Kann eine gute Superyacht-Crew das einkalkulieren?
Ab und zu ist es nicht vorhersehbar, was da für verrückte Wünsche kommen. Und da zählt die Erfahrung, und auch die Absprache im Team, zwischen Kapitän und Chief Stewardess, da ist Erfahrung gefragt. Wenn so ein Wunsch spontan kommt, muss man schauen, wie man adhoc damit umgeht, das ist dann wieder die Professionalität einer Crew.
Ich habe schon ein ganzes Eishockey-Stadion gemietet, weil Monsieur unbedingt Hockey spielen wollte. Okay, dann geht’s – wir haben unsere Freunde gebeten, nicht ins Feierabendbier zu gehen und stattdessen mit uns Hockey zu spielen: „Kommt mit, mein Kunde lädt euch ein, der will Hockey spielen.“ So habe ich fünf bis sechs Leute organisiert und wir haben zwei Stunden in St. Moritz im Scheinwerferlicht Hockey gespielt. Für uns allein – cool. Aber wenn’s schneit, oder regnet, dann geht so was eben nicht.

Wann muss auch ein Superyacht-Eigner ein Nein akzeptieren?
Wenn es um Sicherheitsaspekte geht. Da ist der Kapitän natürlich verantwortlich. Wenn der sagt, wir können mit dem Tender nicht rüber, die Wellen sind einfach zu hoch – dann ist es das letzte Wort des Kapitäns, und wenn das ein „Nein“ ist, dann ist das ein „Nein“.
Das haben sie so ähnlich zum Beispiel auch mit Trump beim World Economic Forum erlebt: Der hatte alle seine Helikopter da, und im letzten Moment musste das abgesagt werden, weil extrem dicker Nebel aufkam, dann musste er zweieinhalb Stunden mit dem Konvoi von Davos runter nach Zürich zum Flughafen, zu seiner Air Force One, statt nur 18 Minuten zu fliegen.
Da hat das letzte Wort der Helikopter-Pilot: „Mr President, es ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich“ – dann ist das so, und es wird ja in der Regel von intelligenten Passagieren auch geschätzt.
Also nicht von allen?
Es gibt immer wieder Situationen, wo diskutiert werden muss, weil einfach das technische Verständnis nicht da ist. Im Moment sieht das Wetter super aus, aber der Gast sieht vielleicht nicht das Wetterradar, wo in 20 Minuten eine Nebelbank aufzieht oder ein Gewitter. Da ist Diplomatie gefragt, wie man das kommuniziert. Man muss einfach die Fakten auf den Tisch legen und sagen, aus Sicherheitsgründen können wir diese Bucht oder diese Destination einfach nicht anlaufen.
Was passiert, wenn ein Gast einer Stewardess Avancen macht?
Da heißt es natürlich auch „Nein“. Das geht einfach nicht, ebenso wie im Hotel – amouröse Beziehungen zwischen Personal und Gästen sind nicht geduldet, und daran halten sich auch alle, weil so etwas immer ans Tageslicht kommt. Erst recht auf einem Schiff: Dort leben alle auf engstem Raum zusammen, die Crew hat in der Regel Doppelkabinen. Da würde es sofort auffallen, wenn in einer Nacht eine Koje leer bleibt.
Und wenn der Eigner selbst ihr schöne Augen macht?
Das geht ebenso wenig. Sehen Sie, wenn das bekannt wird – und es wird bekannt – , ist die betreffende Person beruflich erledigt. Die Branche wächst zwar im Moment gewaltig, aber man kennt sich. Und damit ist der Ruf ruiniert. Ich will nicht bestreiten, dass gegenseitige Sympathien natürlich vorkommen, und so ein Eigner ist ja auch finanziell zumeist nicht unattraktiv – aber jede Stewardess muss sich auch klarmachen, dass der Eigner vielleicht noch andere Beziehungen unterhält und nur ein Vergnügen im Sinne hat. Und das funktioniert auch: Mir ist kein Fall bekannt.

Gibt es grundsätzliche Unterschiede bei den Gästen?
Es lässt sich grob unterscheiden zwischen Gästen, die zum ersten Mal auf einer Superyacht Urlaub machen – und solchen, die schon fünf oder sechsmal dabei waren. Wer zum ersten Mal so etwas macht, der möchte aus dem Vollen schöpfen, alles erleben und verlangt nach entsprechend viel Aufmerksamkeit. Dieses „Wow!“ vom ersten Mal, das ist nach dem zweiten oder dritten Erlebnis natürlich weg. Man wird entspannter, muss nicht mehr alles ausprobieren.
Ansonsten sind die Gäste je nach kulturellem Hintergrund sehr unterschiedlich: Eher entspannt-offen wie Amerikaner oder eher reserviert wie Russen. Man muss darauf vorbereitet sein. Bei Amerikanern zum Beispiel besteht die Gefahr, dass man diese lockere Art falsch einschätzt: Die sind sehr entspannt und lässig, erwarten aber – genau wie zum Beispiel ein deutscher Gast auch – Top-Service. Sie als Crew müssen einfach jederzeit ready sein.

Wann endet die Arbeitszeit einer Superyacht-Crew?
Eigentlich nie. Wir sind immer da – an Land können Sie zu Feierabend nach Hause, das geht an Bord nicht. That’s the business. Wenn da jemand um drei Uhr nachts noch etwas zu essen wünscht, dann wird der natürlich bedient. Man muss damit zurechtkommen als Crew, darauf vorbereitet sein. Da kommt es auch auf gute Absprachen an, man richtet eine Nachtschicht ein für solche Fälle. Als Ausgleich haben sie einen sehr exklusiven Lifestyle, besuchen die schönsten Orte der Welt, lernen in der Crew und unter den Gästen sehr spannende Menschen kennen. Aber man muss das mögen, nine to five gibt es definitiv nicht.
Wo finden Ihre Seminare statt?
Wir machen das alles auf der Yacht, das hat mehrere Vorteile: Sie haben ein Interior-Equipment, also Teller, Geschirr, Vorlegebesteck und so weiter. Und am besten ist es, wenn die Crew gerade auf den Yachten mit dem Material, das sie auch im Alltag benutzen, trainiert werden. Da kommt noch das ganze Thema Getränke hinzu. Was gibt es für klassische Cocktails, wie kühlen wir Champagner innerhalb kürzester Zeit runter, wenn spontane Wünsche entstehen oder der Champagner zu spät geliefert wird und warm ist.
Die Platzprobleme, die man immer an Bord hat, sind so auch am besten zu berücksichtigen. Und die vielen unterschiedlichen Anforderungen: Wie bereite ich einen Latte Macchiato zu? Wie mach’ ich Blumengestecke, wie mache ich sauber, wie spreche ich mit dem Küchenchef, wie lange dauert das, wann hole ich den nächsten Gang ab… Anders als im Hotel muss ich an Bord einer Yacht vieles selbst erledigen.
Wie lernt man das am schnellsten?
Es ist immer gut, die Rollen zu tauschen: Die Crewmitglieder spielen abwechselnd die Gäste und lassen sich bedienen. Dann merken sie sehr schnell, was falsch läuft, wie zum Beispiel die Speisen richtig vorgelegt werden oder wie abgeräumt wird, ohne die Gäste zu stören.