Alles hat zwei Seiten – auch eine Flaute. Weil Michael Guggenberger auf den letzten Meilen vor Les Sables d’Olonne in den Kriechgang schalten musste, kam er nicht Donnerstagnacht im Dunkeln, sondern am strahlenden Freitagmorgen im Zielhafen des Golden Globe Race an.
Kurz vor 10 Uhr am 12. Mai überquerte er die Ziellinie vor Les Sables d’Olonne. Ein sonnenumkränzter Finalist, der Dritte von Dreien, der einzige Offshore-Grünschnabel im Trio, ein Binnenländer mit achtmonatiger Salzkruste, ein Überlebenskünstler, der ein Brot in einer Kuchenform zu backen weiß, ein Traumtänzer, der nicht vom Seil gestürzt ist: Willkommen zurück, Captain Gugg!

Nur drei von sechzehn Seglern beenden offiziell das Golden Globe Race 2022 im Zielhafen Les Sables d’Olonne. Der 46-jährige Österreicher Michael Guggenberger gehört auf seiner Nuri dazu, was für ein Markstein. „Für Österreicher ist Kroatien das Meer“, umreißt er die bescheidene Perspektive seiner Landsleute.
Seine Perspektive hat sich in den letzten acht Monaten so erweitert, dass er sie nur mit einer (oder zwei) Hand voll Menschen teilen kann. Er ist rum um die Welt mit einem Segelboot. Zwei Wochen nach Kirsten Neuschäfer und Abhilash Tomy kommt er als Dritter in Les Sables d’Olonne an. Er hat viel mit ihnen geteilt, sagt er. Was genau? „Das bleibt auf See“, antwortet er schelmisch.
Estnischer Rapper als Inspiration
Seit September 2022 hat der Musikfestivalveranstalter, Bühnenarbeiter fürs Fernsehen, Masseur und Segelausbilder keine Menschenseele um sich gehabt. Entsprechend fällt seine Wunschliste aus: „Gemeinsam lachen und tanzen, … stehen ohne festhalten!“

Vor dem Golden Globe Race hatte er noch Tommy Cash entdeckt: „Das Gesamtkunstwerk finde ich sehr interessant, seine Videos.“ Der estnische Rapper trat im November in Berlin auf, als Captain Gugg gerade von Kapstadt in den südlichen Ozean steuerte – und seit über 100 Tagen in einer Nussschalenwelt steckte, in der dekadente Großstadtkultur das Letzte war, was ihn tangierte.
Aber er hat die Menschen immer im Blick behalten, das zukünftige Publikum für sein Einhandabenteuer. Eine Einhand-Weltumseglung kommt für die Zuschauer einer Black Box gleich. Außer ein paar Tweets und Albatros-Fotos gibt es kaum Material. Was machen die nur den ganzen Tag, kriegen die keine Stöckerbeine?
Dokumentarfilm kommt
Der Medienprofi Michael Guggenberger will mit einem Dokumentarfilm Klarheit schaffen. Vom Start weg hat er nicht nur Logbuch geschrieben, sondern auch gefilmt und fotografiert. Das Material wird Filmemacherin Julia Eder unter dem Projekttitel Race to Race in die endgültige Form bringen.

Das Filmteam begleitete Michael Guggenberger schon zur Vorbereitungszeit, passte ihn in Tasmanien ab und wird ihn auch in Les Sables d’Olonne in Empfang nehmen. Eine Segel-Doku, deren Protagonist Sinn für Tommy-Cash-Videos hat, kann nur ein Augenöffner werden.
Für den Golden-Globe-Initiator Don McIntyre ist es eine besondere Genugtuung, dass ein Offshore-Grünschnabel und Außenseiter wie Michael Guggenberger zum finalen Trio gehört. Michael Guggenberger weiß: „Ich bin für Don der Prototyp eines GGR-Teilnehmers. Ein Mensch, der als Segler ein Niemand ist, sich aber durcharbeitet.“

Auf der Bühne im Hafen rahmen ihn die Segler Kirsten Neuschäfer, Simon Curwen, Abhilash Tomy, Jean Luc van den Heede neben dem Bürgermeister Yannick Moreau und Don McIntyre. Was für eine Phalanx für einen Niemand!
An seinem Durcharbeiten hatte er nie gezweifelt, wie er float während der Vorbereitungsphase im Podcast erzählte. „Ich bin confident, dass ich gut performen kann“, äußerte er vor dem Start. Acht Monate später kann er sich selbst beim Wort nehmen. Bronze beim Golden Globe Race 2022! Darauf ein Eismarillenknödel!