Dichter Rauch hüllt die Stadt Seattle ein. Die größten Waldbrände der Neuzeit an Amerikas Westküste wüten auch in Oregon und Washington. Nur ein paar hundert Kilometer von Sequim entfernt, wo Leo Sampson sein Refit-Projekt durchführt: der Wiederaufbau des 110 Jahre alten Albert Strange Cutter „Tally Ho“.
Auf seinem Bauplatz ist auch Corona inzwischen ein Thema: Nachdem ein Mitglied aus Leo Sampsons Team mit verdächtigen Symptomen ins Krankenhaus kam, musste der Betrieb der kleinen Bootswerft einige Tage ruhen. Zum Glück erwies sich der Verdacht dann aber als unbegründet.
Anpassen der Bodenwrangen
Rosie und Matt helfen in der Port Townsend Foundry beim Gießen der Bronze-Decksknie, während der Schiffszimmerer Pete den Spanten und der Sponung immer noch die richtige Form zum Anbringen der Planken gibt.
Volunteer David arbeitet derweil weiter an dem Anpassen der bronzenen Bodenwrangen (Floors). Vor dem Befestigen werden noch die genauen Plankenverläufe im Unterwasserbereich der Tally Ho festgelegt, damit die Nieten und Bolzen von Wrangen und Planken nicht kollidieren.
Der Spiegel wird endlich fertig
Auf dem Schnürboden legt Leo die endgültige äußere Kontur des Spiegels fest und überträgt er dessen Abmessungen auf eine Halbschablone, die er wiederum auf den provisorisch angehefteten Spiegel aufzeichnet – aber spiegelverkehrt, damit beide Seiten 100% gleich sind.


Dann nimmt er die Bretter einzeln ab und streicht Federn und Stöße mit Bleimennige ein, um sie vor Rott zu schützen. Schließlich legt Leo noch einen Baumwollfaden zum Abdichten in die vorher eingedrückte Nut.

Zum Schluss streicht der Bootsbauer Achtersteven und Fashionpieces dick mit Dolfinite ein. Das ist eine Dichtmasse auf Leinölbasis und Kolophonium, die leider (noch) nicht auf dem deutsch Markt erhältlich ist. Befestigt werden die Spiegelplanken schließlich mit dicken Bronzebolzen und Schrauben.
Propellerbrunnen und Stevenrohr
Bevor die Planken angebracht werden, erfolgt noch ein bedeutsamer Einschnitt im hinteren Totholz. Hier soll sich später der Propeller drehen – ungehindert von Rumpf und Ruder. Diese „Propellerbrunnen“ genannte Einkerbung sägt man nur einmal – um so wichtiger die akkurate Vorbereitung, bevor Leo die Kettensäge ansetzt.


Nach erfolgreichem Eingriff geht es an Ort und Stelle weiter: In den Einschnitt bohrt Leo Sampson das Stevenrohr für die Propellerwelle. Das ist etwas mehr, als einfach nur ein Loch bohren: Unser Projektleiter verwendet verschiedene Bohrer und Rohre mit selbstgefertigten Schneidwerkzeugen, die innen und außen in Führungen laufen. Dank seiner Sponsoren steht ihm auch eine starke Bohrmaschine mit soliden Handgriffen zur Verfügung.

Klar, dass auch diese Arbeit genauestens ausgeführt wird. Denn nur ein kleiner Versatz – und das Boot würde später unter Maschine nicht mehr geradeaus laufen. Der prüfende Blick durch das fertige Loch auf die Mittschiffslinie (Centerline) offenbart schließlich die gute Arbeit.


Per Cessna zur Bootswerft
Leos neuer Kollege beim Refit-Projekt heißt Charlie. Bei den Videos hat er ihn bereits tatkräftig unterstützt. Charlie erreicht die Werft mit einem ungewöhnlichen Transportmittel: mit Bessie. Dabei handelt es sich um seine alte Cessna 170. Mit dem Baujahr 1949 ist sie ebenfalls ein echter Oldtimer, wenn auch einige Jahrzehnte jünger als Tally Ho.

Auf Bessies Flügeln erkunden Charlie und seine Frau in ihrer Freizeit den wunderschönen, von Seen, Fjorden und Sunden durchsetzten Südwesten Kanadas. Sein aktueller Arbeitsweg vom 100 km entfernten Seattle verkürzt sich für Charlie mit dem Kleinflieger auf nur 25 Minuten gegenüber zweieinhalb Stunden mit dem Auto.
Funny Days in Sequim
Die letzten Wochen waren laut Leo „funny“. Das bedeutet nicht „komisch“ sondern ist mehr im Sinne von „ungewöhnlich“ zu übersetzen, denn in Wirklichkeit haben die oben aufgeführten Probleme den „Tally Ho“-Zeitplan um einiges zurückgeworfen.
Doch unser Bootsbauer ist bekanntlich eine optimistische Frohnatur, und so bleibt ihm auch auf diesem Video Zeit für ein paar Einstellungen von Pancho, der Papageiendame – zur Abwechslung mal nicht auf der Werft, sondern zwischen üppig grünen Blättern, fast wie zuhause im Urwald.
Viel Spaß beim Zuschauen. Hier unterstützt ihr das Refit-Projekt: Tally Ho