ÖSTERREICH
Öffentliches Leben steht still, Bootsproduktion läuft
Österreich hat mit die strengsten Corona-Vorschriften in Europa. Im Grunde genommen stand das öffentliche Leben für Wochen still. Erst seit heute dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen. In Österreich sind die Yachthäfen generell geschlossen, so dass die Eigentümer keinen Zugang zu ihren Booten haben. Der Corona-Lockdown hat auch Auswirkungen auf die Bootshersteller.

Bei Frauscher läuft die Produktion derzeit in reduziertem Umfang. Mit zwei getrennten Produktionsteams zur Einhaltung der erforderlichen Hygienestandards wird der Bootsbau in zwei Schichten durchgeführt. Das Verkaufs- und Büroteam arbeitet im Home-Office.
Bei Silent Yachts wird derzeit in zwei von vier Produktionsstätten normal produziert. In Italien sollen die Arbeiten an den Booten ab 14. April wieder aufgenommen werden. Für das Cannes Yachting Festival 2020 sind zwei Modellpremieren geplant, und die Fertigstellung der neuen Boote liegt bisher im Zeitplan.
Sollte es weitere Verzögerungen in den Lieferketten geben, so Silent-CEO Michael Köhler, müssten die Premieren möglicherweise verschoben werden. Verlorene Aufträge als solche sind nicht zu erwarten, aber natürlich verzögerte Lieferungen.


Direkter Kundenkontakt nicht möglich
Auch Marian Boats baut unter strengen Auflagen weiter. „Jeder Mitarbeiter muss Handschuhe tragen, alle in der Produktion halten großen Abstand zueinander.“ erklärt Juniorchef Alex Marian. Darüber hinaus werden alle Türen, Tische, Werkzeuge usw. täglich desinfiziert. Wir sind alle gesund und sind von der Krise noch nicht so stark betroffen“, so Alex Marian.
Neuboot-Vorstellungen müssen allerdings verschoben werden, heißt es. „Unser Hauptproblem derzeit ist, dass wir keinen direkten Kontakt zu unseren Kunden haben können. Probefahrten und Bootspräsentationen sind unter diesen Umständen leider nicht möglich.“

Das Hauptziel der kleinen Werft für dieses Jahr wird es sein, die Kosten zu senken. Dazu gehört ein Personalabbau um 20 Prozent. Doch Alex Marian sieht in der aktuellen Situation auch etwas Positives: „Viele Kunden können oder wollen in diesem Sommer nicht in Urlaub fahren. Sie bleiben zu Hause und planen, auf dem See Boot zu fahren.“
Weltpremiere verschoben
SAY Carbon Yachts produziert im deutschen Allgäu. Karl Wagner, CEO und Mastermind der Marke SAY, stammt aus Salzburg in Österreich. „In Wangen produzieren wir ganz normal“, sagt er, „und der Designer arbeitet vom Home-Office aus.“
Der für die Palma Boat Show 2020 geplante weltweite Start des SAY 42 wird verschoben. Karl Wagner rechnet derzeit mit einem leichten Umsatzrückgang, da einige Kunden auf Testfahrten warten. Denn: „Noch ist nicht klar, wann das wieder möglich sein wird.“
DEUTSCHLAND
Bootsbauer produzieren vorerst weiter
Deutschland hat eine relativ hohe Zahl an Corona-Infektionen, dabei aber eine sehr niedrige Sterblichkeit. Das öffentliche Leben ist relativ normal – auch mit sozialer Distanzierung, geschlossenen Schulen und der Schließung von Segelclubs und Marinas. In dieser Woche soll über allmähliche Lockerungen beraten werden.

Im Gegensatz zu den meisten deutschen Automobilherstellern läuft der Bootsbau in Deutschland weiter. Das gilt nicht nur für die Serienbootproduzenten Hanse Yachts in Greifswald und Bavaria in Giebelstadt, sondern auch für kleinere Hersteller.
„Keine unnötigen Risiken“ bei Bavaria
Die Produktion bei Bavaria Yachts am Hauptsitz in Giebelstadt laufe noch immer „ganz normal“, erklärt Firmensprecher Marcus Schlichting. „Natürlich unter den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, um unsere Mitarbeiter keinem unnötigen Risiko auszusetzen.“
Die Lieferfähigkeit leidet bisher nicht, schließlich hat Bavaria Yachts als Großbetrieb entsprechende Kapazitäten. „Wir sind sehr zuversichtlich, auch weiterhin alle bestellten Boote termingerecht ausliefern können“, heißt es aus Giebelstadt.
Auch die Entwicklung neuer Modelle liege im Zeitplan, so der Werftsprecher. Zurzeit liege der Fokus darauf, die Kunden auch weiterhin termingerecht zu beliefern. Im Zweifelsfall gilt also: Lieferfähigkeit first.

Hanse ist vorerst ausverkauft
„Alle vier Produktionsstätten von HanseYachts sind immer noch fleißig am Produzieren“, berichtete das Unternehmen am 25. März auf der Website – ein Post, der seither nicht aktualisiert wurde. Außer in Greifswald werden Boote auch im eigenen Werk in Polen und bei der französischen Multihull-Tochter Privilege gebaut. Am 8. April bestätigte dies CEO Jens Gerhardt in einer Mitteilung noch einmal: „In allen Werken wird an Ihren Yachten weitergebaut.“
Dennoch hat die Corona-Krise auch ohne Schließung direkte Auswirkungen auf das Produktionstempo. „Wir können jedoch schon jetzt absehen, dass wir das derzeit sehr hohe Produktionstempo nicht wie geplant aufrechterhalten können“, so Jens Gerhardt.
Es fehlten leider in allen Werken Mitarbeiter, im Wesentlichen deshalb, weil die Schulen geschlossen sind und auf die Kinder aufgepasst werden muss. Oder aber, weil die Grenzen nach Polen geschlossen wurden und Grenzgänger so nicht mehr zu Arbeit kommen können.
„Wir sind inzwischen ausverkauft bis Ende Juni und nehmen daher neue Bestellungen zum Sommer selbstverständlich gerne an“, so der Hanse-Chef. Werden die Boote nach dem 1. Juli 2020 fertiggestellt, fällt der Umsatz ins nächste Geschäftsjahr. Für das laufende Geschäftsjahr musste das börsennotierte Unternehmen seine Prognosen zurücknehmen.
Gut gefülltes Lager sichert Lieferfähigkeit
In Budenheim am Rhein produziert der Familienbetrieb Europe Marine amerikanisch inspirierte Motorboote, bisher bei voller Auslastung und mit Schutzmaßnahmen. „Unsere Produktion läuft normal weiter, natürlich auf Abstand“, so Sybille Nürnberger.
Sofern die wirtschaftliche Ausnahmesituation durch die Coronakrise nicht länger als drei Monate anhalte, werde es bei Europe Marine keine Änderungen geben. „Wir sind nicht von Lieferketten abhängig, sondern bleiben durch unser großes Lager mit Viper Powerboats und Auster lieferfähig.“

Kurze Lieferkette in der Manufaktur
In der Bootsmanufaktur in Werder, wo die Marken B1 Yachten und Aqualine hergestellt werden, produzieren die Arbeiter nach wie vor Sport- und Familienboote. Die Auftragslage bis zum Jahr 2021 sei sehr gut, sagte Firmenchef Frank Schaper.
Für die Arbeitsabläufe in der Produktion gelte die Regel „Safety first“: Jeder Monteur hat sein eigenes Boot zur Montage. Absprachen in der Produktion mit Kunden sind derzeit nicht möglich. Vor kurzem wurde das Materiallager erweitert, um eventuelle Lieferengpässe auszugleichen, damit die Bootsproduktion weiterlaufen kann.
„Eine wichtige Aufgabe zur Zeit besteht darin, gemeinsam mit Zulieferer und Partner die Lieferkette an Materialien für den Bau sicher zu stellen.“ sagt Schaper. Es sei jetzt ein Vorteil, relativ klein zu sein: „Als kleiner Hersteller haben wir kurze Lieferketten mit relativ wenigen Lieferanten.“
Bootsbau im Corona-Brennpunkt
Hellwig Boote produziert im äußersten Westen Deutschlands, im Kreis Heinsberg, wo das Corona-Virus sich besonders früh und besonders stark ausgebreitet hat. Rund 100 Motorboote bis 5,80 m Länge verlassen pro Jahr die Fertigungshallen.
„Wir versuchen auf die Abstände der Personen zu achten. Die Handhygiene wird kontrolliert, und es werden Desinfektionsmittel eingesetzt.“ so Geschäftsführer Michael Hammermeister. Dennoch fällt im Moment ein Teil seiner Belegschaft aus.
Das ist nicht das Einzige, was sich auf die Terminplanung auswirkt. „Lieferungen aus Italien, Frankreich, Polen erreichen uns zu spät oder gar nicht mehr.“ Dennoch ist der Nischenproduzent Michael Hammermeister, deren in den letzten zwei Jahren die gute Stimmung bei deutschen Bootsbauern teilte, nicht besorgt: „Unser Umsatz wird sich im Moment nur verschieben und wahrscheinlich nicht einbrechen.“
UKRAINE
Land im Lockdown, doch Bootsindustrie läuft
Die Ukraine ordnete sehr strenge Quarantänebestimmungen für die Öffentlichkeit an: keine Flüge, keine Züge, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr. Nur private Autos sind für den Transport zugelassen. Die Menschen sollen generell zu Hause bleiben. Kein Markt, keine Theater, keine Cafés – zumindest bis zum 24. April soll dies so bleiben.

Auch alle Marines sind vorerst geschlossen, sodass es keine zurzeit keine Freizeitaktivitäten auf dem Wasser gibt. Die Bootshersteller in der Ukraine betrifft das nicht: Produzenten wie Brig und Grand, die RIBs herstellen, oder den Aluminium-Produzenten UMS Boats, um die bekanntesten Marken zu nennen, arbeiten in ihren Fertigungsstätten im gleichen Umfang wie gewohnt.
RUSSLAND
Erst „business as usual”, jetzt Krisenmodus
Vor zwei Wochen waren die offiziellen Covid-19-Zahlen in Russland noch recht niedrig. Seitdem hat sich die Situation erheblich verändert. Eine landesweite „Selbstisolationspause“, die am 28. März angekündigt wurde, wird bis zum 30. April dauern. Die allgemeinen Quarantänebestimmungen lauten: Versammlungen von mehr als 50 Personen sind nicht erlaubt, 14 Tage soziale Distanzierung ist ein Muss für alle, die aus dem Ausland nach Russland kommen.
Marinas planten regulären Saisonstart
Bis vor gut zwei Wochen, unmittelbar vor der Ankündigung der Regierung, setzten die Yachthäfen und Werften ihre normale Arbeit fort. „Wir hatten keine Verwaltungsanweisungen von der Stadtregierung“, sagt Ilya Miri, Manager des Royal Yacht Club in Moskau.
Auch andere Yachthäfen planten regulär, wie Yuriy Kharlamov, CEO des Moskauer Yachthafens, bestätigt. Mit bislang einer Änderung: „Wir haben einen Teil des Personals beurlaubt.“ Der Yachthafen Imeritinskiy in Sotschi am Schwarzen Meer stand ebenfalls vorm Start. „Jetzt bereiten wir uns traditionell auf die Sommersaison vor“, so Hafenmeister Oleg Kuptsov, und alle Aktivitäten liefen bis vor kurzem im Normalbetrieb.
Bootsproduktion ohne Abstriche
Auch die russischen Werften wirkten vor dem Lockdown optimistisch. „Wir setzen den normalen Betrieb fort. Unsere Belegschaft hat persönliche Schutzausrüstung und Antiseptika“, sagt Anton Kozhinov, Chef der North-Silver-Werft in Sankt Petersburg. „Wir haben über einen ausreichenden Bestand an Teilen“, so der Manager. „Wenn die Beschränkungen länger als zwei Monate in Kraft bleiben, werden wir Probleme im Zusammenhang mit Lieferungen aus Europa haben, namentlich aus Italien.“
Die Bootsverkäufe sind gut: „Wir haben fast alle für die kommende Saison gebauten Boote verkauft. Wir nehmen derzeit Bestellungen für einige Modelle entgegen, die im September und sogar im Oktober gebaut werden sollen.“ Die Aussichten scheinen jedoch unklar zu sein, da „unsere europäischen Händler, insbesondere in Skandinavien, Probleme wegen abgesagter Bootsmessen haben“.

Niedriger Ölpreis stimuliert Interesse am Bootskauf
„Unsere Produktion läuft“, erklärt Kirill Slepov, Direktor von Velvette Marine in Kasan, direkt vorm Inkrafttreten der Regierungsvorschriften. Dennoch: „Wir spüren wir einen Mangel an Komponenten aufgrund der unterbrochenen Lieferketten.“ Seine Lieferanten aus China und Italien stellten zurzeit keine Rechnungen und würden „anscheinend Zeit schinden“. Daher: „Wir müssen Teile von anderen Lieferanten beziehen, und unser Einkauf ist überlastet“.
Slepov ist dennoch optimistisch: „Was die Verkäufe betrifft: Sie sind gut. Ich glaube, dass die kommende Saison die vergangene, die durch schlechtes Wetter und einen außergewöhnlich niedrigen Wasserstand der Wolga ruiniert wurde, kompensieren wird.“ Außerdem, so hat er beobachtet, haben die Menschen Angst vor einer weiteren Schwächung des Rubels: „Sie wollen jetzt Geld investieren.“ Der Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie kollidierte mit dem Ölpreisrückgang, der sich deutlich auf die russische Wirtschaft auswirkt.
Dieser Beitrag ist eine Kooperation von Bootsjournalisten der Jury des Best of Boats Awards. Beteiligt waren Alfred J. Boer, Anton Cherkasov-Nisman, Arek Rejs, Bernd Hofstätter, Bogdan Parfeniuk, Giacomo Giulietti, Jan Sjölund, Julijan Višnjevec, Stanislaw Iwinski, Stefan Gerhard und Troels Lykke.