Jede Woche neue Regeln und Vorschriften, jeden Tag neue Zahlen zu Wirtschaft und Infizierten zeigen die Auswirkungen des Corona-Virus auf der ganzen Welt. Die beispiellose Entwicklung hat Auswirkungen auch die Bootsindustrie. Elf Journalisten aus der Jury des Best of Boats Awards – von Finnland bis Italien, von den Niederlanden bis Russland – berichten, wie es aktuell, zu den Ostertagen, in ihren Heimatländern aussieht.
ITALIEN
Das erste stark betroffene Land Europas
Italien war das erste westliche Land, das stark mit dem Corona-Virus und der Krankheit Covid-19 zu kämpfen hatte. Über die Situation wird täglich in den Zeitungen berichtet, und der Ernst der Lage ist offensichtlich.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sahen zunächst die Isolierung der Bevölkerung vor – mit der Verpflichtung, zu Hause zu bleiben, außer zum Einkaufen, Arbeiten oder aus gesundheitlichen Gründen.
Seit 26. März ist der Druck durch die Aussetzung aller nicht lebensnotwendigen Aktivitäten noch größer. Gegenwärtig gilt die Sperre bis zum 13. April. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Datum nicht das Ende der Einschränkungen sein wird.
Keine Events, keine Produktion, keine Dienstleistungen. Die Atmosphäre ist düster, aber man gibt nicht auf. Selbst in den Werften wird versucht, sich auf die Tage nach Corona vorzubereiten. Drei Beispiele: Pardo Yachts, der Nischen-Bootsproduzent Tuccoli und Nautica Feltrinelli, Importeur für Frauscher-Boot in Italien.
Mehr Energie, „wenn dieser schwierige Moment vorbei ist“
Gigi Servidati, Präsident von Cantiere del Pardo, erklärt, dass die Werft die Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen der Regierung und des Gesundheitsministeriums komplett übernommen hat. Nach dem Erlass „Cura Italia“ vom 22. März 2020 stellte die Werft die reguläre Tätigkeit bis zum 13. April 2020 ein, der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten wegen.
„Die außerordentliche Unterbrechung des Betriebs ist vorübergehend und wird daher die planmäßigen Lieferungen bereits fertiggestellter Schiffe nicht beeinträchtigen“, versichert Servidati. Er ist von der Stärke seines Unternehmens überzeugt: „Sobald dieser schwierige Moment vorüber ist, werden wir unsere Arbeit unverzüglich und mit mehr Energie denn je wieder aufnehmen.“
Gesunder Menschenverstand „sollte uns immer leiten“
Auch Paolo Sanguettola, der Chef von Tuccoli, versichert, seine Werft habe sofort alle durch die Regierungsdekrete angeordneten Maßnahmen umgesetzt. „Bis Freitag, den 20. März, haben unsere Mitarbeiter im Bootsbau mit allen Vorsichtsmaßnahmen gearbeitet.“– also genug mit Sicherheitsabstand, Masken, Händewaschen und so fort.
Hoffnung auf „geringe Auswirkungen“
Nach dem Erlass „Cura Italia“ ist auch bei Tuccoli die Produktion bis Ostermontag vorübergehend eingestellt worden. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Situation in angemessener Zeit entspannt“, hofft Paolo Sanguettola. Aus seiner Sicht wäre es „innerhalb von zwei Monaten“, um die für das Frühjahr und den Sommer geplanten Lieferungen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
In der Zwischenzeit geht das „intelligente Arbeiten“ für allen anderen Beschäftigten weiter. „Die Arbeit von zu Hause aus ist in dieser Phase noch effektiver“. Da er sich nicht sicher ist, ob wegen des erzwungenen Produktionsstopps nicht noch „ein paar nette Überraschungen“ auftauchen könnten, gibt Sanguettola zu verstehen, was er seinen Humor nicht verloren hat: „Der Weg zum Erfolg ist steinig: Per aspera ad astra!“
„Uns allen geht es gut“
Mauro Feltrinelli, der Chef von Nautica Feltrinelli, ist Importeur von Frauscher-Motorbooten für Italien. „Wir erhalten täglich Telefonanrufe mit Fragen zu unserer aktuellen Situation“, sagt er. „Wir können alle beruhigen: Es geht uns allen gut.“ Das Personal arbeitete, solange die Situation es erlaubte, um die Sommersaison vorzubereiten.
Das ist jetzt vorläufig Vergangenheit: „Wir verfolgen aufmerksam die Entwicklung der Ereignisse und halten uns genau an die Sicherheitsanweisungen der Behörden“, erklärt Mauro Feltrinelli. „Wir verfolgen die Entwicklung der Ereignisse genau. Europa befindet sich in einer schwierigen Situation. Aber wir sind sicher, dass wir durch die Zusammenarbeit aller bald wieder beginnen können.“
POLEN
Lieferketten unter Druck
Polen ist die Werkbank der europäischen Bootsindustrie und das Produktionsland vieler internationaler Bootsmarken. Hier hat das Corona-Virus den Alltag lange Zeit nicht beeinträchtigt. Stand Dienstag (7. April), also drei vor Ostern, läuft die Produktion in den wichtigsten polnischen Werften normal oder beinahe normal.
Natürlich wurden im März zusätzliche Hygienemaßnahmen ergriffen, und manches dauert länger als sonst, aber die Produktion lief weiter wie geplant. Es gab keine ernsthaften Probleme mit Zahlungs- oder Lieferverzögerungen bei polnischen Subunternehmern. Die größte Herausforderung sind Lieferungen aus anderen Ländern.
Nein, nicht aus China, wie jeder erwarten würde. Die Beneteau-Gruppe schloss ihre Fabriken in Frankreich, Mercury hatte seine Produktionsstätte in Fond du Lac in den USA geschlossen. Es könnte also sehr bald ein Problem mit der Lieferung von Bootsmotoren geben.
Produktionsstopp in Boots-Produktionsstätten
Die Situation hat sich Anfang April geändert, als die polnische Regierung Einschränkungen einführte, darunter Abstandsregeln in der Öffentlichkeit, in Geschäften und der Arbeitswelt. Parks, Freizeitanlagen und Strände sind gesperrt.
Mit dem Start des Monats April hat die Delphia-Werft, seit vorletztem Jahr Teil der Beneteau-Gruppe, die Produktion eingestellt. Auch Ostroda Yacht, eine von Beneteaus Hauptwerften, produziert vorläufig nicht mehr. Stand Vorosterwoche, haben außer den Beneteau-Werften nur Mirage Boats und Viking die Fertigung eingestellt.
Keine Veränderung beim Kundeninteresse
Francis Lapp, der CEO von Sunreef Yachts, erklärt, dass durch die Pandemie Hygiene und Desinfektion höchste Priorität genießen. Die Produktion bei der Mehrrumpf-Werft findet in regelmäßig desinfizierten Hallen und Räumen statt. Wer kann, arbeitet von zu Hause aus.
Es bestehe kein Mangel an Projekten: „Wir arbeiten unter anderem am Bau von 80-Fuß-Motor- und Segelbooten“, erklärt Lapp. Und: „Die Vorbereitungen für den Bau einer großen Superyacht sind im Gange.“
Die Herausforderung ist im wesentlichen die Aufrechterhaltung der Produktionskapazität. „Wir haben auch den Bau unserer neuen Werft nicht gestoppt, wir machen einfach alles sehr viel achtsamer. Der Optimismus hat uns nicht verlassen“, zeigt sich der Sunreef-Manager zuversichtlich. „Wir beobachten keine drastischen Veränderungen beim Interesse an unseren Booten.“ sagt Lapp. „Wir haben gerade einen Vertrag über den Bau einer 100-Fuß-Einheit unterzeichnet.“
Geschäfte zu, Yachthäfen offen, Bootfahren verboten
Marineshops sind in Polen zurzeit – natürlich – geschlossen, im Online-Modus arbeiten sie aber immer noch. Marinas sind im Allgemeinen offen, doch Kranen und technischen Support gibt es nicht. Auch die Benutzung von Sportbooten ist verboten, vorerst bis zum 13. April.
Trotz dieser Einschränkungen laufen die Vorbereitungen für die neue Saison wie üblich, insbesondere auf den Binnenwasserstraßen. Charterfirmen halten mehr Desinfektionsflüssigkeiten und Handschuhe bereit, denn man hofft, ab Mitte April oder Anfang Mai in eine mehr oder weniger normale Saison zu starten.
Wie die polnischen Händler von Jeanneau und Cranchi erklären, gebe es keine Verzögerungen bei der Lieferung von kleinen Booten. Sie alle werden in Polen gebaut. Eine Herausforderung sind bestellte Boote aus Frankreich und Italien, da die Grenzen geschlossen sind. Diese sind fertig produziert oder fast bereit, an Kunden ausgeliefert zu werden. Aber es ist unmöglich, sie von den Werften zum künftigen Eigner zu bringen, sagen die Händler.
NIEDERLANDE
Strenge Beschränkungen, Werften weiter aktiv
Wie in allen anderen Ländern entgeht auch die niederländische Wassersportindustrie nicht den weitreichenden Folgen von Covid-19. In den Niederlanden gelten die bekannten Maßnahmen wie die Einhaltung eines Mindestabstandes voneinander, keine Versammlungen, geschlossene Schulen, Baumärkte und so weiter.
Vorerst gelten diese Maßnahmen bis zum 28. April, aber es ist wahrscheinlich, dass sie verlängert werden. Veranstaltungen mit mehr als 100 Besuchern sind ohnehin bis zum 1. Juni verboten. Reisen ist auch deshalb schwierig, weil 90% der regulären Flüge ausgesetzt sind.
Die meisten Yachthäfen sind offen, allerdings unter strengen Auflagen. Zwei Beispiele: Die Rezeption des Yachthafens Marina Seaport IJmuiden ist geschlossen, Zahlungen können nur kontaktlos über die Blue Water App vorgenommen werden. Auch in der Marina Muiderzand sind Barzahlungen nicht möglich – und es ist nur eine Dusch- und Toiletteneinheit zugänglich, die öfter und noch sorgfältiger sauber gehalten wird.
Die eigentlich nur für den Winter vorgesehenen Einschränkungen bei den Brücken- und Schleusenzeiten wurden bis auf weiteres verlängert. Außerdem ist es an den Wochenenden verboten, mit Privatbooten in den Amsterdamer Grachten zu fahren.
Niederländische Yachten, die derzeit die Welt umsegeln, scheinen es schwerer zu haben. Besonders in der Karibik versuchen die Crews zahlreicher Segelyachten, sichere Häfen zu finden, sind aber nirgendwo willkommen. Dies ist angesichts der bevorstehenden Hurrikansaison gefährlich.
Werften arbeiten weiter
Bei den Werften sieht es besser es. Bei Sichterman Yachts zum Beispiel geht die Arbeit weiter, aber es ist vorübergehend nicht möglich, der Werft einen Besuch abzustatten. Das Personal arbeitet so viel wie möglich von zu Hause aus. Derzeit arbeiten nur die direkt an der Produktion beteiligten Mitarbeiter in der Werft, erklärt Reginald Timmermans: „Es gibt derzeit wichtigere Themen als den Yachtbau. Für Sichterman hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter oberste Priorität“, so Timmermans.
Das bedeutet: „Wir haben bei unserer Fertigung in Friesland als bei unseren Team in ganz Europa die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um das Maximum an Sicherheit aller zu gewährleisten. Gemeinsam werden wir diese Situation überwinden.“
Bei Saffier Yachts in IJmuiden läuft die Arbeit unter sehr strengen Bedingungen ebenfalls weiter. Dennis Hennevanger, Miteigentümer der Familienwerft, berichtet: „Die Werft ist voll beschäftigt mit allen Saffier-Modellen, die zum Stapellauf bereit sind. Gerade erst haben wir eine Saffier Se 33 abgeliefert.“ Das Wichtigste für ihn: „Alle sind gesund. Wir haben maximale Vorsicht walten lassen, indem wir in verschiedenen Schichten mit einem Abstand von zwei Metern auf den Booten arbeiten.“