„Man hat Affären mit Millionären – meist auf einer Yacht“, textete einst launig der österreichische Kabarettist Georg Kreisler. Was damals, in den 1960er-Jahren einfach nur mondän war, ist heute ein Business: Die Superyacht-Branche boomt wie nie zuvor. Doch wie ist es wirklich an Bord einer Millionärs-Yacht? Einer, der es wissen muss, ist Hanspeter Vochezer aus der Schweiz. Er bildet Superyacht-Personal für die höchsten Ansprüche aus – und zwar direkt an Bord.
Vochezer ist am Zürichsee aufgewachsen, segelt dort regelmäßig 470er-Jolle. Sein Traum war es immer, Hotelier zu werden. Diesen Traum hat er „energisch weiterverfolgt“ und brachte es schließlich sogar bis zum Hoteldirektor. Vor rund zehn Jahren machte der Schweizer sich dann selbstständig: Als Business-Knigge-Spezialist schult er in diversen Branchen Menschen im Bereich Auftritts- und Wirkungskompetenz. Als professioneller Butler geht er selbst in die Praxis auf weltweiten Einsatz.

Der Präsident der Swiss Butler Association hat nach eigener Schätzung mehrere tausend Menschen im Hospitality-Business trainiert. Neuerdings auch an Bord: In Kooperation mit der Yacht-Agentur Ocean Independence schult Hanspeter Vochezer die Crews von Superyachten für ihren Job als Highend-Dienstleister. Ein Dutzend Crews hat der Butler bereits unter seinen Fittichen gehabt. float erklärt er, worauf es dabei ankommt – und was ein Superyacht-Steward auf keinen Fall tun darf.
float: Herr Vochezer, was geht gar nicht an Bord eine Superyacht?
Hanspeter Vochezer: Das ist ganz einfach: Es gibt kein „Nein“. Wie in der Top-Hotellerie haben Sie es mit Menschen zu tun, die sehr viel Geld ausgeben für die Zeit an Bord – entweder als Eigner oder als Chartergäste. Die erwarten zu Recht das Optimum an Service und Aufmerksamkeit. Als Crewmitglied ist man natürlich Teil der ultimativen Dienstleistung. Es geht darum, möglichst jeden Wunsch ad hoc zu erfüllen.
Was wünschen sich denn die Gäste?
Das ist ganz verschieden, von ganz harmlos bis völlig verrückt. Auf einer Superyacht gab es zum Beispiel den Wunsch des Eigners, für Madame ein Dinner am Strand auszurichten – als Überraschung. In Absprache mit dem Kapitän wurde eine Bucht angesteuert, von der bekannt war, dass nach 16 Uhr alle Tagesgäste weg waren. Dann wurde geankert, das Dinghi klargemacht, das mehrgängige Menü war bereits vorbereitet, gekühlte Getränke, Tisch und Stühle an Land – und im Sonnenuntergang konnte das Paar dann an Land das Abendessen genießen. Die Frau war natürlich überglücklich.

Wo ist Schluss mit ‚Wünsch Dir was‘?
Wenn Sie einen Elefanten an Bord wünschen, dann geht das nicht. Meistens geht es um Sicherheitsaspekte, oder wenn bestimmte Dinge einfach illegal sind. Eine Crew auf einer Superyacht versucht, alle Wünsche zu erfüllen, aber es gibt Grenzen – das sehen Sie auch in der absoluten Top-Luxushotellerie oder Private Aviation. Alle Wünsche können Sie nicht erfüllen. Dann ist entscheidend, wie Sie kommunizieren, und dass Sie mögliche Alternativen anbieten können.
Kann eine gute Superyacht-Crew das einkalkulieren?
Ab und zu ist es nicht vorhersehbar, was da für verrückte Wünsche kommen. Und da zählt die Erfahrung, und auch die Absprache im Team, zwischen Kapitän und Chief Stewardess, da ist Erfahrung gefragt. Wenn so ein Wunsch spontan kommt, muss man schauen, wie man adhoc damit umgeht, das ist dann wieder die Professionalität einer Crew.
Ich habe schon ein ganzes Eishockey-Stadion gemietet, weil Monsieur unbedingt Hockey spielen wollte. Okay, dann geht’s – wir haben unsere Freunde gebeten, nicht ins Feierabendbier zu gehen und stattdessen mit uns Hockey zu spielen: „Kommt mit, mein Kunde lädt euch ein, der will Hockey spielen.“ So habe ich fünf bis sechs Leute organisiert und wir haben zwei Stunden in St. Moritz im Scheinwerferlicht Hockey gespielt. Für uns allein – cool. Aber wenn’s schneit, oder regnet, dann geht so was eben nicht.

Wann muss auch ein Superyacht-Eigner ein Nein akzeptieren?
Wenn es um Sicherheitsaspekte geht. Da ist der Kapitän natürlich verantwortlich. Wenn der sagt, wir können mit dem Tender nicht rüber, die Wellen sind einfach zu hoch – dann ist es das letzte Wort des Kapitäns, und wenn das ein „Nein“ ist, dann ist das ein „Nein“.
Das haben sie so ähnlich zum Beispiel auch mit Trump beim World Economic Forum erlebt: Der hatte alle seine Helikopter da, und im letzten Moment musste das abgesagt werden, weil extrem dicker Nebel aufkam, dann musste er zweieinhalb Stunden mit dem Konvoi von Davos runter nach Zürich zum Flughafen, zu seiner Air Force One, statt nur 18 Minuten zu fliegen.
Da hat das letzte Wort der Helikopter-Pilot: „Mr President, es ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich“ – dann ist das so, und es wird ja in der Regel von intelligenten Passagieren auch geschätzt.
Also nicht von allen?
Es gibt immer wieder Situationen, wo diskutiert werden muss, weil einfach das technische Verständnis nicht da ist. Im Moment sieht das Wetter super aus, aber der Gast sieht vielleicht nicht das Wetterradar, wo in 20 Minuten eine Nebelbank aufzieht oder ein Gewitter. Da ist Diplomatie gefragt, wie man das kommuniziert. Man muss einfach die Fakten auf den Tisch legen und sagen, aus Sicherheitsgründen können wir diese Bucht oder diese Destination einfach nicht anlaufen.
Was passiert, wenn ein Gast einer Stewardess Avancen macht?
Da heißt es natürlich auch „Nein“. Das geht einfach nicht, ebenso wie im Hotel – amouröse Beziehungen zwischen Personal und Gästen sind nicht geduldet, und daran halten sich auch alle, weil so etwas immer ans Tageslicht kommt. Erst recht auf einem Schiff: Dort leben alle auf engstem Raum zusammen, die Crew hat in der Regel Doppelkabinen. Da würde es sofort auffallen, wenn in einer Nacht eine Koje leer bleibt.
Und wenn der Eigner selbst ihr schöne Augen macht?
Das geht ebenso wenig. Sehen Sie, wenn das bekannt wird – und es wird bekannt – , ist die betreffende Person beruflich erledigt. Die Branche wächst zwar im Moment gewaltig, aber man kennt sich. Und damit ist der Ruf ruiniert. Ich will nicht bestreiten, dass gegenseitige Sympathien natürlich vorkommen, und so ein Eigner ist ja auch finanziell zumeist nicht unattraktiv – aber jede Stewardess muss sich auch klarmachen, dass der Eigner vielleicht noch andere Beziehungen unterhält und nur ein Vergnügen im Sinne hat. Und das funktioniert auch: Mir ist kein Fall bekannt.

Gibt es grundsätzliche Unterschiede bei den Gästen?
Es lässt sich grob unterscheiden zwischen Gästen, die zum ersten Mal auf einer Superyacht Urlaub machen – und solchen, die schon fünf oder sechsmal dabei waren. Wer zum ersten Mal so etwas macht, der möchte aus dem Vollen schöpfen, alles erleben und verlangt nach entsprechend viel Aufmerksamkeit. Dieses „Wow!“ vom ersten Mal, das ist nach dem zweiten oder dritten Erlebnis natürlich weg. Man wird entspannter, muss nicht mehr alles ausprobieren.
Ansonsten sind die Gäste je nach kulturellem Hintergrund sehr unterschiedlich: Eher entspannt-offen wie Amerikaner oder eher reserviert wie Russen. Man muss darauf vorbereitet sein. Bei Amerikanern zum Beispiel besteht die Gefahr, dass man diese lockere Art falsch einschätzt: Die sind sehr entspannt und lässig, erwarten aber – genau wie zum Beispiel ein deutscher Gast auch – Top-Service. Sie als Crew müssen einfach jederzeit ready sein.

Wann endet die Arbeitszeit einer Superyacht-Crew?
Eigentlich nie. Wir sind immer da – an Land können Sie zu Feierabend nach Hause, das geht an Bord nicht. That’s the business. Wenn da jemand um drei Uhr nachts noch etwas zu essen wünscht, dann wird der natürlich bedient. Man muss damit zurechtkommen als Crew, darauf vorbereitet sein. Da kommt es auch auf gute Absprachen an, man richtet eine Nachtschicht ein für solche Fälle. Als Ausgleich haben sie einen sehr exklusiven Lifestyle, besuchen die schönsten Orte der Welt, lernen in der Crew und unter den Gästen sehr spannende Menschen kennen. Aber man muss das mögen, nine to five gibt es definitiv nicht.
Wo finden Ihre Seminare statt?
Wir machen das alles auf der Yacht, das hat mehrere Vorteile: Sie haben ein Interior-Equipment, also Teller, Geschirr, Vorlegebesteck und so weiter. Und am besten ist es, wenn die Crew gerade auf den Yachten mit dem Material, das sie auch im Alltag benutzen, trainiert werden. Da kommt noch das ganze Thema Getränke hinzu. Was gibt es für klassische Cocktails, wie kühlen wir Champagner innerhalb kürzester Zeit runter, wenn spontane Wünsche entstehen oder der Champagner zu spät geliefert wird und warm ist.
Die Platzprobleme, die man immer an Bord hat, sind so auch am besten zu berücksichtigen. Und die vielen unterschiedlichen Anforderungen: Wie bereite ich einen Latte Macchiato zu? Wie mach’ ich Blumengestecke, wie mache ich sauber, wie spreche ich mit dem Küchenchef, wie lange dauert das, wann hole ich den nächsten Gang ab… Anders als im Hotel muss ich an Bord einer Yacht vieles selbst erledigen.
Wie lernt man das am schnellsten?
Es ist immer gut, die Rollen zu tauschen: Die Crewmitglieder spielen abwechselnd die Gäste und lassen sich bedienen. Dann merken sie sehr schnell, was falsch läuft, wie zum Beispiel die Speisen richtig vorgelegt werden oder wie abgeräumt wird, ohne die Gäste zu stören.
Was ist wichtiger für den Job: Seemannschaft oder Servilität?
Eindeutig das zweite: Sie müssen die Einstellung zur Dienstleistung haben, den Rest bringe ich Ihnen bei. Es ist wie beim Butler: 95 Prozent bei der Arbeit ist die Einstellung, das Mindset – der Wille, ein guter Butler zu sein. Aber wie man einen Wein richtig entkorkt, das ist schnell gelernt.

Was kann ein Superyacht-Steward falsch machen?
Ganz vieles: Wie halte ich Teller, wie lege ich Speisen vor, auf welcher Höhe präsentiere ich Speisen, damit die Gäste sie auch sehen können? Wie merke ich mir Getränkebestellungen und Namen? Dass man immer vorwärts geht und nicht rückwärts beim Abtragen des Geschirrs. Es gibt Crews, die waren nie auf Yachten. Da gibt es Leute, die sind vielleicht zum ersten Mal auf einer Superyacht, machen die erste Saison. Die Chief Stewardess ist vielleicht etwas erfahren, die erklärt das natürlich auch, und da setze ich an und richte das Training danach aus.
Warum engagiert man Sie?
Da gibt es diverse Gründe, zum Beispiel einen Wechsel in der Crew. Grundsätzlich lässt sich sagen: Die Superyachtindustrie wächst so schnell wie nie zuvor, der Markt hat eigentlich nicht genügend professionelle Crews. Die Crews auf Superyachten bestehen aus 12 bis 15 Personen, größere Yachten haben 30 oder mehr Mitarbeitende.
Vielleicht haben Sie in Ihrer Crew einige weniger erfahrene Mitglieder, und Sie haben schon diverse Charterbuchungen. Dann werden die Yachtmanager von „Ocean Independence“ kontaktiert und ein Termin ausgemacht.
Es sind sehr intensive Tage, solche Törns. Wenn die Crew da nicht eingespielt ist, wird’s sehr anstrengend. Gerade bei Privatyachten kann es schon mal vorkommen, dass die Crew ein ganzes Jahr in Bereitschaft auf dem Schiff lebt, und kein Owner lässt sich blicken. Das ist für die Motivation natürlich ganz schlecht. Daher ist es so wichtig, zum Beginn der Saison mit ihnen zu trainieren.

Worin ähneln sich Passagiere auf einer Superyacht?
Jeder will gute Stimmung an Bord, das vereint alle. Und Top-Service, es soll stilvoll vor sich gehen. Gäste auf einer Superyacht haben vermutlich schon alles erlebt, die Erwartungen sind dementsprechend sehr hoch. Ansonsten sind sie sehr individuell. Sie haben Gäste, die machen gar nichts. Die brauchen keinen Beach Club, die gehen nicht groß schwimmen, machen nicht groß Ausflüge, die genießen ihre Zeit an Bord. Und dann haben sie Familien mit Kindern, die wollen alles, von Filmen, Entertainment, Games, Rutschbahnen, Sea bobs usw. Das ist sehr individuell.
Wie erfüllt man diese hohen Erwartungen?
Ich sage immer: Man geht die extra Meile. Man macht mehr, als verlangt wird. In ganz vielen kleinen Details: Keine Kalkspuren im Waschbecken zum Beispiel, oder dass keine Wassertropfen mehr zu sehen sind, viel Liebe zum Detail ist notwendig. Jeden Tag pflegen und leben, und dass man weiter denkt, zum Beispiel wenn Madame gewisse Früchte mag, dass man vielleicht weiter denkt und das vorbereitet, weil Sie wissen, am Nachmittag möchte sie das als Snack.
Oder dass man perfekt weiterdenkt, was könnte Monsieur oder Madame noch mögen, und nicht nur auf Befehl, sondern man fragt: Hätten Sie gern wieder dies oder das zum Frühstück, und die Madame denkt sich: ‚Cool, die hat sich das gemerkt‘. Das sind einfach Industry Standards, und das macht eben die Superyacht aus.
float: Vielen Dank für das Interview, Herr Vochezer.