Es bleibt spannend bis zum Schluss. Nach tausenden Seemeilen im Southern Ocean liegen die führenden Rennyachten der Konkurrenten Boris Herrmann und Kevin Escoffier nahezu gleichauf. Kurz vor der Ziellinie im brasilianischen Itajaí führt die „Malizia“ zeitweilig mit weniger als einem Kilometer vor der „Holcim PRB“. Es ist eine Zitterpartie nach fast fünf Wochen auf See.
Die beiden führenden Teams müssen sich unter Land entlanghangeln, um nicht in den heftigen Sturm zu geraten. Am Vormittag des letzten Etappentags segelten beide rund 17 Knoten schnell. Doch am Ende könnte die Flaute lauern, und dort ist Holcim im Vorteil.
Herrmann und seine Crew müssten jetzt möglichst viel Vorsprung schaffen, weil ihr Boot unter diesen Bedingungen das bessere ist. Schafft er das nicht, zieht „Holcim PRB“ an ihm vorbei, genauso wie in Kapstadt.
Weniger als eine Seemeile Abstand
Trotz harter Bedingungen über 33 Tage und mehr als 14.000 gesegelten Meilen ist es weder der Malizia von Boris Herrmann noch der Holcim-PRB-Crew von Kevin Escoffier gelungen, sich einen Vorsprung zu erarbeiten. Im Gegenteil: In den letzten 72 Stunden wechselte die Führung auf dem Racetracker hin und her. Stand Samstag, 17:15 Uhr unserer Zeit, sieht es aus Boris-Sicht gut aus: Der Abstand zwischen Malizia und Holcim PRB beträgt augenblicklich fast 60 Seemeilen.

Das war gestern noch komplett anders: „Wir können sie auf dem Computer sehen, aber wir können auch einfach nur aus dem Fenster gucken“, beschrieb ein sehr müder Sam Goodchild die Situation an Bord der Holcim-PRB. Das Team Malizia sei wie ein Schatten – immer in der Nähe.
Beim Team Malizia sah es nicht besser aus. Das Team von Boris Herrmann hatte gehofft, die unerwartet toughen Bedingungen vor Kap Hoorn nutzen zu können, um sich bei diesen – für das deutsche Boot günstigen – Bedingungen etwas abzusetzen. „Holcim-PRB ist gerade hier“, sagt Herrmann und deutet nach hinten. „Ich bin froh, sie da zu sehen“, fügt er hinzu, „und nicht dort.“, also voraus. „Im Moment sind wir schneller.“
Auf dem öffentlichen Dashboard sind die genauen aktuellen Performance-Daten der Malizia zu sehen. Fun Fact: In Kürze geht es noch an Novo Hamburgo vorbei, das hinter der Küstenlinie liegt.
Biotherm kollidiert mit UFO
Die nächste folgenschwere Nachricht vom Ozean kam mitten in der Nacht zum heutigen Samstag. Um 1:22 Uhr meldete die Rennleitung, dass die Imoca von Biotherm mit einem UFO, also einem Unidentified Floating Object, kollidiert war. Das Boot segelte rund 400 Seemeilen hinter dem Führungsduo.
Das im Wasser schwimmende Objekt beschädigte das Backbord-Foil. Zudem scheint der Rumpf um das Foil-Lager herum einen Riss zu haben – es gibt ein kleines Leck. Das Biotherm-Team erklärte, man habe die Situation unter Kontrolle. Eine Stunde später meldete sich die Besatzung erneut: Das defekte Backbord-Foil sei hochgezogen worden, während die Crew daran arbeitete, den „kleinen Wassereinbruch“ abzudichten. Nun geht es langsam weiter.
Für 11th Hour Racing sieht es etwas besser aus, die schon vor dem Unglück einen Vorsprung von rund 60 Seemeilen auf Biotherm herausgefahren haben. Das ist nach fast 14.000 Meilen zwar immer noch ein absurd geringer Abstand, aber bedeutet nun klar Position 3, wenn nichts dazwischenkommt.
Showtime am Sonntag zum Sonnenaufgang
Die Imoca von Guyot Team Europe war nach einem zweiwöchigen Überführungsfahrt bereits am 30. März in Itajaí angekommen – von Kapstadt kommend. Das Team unter der Leitung von Benjamin Dutreux und Robert Stanjek hatte die dritte Etappe drei Tage nach dem Start aufgeben müssen, nachdem auf der Rumpf-Unterseite der 2015 gebauten Yacht Schäden entdeckt wurden.
Die voraussichtliche Ankunftszeit nimmt allmählich Gestalt an: Für das führende Duo ist die Ankunft zum Sonnenaufgang in Itajaí am Sonntag, den 2. April – gegen 13 Uhr unserer Zeit – das wahrscheinlichste Szenario.
Wer die Ankunft selbst verfolgen will: Es wird einen Live-Stream auf Eurosport mit kostenlosem Zugang geben. Team Malizia plant einen Live-Stream auf Youtube und der eigenen Website vom Chase-Boot aus.Das zweite Imoca-Paar liegt etwa einen Tag zurück und wird voraussichtlich am Montag ankommen.