Ziel schieben wird.

Am letzten Wochenende mussten sich die ersten Boote durch die Doldrums kämpfen, noch haben sie knapp 2.000 Meilen vor dem Bug. Wolken verdeckten die stechende Sonne, Regenböen ermöglichten eine kurze Dusche. Aber zurücklehnen war nicht drin. Die Spitzenreiter konnten sich schnell und unbeschadet aus den Fängen der Flaute befreien. Durch ein Azorenhoch geht es auf Vorwindkurs ein Tiefdruckgebiet entlang rein in die Biskaya. Es zählt weiterhin die Seemannschaft, aber vor allem die Qualität der Boote. Welches Boot ist noch 100-prozentig einsatzbereit?
Thomas Ruyant: Bruch auf Backbord
Thomas Ruyant auf LinkedOut musste im südlichen Ozean ein Drittel seines Backbord-Foils kappen, nachdem es mit Treibgut kollidiert war. Er kann das Foil bei Wind von Steuerbord nicht mehr zum Auftrieb benutzen, der Stumpf bremst sogar. Trotzdem ist er Podiumsanwärter geblieben und wechselte oft die Plätze mit Charlie Dalin und Yannick Bestaven. Auf der Strecke über den Äquator nach Norden die brasilianische Küste hinauf warf ihn allerdings der Nordostpassat zurück.

Seine LinkedOut wurde von Guillaume Verdier entworfen und 2019 in Persico, Italien, gebaut. Sie basiert auf dem Designkonzept der Super 60, die ursprünglich für The Ocean Race geplant war. Für das Solosegeln wurde intensiv an der Ergonomie des Bootes gearbeitet. Die neuen Foils konnten wegen des Schadens leider nie ihre volle Leistung zeigen.
Bei der letzten Vendée Globe schied Thomas Ruyant aus, als sein Boot „Le Souffle du Nord“ am 20. Dezember im Süden nach einer Kollision fast in zwei Teile brach. Durch eine unglaubliche seemännische Leistung rettete Thomas sein Boot nach Neuseeland. So konnte es bei der jetzigen Regatta mit Maxime Sorel als „V and B Mayenne“ wieder an den Start gehen, derzeit auf Platz zehn.

Auch Charlie Dalin an Bord der Apivia machte das Backbord-Foil mitten im Südpolarmeer Probleme. Er befürchtete schon, aufgeben zu müssen. Aber mit cleverer Planung und handwerklichem Geschick rettete er die Funktionstüchtigkeit des Foils, wenn auch nicht zu 100 Prozent.
Yannick Bestaven: Sein Weihnachtsgeschenk
Von Weihnachten bis kurz vor Brasilien führte Yannick Bestaven auf Maitre Coq das Rennen an. Auf seiner zweiten Vendée-Globe-Regatta hatte der 47-Jährige auf der Höhe von Kap Hoorn einen Vorsprung von 400 Meilen vor dem Zweitplatzierten Charlie Dalin herausgesegelt. Aber er sah voraus, dass er bei dem Wetter im Südatlantik seinen Vorsprung einbüßen würde, von 400 Meilen Vorsprung zurück auf Platz sechs. Und die verbleibende Strecke wird immer kürzer.