Die Auftragsbücher sind voll, aber die Bänder standen still. Ende Februar befindet sich die französische Beneteau Group, der weltgrößte Hersteller von Serienyachten mit renommierten Marken wie Beneteau, Jeanneau und Lagoon, im Krisenmodus. Nach einer Cyber-Attacke auf das Computersystem des maritimen Riesen musste die Produktion komplett runtergefahren werden.
Tausende Mitarbeiter in allen Produktiondstätten, auch außerhalb von Frankreich, wurden nach Hause geschickt. Für Kunden des Unternehmens bedeutet das: Die Auslieferung neuer Motorboote und Segelyachten verzögert sich um einige Wochen. Das bestätigt Unternehmenssprecherin Mirna Cieniewicz auf Anfrage von float.
„Als Konzern wird ein Großteil der IT-Infrastruktur und der damit verbundenen Anwendungen im Bootsbau über Produktionsstandorte, Marken und Länder hinweg gemeinsam genutzt. Daher sind alle unsere Werke außerhalb Frankreichs von den Folgen des Cyberangriffs betroffen“, so die Sprecherin. „Wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß für jedes Werk, abhängig vom Grad der Integration mit dem französischen Kerngeschäft.“
Einen Monat später sind noch Auswirkungen spürbar
Auch Mitte März sind die Folgen des Cyberangriffs noch spürbar. Erst seit dem 18. März haben alle Werke innerhalb und außerhalb Frankreichs die Aktivität wieder aufgenommen – wenn auch teilweise noch gedrosselt. „Das Aktivitätsniveau wird schrittweise erhöht“, heißt es seitens der Beneteau-Gruppe auf Anfrage. „Bis die IT-Infrastruktur in den kommenden Wochen vollständig wiederhergestellt ist, arbeiten wir weiterhin in einem sogenannten ‚abgesicherten Modus‘, der immer noch manuelle Eingriffe gegenüber normalerweise IT-automatisierten Aufgaben erfordert.“
Derzeit müssen die Händler ihre Kunden, die auf die Auslieferung ihres Boots warten, um Geduld bitten. Insbesondere Charterunternehmen trifft die Verzögerung hart. In den ersten Monaten des Jahres sind gewöhnlich zahlreiche Yachten für die neue Saison in Auslieferung. Nach dem harten Corona-Jahr 2020 und der durch die Pandemie bedingten Ungewissheit für 2021 ist das ein weiterer Schlag für die Branche.
In einer Händlermail, die float vorliegt, heißt es, dass der Vorfall zu einer Verzögerung der Produktion von wahrscheinlich fünf bis sechs Wochen führen könne. „Niemand weiß derzeit Genaues“, schreibt der Händler. Beneteau bestätigt die teils erheblichen Verzögerungen auf Nachfrage. „Während die Produktion in den einzelnen Werken allmählich wieder aufgenommen wurde, haben die Teams an den Plänen für die Bootsauslieferung gearbeitet. Die Verzögerungen variieren, je nachdem, wo das jeweilige Modell gebaut wird. Im Allgemeinen werden es ein paar Wochen sein.“
Verbindungen zur Außenwelt wurden sofort gekappt
Was war passiert? In der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 2021 wurde der französische Bootsbauer Opfer einer Cyberattacke. Als die firmeninterne IT-Sicherheit den Vorfall entdeckte, kappten sie sofort alle Verbindungen. Sie fuhren das System herunter, um eine weitere Ausbreitung des Schadprogramms zu stoppen. Die rigorose Maßnahme war in Anbetracht des Angriffs notwendig.
Es hatte allerdings zur Folge, dass die Beneteau-Gruppe von der Außenwelt abgeschnitten war.