Jede Woche neue Regeln und Vorschriften, jeden Tag neue Zahlen zu Wirtschaft und Infizierten zeigen die Auswirkungen des Corona-Virus auf der ganzen Welt. Die beispiellose Entwicklung hat Auswirkungen auch die Bootsindustrie. Elf Journalisten aus der Jury des Best of Boats Awards – von Finnland bis Italien, von den Niederlanden bis Russland – berichten, wie es aktuell, zu den Ostertagen, in ihren Heimatländern aussieht.
ITALIEN
Das erste stark betroffene Land Europas
Italien war das erste westliche Land, das stark mit dem Corona-Virus und der Krankheit Covid-19 zu kämpfen hatte. Über die Situation wird täglich in den Zeitungen berichtet, und der Ernst der Lage ist offensichtlich.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sahen zunächst die Isolierung der Bevölkerung vor – mit der Verpflichtung, zu Hause zu bleiben, außer zum Einkaufen, Arbeiten oder aus gesundheitlichen Gründen.
Seit 26. März ist der Druck durch die Aussetzung aller nicht lebensnotwendigen Aktivitäten noch größer. Gegenwärtig gilt die Sperre bis zum 13. April. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Datum nicht das Ende der Einschränkungen sein wird.
Keine Events, keine Produktion, keine Dienstleistungen. Die Atmosphäre ist düster, aber man gibt nicht auf. Selbst in den Werften wird versucht, sich auf die Tage nach Corona vorzubereiten. Drei Beispiele: Pardo Yachts, der Nischen-Bootsproduzent Tuccoli und Nautica Feltrinelli, Importeur für Frauscher-Boot in Italien.

Mehr Energie, „wenn dieser schwierige Moment vorbei ist“
Gigi Servidati, Präsident von Cantiere del Pardo, erklärt, dass die Werft die Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen der Regierung und des Gesundheitsministeriums komplett übernommen hat. Nach dem Erlass „Cura Italia“ vom 22. März 2020 stellte die Werft die reguläre Tätigkeit bis zum 13. April 2020 ein, der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten wegen.
„Die außerordentliche Unterbrechung des Betriebs ist vorübergehend und wird daher die planmäßigen Lieferungen bereits fertiggestellter Schiffe nicht beeinträchtigen“, versichert Servidati. Er ist von der Stärke seines Unternehmens überzeugt: „Sobald dieser schwierige Moment vorüber ist, werden wir unsere Arbeit unverzüglich und mit mehr Energie denn je wieder aufnehmen.“
Gesunder Menschenverstand „sollte uns immer leiten“
Auch Paolo Sanguettola, der Chef von Tuccoli, versichert, seine Werft habe sofort alle durch die Regierungsdekrete angeordneten Maßnahmen umgesetzt. „Bis Freitag, den 20. März, haben unsere Mitarbeiter im Bootsbau mit allen Vorsichtsmaßnahmen gearbeitet.“– also genug mit Sicherheitsabstand, Masken, Händewaschen und so fort.
Hoffnung auf „geringe Auswirkungen“
Nach dem Erlass „Cura Italia“ ist auch bei Tuccoli die Produktion bis Ostermontag vorübergehend eingestellt worden. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Situation in angemessener Zeit entspannt“, hofft Paolo Sanguettola. Aus seiner Sicht wäre es „innerhalb von zwei Monaten“, um die für das Frühjahr und den Sommer geplanten Lieferungen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
In der Zwischenzeit geht das „intelligente Arbeiten“ für allen anderen Beschäftigten weiter. „Die Arbeit von zu Hause aus ist in dieser Phase noch effektiver“. Da er sich nicht sicher ist, ob wegen des erzwungenen Produktionsstopps nicht noch „ein paar nette Überraschungen“ auftauchen könnten, gibt Sanguettola zu verstehen, was er seinen Humor nicht verloren hat: „Der Weg zum Erfolg ist steinig: Per aspera ad astra!“

„Uns allen geht es gut“
Mauro Feltrinelli, der Chef von Nautica Feltrinelli, ist Importeur von Frauscher-Motorbooten für Italien. „Wir erhalten täglich Telefonanrufe mit Fragen zu unserer aktuellen Situation“, sagt er. „Wir können alle beruhigen: Es geht uns allen gut.“ Das Personal arbeitete, solange die Situation es erlaubte, um die Sommersaison vorzubereiten.
Das ist jetzt vorläufig Vergangenheit: „Wir verfolgen aufmerksam die Entwicklung der Ereignisse und halten uns genau an die Sicherheitsanweisungen der Behörden“, erklärt Mauro Feltrinelli. „Wir verfolgen die Entwicklung der Ereignisse genau. Europa befindet sich in einer schwierigen Situation. Aber wir sind sicher, dass wir durch die Zusammenarbeit aller bald wieder beginnen können.“
POLEN
Lieferketten unter Druck
Polen ist die Werkbank der europäischen Bootsindustrie und das Produktionsland vieler internationaler Bootsmarken. Hier hat das Corona-Virus den Alltag lange Zeit nicht beeinträchtigt. Stand Dienstag (7. April), also drei vor Ostern, läuft die Produktion in den wichtigsten polnischen Werften normal oder beinahe normal.
Natürlich wurden im März zusätzliche Hygienemaßnahmen ergriffen, und manches dauert länger als sonst, aber die Produktion lief weiter wie geplant. Es gab keine ernsthaften Probleme mit Zahlungs- oder Lieferverzögerungen bei polnischen Subunternehmern. Die größte Herausforderung sind Lieferungen aus anderen Ländern.
Nein, nicht aus China, wie jeder erwarten würde. Die Beneteau-Gruppe schloss ihre Fabriken in Frankreich, Mercury hatte seine Produktionsstätte in Fond du Lac in den USA geschlossen. Es könnte also sehr bald ein Problem mit der Lieferung von Bootsmotoren geben.

Produktionsstopp in Boots-Produktionsstätten
Die Situation hat sich Anfang April geändert, als die polnische Regierung Einschränkungen einführte, darunter Abstandsregeln in der Öffentlichkeit, in Geschäften und der Arbeitswelt. Parks, Freizeitanlagen und Strände sind gesperrt.
Mit dem Start des Monats April hat die Delphia-Werft, seit vorletztem Jahr Teil der Beneteau-Gruppe, die Produktion eingestellt. Auch Ostroda Yacht, eine von Beneteaus Hauptwerften, produziert vorläufig nicht mehr. Stand Vorosterwoche, haben außer den Beneteau-Werften nur Mirage Boats und Viking die Fertigung eingestellt.
Keine Veränderung beim Kundeninteresse
Francis Lapp, der CEO von Sunreef Yachts, erklärt, dass durch die Pandemie Hygiene und Desinfektion höchste Priorität genießen. Die Produktion bei der Mehrrumpf-Werft findet in regelmäßig desinfizierten Hallen und Räumen statt. Wer kann, arbeitet von zu Hause aus.
Es bestehe kein Mangel an Projekten: „Wir arbeiten unter anderem am Bau von 80-Fuß-Motor- und Segelbooten“, erklärt Lapp. Und: „Die Vorbereitungen für den Bau einer großen Superyacht sind im Gange.“

Die Herausforderung ist im wesentlichen die Aufrechterhaltung der Produktionskapazität. „Wir haben auch den Bau unserer neuen Werft nicht gestoppt, wir machen einfach alles sehr viel achtsamer. Der Optimismus hat uns nicht verlassen“, zeigt sich der Sunreef-Manager zuversichtlich. „Wir beobachten keine drastischen Veränderungen beim Interesse an unseren Booten.“ sagt Lapp. „Wir haben gerade einen Vertrag über den Bau einer 100-Fuß-Einheit unterzeichnet.“
Geschäfte zu, Yachthäfen offen, Bootfahren verboten
Marineshops sind in Polen zurzeit – natürlich – geschlossen, im Online-Modus arbeiten sie aber immer noch. Marinas sind im Allgemeinen offen, doch Kranen und technischen Support gibt es nicht. Auch die Benutzung von Sportbooten ist verboten, vorerst bis zum 13. April.
Trotz dieser Einschränkungen laufen die Vorbereitungen für die neue Saison wie üblich, insbesondere auf den Binnenwasserstraßen. Charterfirmen halten mehr Desinfektionsflüssigkeiten und Handschuhe bereit, denn man hofft, ab Mitte April oder Anfang Mai in eine mehr oder weniger normale Saison zu starten.
Wie die polnischen Händler von Jeanneau und Cranchi erklären, gebe es keine Verzögerungen bei der Lieferung von kleinen Booten. Sie alle werden in Polen gebaut. Eine Herausforderung sind bestellte Boote aus Frankreich und Italien, da die Grenzen geschlossen sind. Diese sind fertig produziert oder fast bereit, an Kunden ausgeliefert zu werden. Aber es ist unmöglich, sie von den Werften zum künftigen Eigner zu bringen, sagen die Händler.

NIEDERLANDE
Strenge Beschränkungen, Werften weiter aktiv
Wie in allen anderen Ländern entgeht auch die niederländische Wassersportindustrie nicht den weitreichenden Folgen von Covid-19. In den Niederlanden gelten die bekannten Maßnahmen wie die Einhaltung eines Mindestabstandes voneinander, keine Versammlungen, geschlossene Schulen, Baumärkte und so weiter.
Vorerst gelten diese Maßnahmen bis zum 28. April, aber es ist wahrscheinlich, dass sie verlängert werden. Veranstaltungen mit mehr als 100 Besuchern sind ohnehin bis zum 1. Juni verboten. Reisen ist auch deshalb schwierig, weil 90% der regulären Flüge ausgesetzt sind.
Die meisten Yachthäfen sind offen, allerdings unter strengen Auflagen. Zwei Beispiele: Die Rezeption des Yachthafens Marina Seaport IJmuiden ist geschlossen, Zahlungen können nur kontaktlos über die Blue Water App vorgenommen werden. Auch in der Marina Muiderzand sind Barzahlungen nicht möglich – und es ist nur eine Dusch- und Toiletteneinheit zugänglich, die öfter und noch sorgfältiger sauber gehalten wird.
Die eigentlich nur für den Winter vorgesehenen Einschränkungen bei den Brücken- und Schleusenzeiten wurden bis auf weiteres verlängert. Außerdem ist es an den Wochenenden verboten, mit Privatbooten in den Amsterdamer Grachten zu fahren.

Niederländische Yachten, die derzeit die Welt umsegeln, scheinen es schwerer zu haben. Besonders in der Karibik versuchen die Crews zahlreicher Segelyachten, sichere Häfen zu finden, sind aber nirgendwo willkommen. Dies ist angesichts der bevorstehenden Hurrikansaison gefährlich.
Werften arbeiten weiter
Bei den Werften sieht es besser es. Bei Sichterman Yachts zum Beispiel geht die Arbeit weiter, aber es ist vorübergehend nicht möglich, der Werft einen Besuch abzustatten. Das Personal arbeitet so viel wie möglich von zu Hause aus. Derzeit arbeiten nur die direkt an der Produktion beteiligten Mitarbeiter in der Werft, erklärt Reginald Timmermans: „Es gibt derzeit wichtigere Themen als den Yachtbau. Für Sichterman hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter oberste Priorität“, so Timmermans.
Das bedeutet: „Wir haben bei unserer Fertigung in Friesland als bei unseren Team in ganz Europa die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um das Maximum an Sicherheit aller zu gewährleisten. Gemeinsam werden wir diese Situation überwinden.“

Bei Saffier Yachts in IJmuiden läuft die Arbeit unter sehr strengen Bedingungen ebenfalls weiter. Dennis Hennevanger, Miteigentümer der Familienwerft, berichtet: „Die Werft ist voll beschäftigt mit allen Saffier-Modellen, die zum Stapellauf bereit sind. Gerade erst haben wir eine Saffier Se 33 abgeliefert.“ Das Wichtigste für ihn: „Alle sind gesund. Wir haben maximale Vorsicht walten lassen, indem wir in verschiedenen Schichten mit einem Abstand von zwei Metern auf den Booten arbeiten.“
FINNLAND
Wenige Infektionen, kaum Auswirkungen im Bootsbau
Bei einer relativ niedrigen offiziellen Zahl von Infizierten hatte Finnlands Regierung Beschränkungen für die Personenfreizügigkeit verfügt. So ist der Großraum Helsinki – wo sich die meisten Corona-Infizierten aufhalten – bis zum 19. April vom Rest des Landes isoliert. Erlaubt ist nur der Fracht- und Arbeitsgrenzverkehr.

Fast komplett zum Erliegen gekommen ist das öffentliche Leben, Versammlungen von mehr als zehn Personen sind verboten. Die Schulen sind bis zum 13. Mai geschlossen, Restaurants und Bars werden frühestens Ende Mai wieder geöffnet.
Rückgang der Neuverkäufe seit Februar
Für den Bootssektor sind die Auswirkungen der Pandemie bisher noch gering. Die Bootssaison hat noch nicht wirklich begonnen, so dass 99% der Boote noch in Winterlagern oder bei Herstellern respektive den Händlern auf Lager sind. Alle großen Bootshersteller arbeiten – und geben an, alle laufenden Bestellungen vor dem Sommer auszuliefern, auch wenn Verzögerungen möglich sind.
Händler und Hersteller stellen einen Rückgang neuer Verkäufe und Aufträge seit Februar fest. Viele Unternehmen rechnen daher mit Entlassungen oder vorzeitigen Fabrikschließungen vor der üblichen Sommerferienpause, die in Finnland im Juni ist. Es besteht die Hoffnung, im August wieder normal zu beginnen.
Viele Bootshersteller, Händler und Winterlager-Betreiber arbeiten zurzeit hinter streng verschlossenen Türen. Außer dem eigenen Personal dürfen sich dabei keine weiteren Personen auf dem Gelände aufhalten.

Janne Mäkelä, Markenmanager von Bella Boats, gibt einige Einblicke in die aktuelle Entwicklung: „Nach einem arbeitsreichen Jahresbeginn erlebten wir einen überraschend gesunden März, was den Verkauf und die Auslieferungen betrifft.“ Zurzeit sieht er ein nachlassendes Kaufinteresse mit weniger Verkäufen und Händlerbestellungen.
Deshalb hat Bella Boats, Teil der schwedischen Nimbus-Werftgruppe, den Lagerbestand und die Produktion der Boote angepasst. „Im Moment halten wir die Produktion aufrecht und können so die Lieferungen für April und Mai erfüllen“, sagt Mäkelä. „Aber danach müssen wir einfach abwarten und sehen, wie die Dinge sich von Tag zu Tag entwickeln.“
DÄNEMARK
Auch in schwierigen Zeiten unbeschadet
Das Bootsgeschäft in Dänemark läuft immer noch gut, allerdings nicht mehr so glatt wie vor der Corona-Krise. Die Häfen sind geöffnet, und die Menschen arbeiten an ihren Booten für den Frühling. Spricht man mit Vertretern aus der Bootsindustrie, sind die meisten immer noch positiv gestimmt.
Die Geschäfte bei den dänischen Bootswerften X-Yachts, Luffe und Faurby laufen gut. Alle drei Unternehmen haben viel zu tun. Doch auch kleineren Bootsbaubetrieben, die Refit-Arbeiten ausführen, geht es gut.

Für X-Yachts, Dänemarks größte Werft für Freizeitboote, erklärt CEO Kræn Nielsen: „In einer ungewöhnlichen Zeit wie dieser arbeiten wir immer noch und bereiten unsere Boote für die Übergabe an unsere Kunden vor.“ Und fügt hinzu, „… aber mit dem tiefsten Respekt in Bezug auf die Vorsichtsmaßnahmen“.
Die Lieferkette mit Bootsbaukomponenten funktioniere effektiv, so dass „unsere Produktion unbeeinträchtigt läuft“, sagt Nielsen. Sowohl die Verkaufsabteilung der Werft als auch das weltweite X-Yachts-Händlernetz funktionieren. „Unser Werfthafen füllt sich wie in allen vergangenen Jahren mit Booten. Wir liegen vor dem Zeitplan“, fügt der CEO hinzu, „und haben zahlreiche Boote für die Übergabe vorbereitet und bereits aufgeriggt.“
SLOWENIEN
Covid-19 erschüttert Bootsindustrie
Die slowenische Bootsindustrie ist vom Ausbruch von Covid-19 wie viele andere Branchen im Land ganz oder teilweise betroffen. Kurz nach dem Stopp des öffentlichen Lebens in Slowenien kamen von den ausländischen Werften widersprüchliche Informationen. Sie reichten von einer reibungslosen Fortsetzung der Produktion bis zum kompletten Arbeitsstillstand.
Drei große Schiffswerften von internationaler Bedeutung sind in Slowenien beheimatet: Greenline Yachts, Elan Yachts und Seascape. Dazu kommen einige kleinere Unternehmen, die hauptsächlich Bootsteile, Ausrüstung und maßgefertigte Boote herstellen.
Safety first, also keine First-Regatta
Seascape ist Teil der Beneteau-Gruppe. Die Arbeitsprozesse und die Produktion wurden hier so weit wie möglich verlangsamt oder angehalten beziehungsweise ins Home Office verlegt. Media-Manager Vid Slapničar beschreibt die augenblickliche Strategie: „Wir konzentrieren uns stark darauf, die Seacape-Community online zu verbinden.

Wir stellen täglich Lerninhalte und Unterhaltsames online und bleiben mit unseren Seglern in Kontakt. Um die First- und die Seascape-Challenge zu ersetzen, organisieren wir eine virtuelle Regatta.“ Beide für Seacape wichtigen Events wurden von April auf Oktober verlegt.
Greenline setzt die höchste Priorität nach eigenen Angaben auf die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter. So kann die Produktion sofort von einer auf zwei Schichten geändert werden, um so den Kontakt zwischen den Arbeitern zu verringern. Diese sind alle mit Masken und Handschuhen ausgerüstet. Desinfektionsflüssigkeiten stehen an allen Arbeitsstationen zur Verfügung, 70% des Büropersonals arbeiten von zu Hause aus, heißt es von der Werft.
Bootsverkäufe nicht in Gefahr
Die pünktliche Auslieferung von Greenline-Booten ist mindestens bis April gesichert. Danach sei man von der Lieferkette und möglichen Einschränkungen seitens der neuen Regierung abhängig. Wladimir Zinchenko, Eigentümer und CEO der Greenline-Werft SVP Yachts, sagt: „Unsere Vision für Greenline kann kein Virus aufhalten. Wir bleiben positiv gestimmt, aber nehmen die Situation sehr ernst“, so der Firmenchef. Erst vor kurzem hatte Greenline die Daycruiser-Serie Neo an Bavaria verkauft.

So wurden Gespräche mit allen Kunden geführt, die ein Boot bestellt haben. „Wir freuen uns, dass alle optimistisch bleiben und sich darauf freuen, ihr Boot im Sommer in Empfang zu nehmen“, erklärt Zinchenko, „auch wenn es mit einer leichten Verzögerung kommen könnte.“
Elan stoppte Aktivitäten im März
Das 1949 gegründete Unternehmen Elan Yachts schon am 16. März präventiv alle Aktivitäten eingestellt. Das bleibt – der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter wegen – bis mindestens 14. April so. „Noch vor der vollständigen Schließung haben wir Maßnahmen ergriffen, um eine hochsichere Arbeitsumgebung zu gewährleisten“, heißt es in einer Erklärung. Dazu gehörten „die Bereitstellung von Schutzausrüstung und Desinfektionsseifen, neue Arbeitsprozesse mit besonderen Abstandsregeln, Arbeit von zu Hause aus und versetzte Arbeitszeiten“.
Im Sommer wollte die Werft das neue Segelyachtmodell Elan GT 6 nach längerer Ankündigung vorstellen, so der Plan. „Sobald wir die Produktion wieder aufnehmen“, heißt es im Statement von Elan Yachts, „werden wir selbstverständlich die genannten Maßnahmen beibehalten.“
ÖSTERREICH
Öffentliches Leben steht still, Bootsproduktion läuft
Österreich hat mit die strengsten Corona-Vorschriften in Europa. Im Grunde genommen stand das öffentliche Leben für Wochen still. Erst seit heute dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen. In Österreich sind die Yachthäfen generell geschlossen, so dass die Eigentümer keinen Zugang zu ihren Booten haben. Der Corona-Lockdown hat auch Auswirkungen auf die Bootshersteller.

Bei Frauscher läuft die Produktion derzeit in reduziertem Umfang. Mit zwei getrennten Produktionsteams zur Einhaltung der erforderlichen Hygienestandards wird der Bootsbau in zwei Schichten durchgeführt. Das Verkaufs- und Büroteam arbeitet im Home-Office.
Bei Silent Yachts wird derzeit in zwei von vier Produktionsstätten normal produziert. In Italien sollen die Arbeiten an den Booten ab 14. April wieder aufgenommen werden. Für das Cannes Yachting Festival 2020 sind zwei Modellpremieren geplant, und die Fertigstellung der neuen Boote liegt bisher im Zeitplan.
Sollte es weitere Verzögerungen in den Lieferketten geben, so Silent-CEO Michael Köhler, müssten die Premieren möglicherweise verschoben werden. Verlorene Aufträge als solche sind nicht zu erwarten, aber natürlich verzögerte Lieferungen.


Direkter Kundenkontakt nicht möglich
Auch Marian Boats baut unter strengen Auflagen weiter. „Jeder Mitarbeiter muss Handschuhe tragen, alle in der Produktion halten großen Abstand zueinander.“ erklärt Juniorchef Alex Marian. Darüber hinaus werden alle Türen, Tische, Werkzeuge usw. täglich desinfiziert. Wir sind alle gesund und sind von der Krise noch nicht so stark betroffen“, so Alex Marian.
Neuboot-Vorstellungen müssen allerdings verschoben werden, heißt es. „Unser Hauptproblem derzeit ist, dass wir keinen direkten Kontakt zu unseren Kunden haben können. Probefahrten und Bootspräsentationen sind unter diesen Umständen leider nicht möglich.“

Das Hauptziel der kleinen Werft für dieses Jahr wird es sein, die Kosten zu senken. Dazu gehört ein Personalabbau um 20 Prozent. Doch Alex Marian sieht in der aktuellen Situation auch etwas Positives: „Viele Kunden können oder wollen in diesem Sommer nicht in Urlaub fahren. Sie bleiben zu Hause und planen, auf dem See Boot zu fahren.“
Weltpremiere verschoben
SAY Carbon Yachts produziert im deutschen Allgäu. Karl Wagner, CEO und Mastermind der Marke SAY, stammt aus Salzburg in Österreich. „In Wangen produzieren wir ganz normal“, sagt er, „und der Designer arbeitet vom Home-Office aus.“
Der für die Palma Boat Show 2020 geplante weltweite Start des SAY 42 wird verschoben. Karl Wagner rechnet derzeit mit einem leichten Umsatzrückgang, da einige Kunden auf Testfahrten warten. Denn: „Noch ist nicht klar, wann das wieder möglich sein wird.“
DEUTSCHLAND
Bootsbauer produzieren vorerst weiter
Deutschland hat eine relativ hohe Zahl an Corona-Infektionen, dabei aber eine sehr niedrige Sterblichkeit. Das öffentliche Leben ist relativ normal – auch mit sozialer Distanzierung, geschlossenen Schulen und der Schließung von Segelclubs und Marinas. In dieser Woche soll über allmähliche Lockerungen beraten werden.

Im Gegensatz zu den meisten deutschen Automobilherstellern läuft der Bootsbau in Deutschland weiter. Das gilt nicht nur für die Serienbootproduzenten Hanse Yachts in Greifswald und Bavaria in Giebelstadt, sondern auch für kleinere Hersteller.
„Keine unnötigen Risiken“ bei Bavaria
Die Produktion bei Bavaria Yachts am Hauptsitz in Giebelstadt laufe noch immer „ganz normal“, erklärt Firmensprecher Marcus Schlichting. „Natürlich unter den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, um unsere Mitarbeiter keinem unnötigen Risiko auszusetzen.“
Die Lieferfähigkeit leidet bisher nicht, schließlich hat Bavaria Yachts als Großbetrieb entsprechende Kapazitäten. „Wir sind sehr zuversichtlich, auch weiterhin alle bestellten Boote termingerecht ausliefern können“, heißt es aus Giebelstadt.
Auch die Entwicklung neuer Modelle liege im Zeitplan, so der Werftsprecher. Zurzeit liege der Fokus darauf, die Kunden auch weiterhin termingerecht zu beliefern. Im Zweifelsfall gilt also: Lieferfähigkeit first.

Hanse ist vorerst ausverkauft
„Alle vier Produktionsstätten von HanseYachts sind immer noch fleißig am Produzieren“, berichtete das Unternehmen am 25. März auf der Website – ein Post, der seither nicht aktualisiert wurde. Außer in Greifswald werden Boote auch im eigenen Werk in Polen und bei der französischen Multihull-Tochter Privilege gebaut. Am 8. April bestätigte dies CEO Jens Gerhardt in einer Mitteilung noch einmal: „In allen Werken wird an Ihren Yachten weitergebaut.“
Dennoch hat die Corona-Krise auch ohne Schließung direkte Auswirkungen auf das Produktionstempo. „Wir können jedoch schon jetzt absehen, dass wir das derzeit sehr hohe Produktionstempo nicht wie geplant aufrechterhalten können“, so Jens Gerhardt.
Es fehlten leider in allen Werken Mitarbeiter, im Wesentlichen deshalb, weil die Schulen geschlossen sind und auf die Kinder aufgepasst werden muss. Oder aber, weil die Grenzen nach Polen geschlossen wurden und Grenzgänger so nicht mehr zu Arbeit kommen können.
„Wir sind inzwischen ausverkauft bis Ende Juni und nehmen daher neue Bestellungen zum Sommer selbstverständlich gerne an“, so der Hanse-Chef. Werden die Boote nach dem 1. Juli 2020 fertiggestellt, fällt der Umsatz ins nächste Geschäftsjahr. Für das laufende Geschäftsjahr musste das börsennotierte Unternehmen seine Prognosen zurücknehmen.
Gut gefülltes Lager sichert Lieferfähigkeit
In Budenheim am Rhein produziert der Familienbetrieb Europe Marine amerikanisch inspirierte Motorboote, bisher bei voller Auslastung und mit Schutzmaßnahmen. „Unsere Produktion läuft normal weiter, natürlich auf Abstand“, so Sybille Nürnberger.
Sofern die wirtschaftliche Ausnahmesituation durch die Coronakrise nicht länger als drei Monate anhalte, werde es bei Europe Marine keine Änderungen geben. „Wir sind nicht von Lieferketten abhängig, sondern bleiben durch unser großes Lager mit Viper Powerboats und Auster lieferfähig.“

Kurze Lieferkette in der Manufaktur
In der Bootsmanufaktur in Werder, wo die Marken B1 Yachten und Aqualine hergestellt werden, produzieren die Arbeiter nach wie vor Sport- und Familienboote. Die Auftragslage bis zum Jahr 2021 sei sehr gut, sagte Firmenchef Frank Schaper.
Für die Arbeitsabläufe in der Produktion gelte die Regel „Safety first“: Jeder Monteur hat sein eigenes Boot zur Montage. Absprachen in der Produktion mit Kunden sind derzeit nicht möglich. Vor kurzem wurde das Materiallager erweitert, um eventuelle Lieferengpässe auszugleichen, damit die Bootsproduktion weiterlaufen kann.
„Eine wichtige Aufgabe zur Zeit besteht darin, gemeinsam mit Zulieferer und Partner die Lieferkette an Materialien für den Bau sicher zu stellen.“ sagt Schaper. Es sei jetzt ein Vorteil, relativ klein zu sein: „Als kleiner Hersteller haben wir kurze Lieferketten mit relativ wenigen Lieferanten.“
Bootsbau im Corona-Brennpunkt
Hellwig Boote produziert im äußersten Westen Deutschlands, im Kreis Heinsberg, wo das Corona-Virus sich besonders früh und besonders stark ausgebreitet hat. Rund 100 Motorboote bis 5,80 m Länge verlassen pro Jahr die Fertigungshallen.
„Wir versuchen auf die Abstände der Personen zu achten. Die Handhygiene wird kontrolliert, und es werden Desinfektionsmittel eingesetzt.“ so Geschäftsführer Michael Hammermeister. Dennoch fällt im Moment ein Teil seiner Belegschaft aus.
Das ist nicht das Einzige, was sich auf die Terminplanung auswirkt. „Lieferungen aus Italien, Frankreich, Polen erreichen uns zu spät oder gar nicht mehr.“ Dennoch ist der Nischenproduzent Michael Hammermeister, deren in den letzten zwei Jahren die gute Stimmung bei deutschen Bootsbauern teilte, nicht besorgt: „Unser Umsatz wird sich im Moment nur verschieben und wahrscheinlich nicht einbrechen.“
UKRAINE
Land im Lockdown, doch Bootsindustrie läuft
Die Ukraine ordnete sehr strenge Quarantänebestimmungen für die Öffentlichkeit an: keine Flüge, keine Züge, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr. Nur private Autos sind für den Transport zugelassen. Die Menschen sollen generell zu Hause bleiben. Kein Markt, keine Theater, keine Cafés – zumindest bis zum 24. April soll dies so bleiben.

Auch alle Marines sind vorerst geschlossen, sodass es keine zurzeit keine Freizeitaktivitäten auf dem Wasser gibt. Die Bootshersteller in der Ukraine betrifft das nicht: Produzenten wie Brig und Grand, die RIBs herstellen, oder den Aluminium-Produzenten UMS Boats, um die bekanntesten Marken zu nennen, arbeiten in ihren Fertigungsstätten im gleichen Umfang wie gewohnt.
RUSSLAND
Erst „business as usual”, jetzt Krisenmodus
Vor zwei Wochen waren die offiziellen Covid-19-Zahlen in Russland noch recht niedrig. Seitdem hat sich die Situation erheblich verändert. Eine landesweite „Selbstisolationspause“, die am 28. März angekündigt wurde, wird bis zum 30. April dauern. Die allgemeinen Quarantänebestimmungen lauten: Versammlungen von mehr als 50 Personen sind nicht erlaubt, 14 Tage soziale Distanzierung ist ein Muss für alle, die aus dem Ausland nach Russland kommen.
Marinas planten regulären Saisonstart
Bis vor gut zwei Wochen, unmittelbar vor der Ankündigung der Regierung, setzten die Yachthäfen und Werften ihre normale Arbeit fort. „Wir hatten keine Verwaltungsanweisungen von der Stadtregierung“, sagt Ilya Miri, Manager des Royal Yacht Club in Moskau.
Auch andere Yachthäfen planten regulär, wie Yuriy Kharlamov, CEO des Moskauer Yachthafens, bestätigt. Mit bislang einer Änderung: „Wir haben einen Teil des Personals beurlaubt.“ Der Yachthafen Imeritinskiy in Sotschi am Schwarzen Meer stand ebenfalls vorm Start. „Jetzt bereiten wir uns traditionell auf die Sommersaison vor“, so Hafenmeister Oleg Kuptsov, und alle Aktivitäten liefen bis vor kurzem im Normalbetrieb.
Bootsproduktion ohne Abstriche
Auch die russischen Werften wirkten vor dem Lockdown optimistisch. „Wir setzen den normalen Betrieb fort. Unsere Belegschaft hat persönliche Schutzausrüstung und Antiseptika“, sagt Anton Kozhinov, Chef der North-Silver-Werft in Sankt Petersburg. „Wir haben über einen ausreichenden Bestand an Teilen“, so der Manager. „Wenn die Beschränkungen länger als zwei Monate in Kraft bleiben, werden wir Probleme im Zusammenhang mit Lieferungen aus Europa haben, namentlich aus Italien.“
Die Bootsverkäufe sind gut: „Wir haben fast alle für die kommende Saison gebauten Boote verkauft. Wir nehmen derzeit Bestellungen für einige Modelle entgegen, die im September und sogar im Oktober gebaut werden sollen.“ Die Aussichten scheinen jedoch unklar zu sein, da „unsere europäischen Händler, insbesondere in Skandinavien, Probleme wegen abgesagter Bootsmessen haben“.

Niedriger Ölpreis stimuliert Interesse am Bootskauf
„Unsere Produktion läuft“, erklärt Kirill Slepov, Direktor von Velvette Marine in Kasan, direkt vorm Inkrafttreten der Regierungsvorschriften. Dennoch: „Wir spüren wir einen Mangel an Komponenten aufgrund der unterbrochenen Lieferketten.“ Seine Lieferanten aus China und Italien stellten zurzeit keine Rechnungen und würden „anscheinend Zeit schinden“. Daher: „Wir müssen Teile von anderen Lieferanten beziehen, und unser Einkauf ist überlastet“.
Slepov ist dennoch optimistisch: „Was die Verkäufe betrifft: Sie sind gut. Ich glaube, dass die kommende Saison die vergangene, die durch schlechtes Wetter und einen außergewöhnlich niedrigen Wasserstand der Wolga ruiniert wurde, kompensieren wird.“ Außerdem, so hat er beobachtet, haben die Menschen Angst vor einer weiteren Schwächung des Rubels: „Sie wollen jetzt Geld investieren.“ Der Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie kollidierte mit dem Ölpreisrückgang, der sich deutlich auf die russische Wirtschaft auswirkt.
Dieser Beitrag ist eine Kooperation von Bootsjournalisten der Jury des Best of Boats Awards. Beteiligt waren Alfred J. Boer, Anton Cherkasov-Nisman, Arek Rejs, Bernd Hofstätter, Bogdan Parfeniuk, Giacomo Giulietti, Jan Sjölund, Julijan Višnjevec, Stanislaw Iwinski, Stefan Gerhard und Troels Lykke.