Es ist Fasching am Traunsee und die Jecken feiern. Der See, umrahmt von Bergen, liegt winterlich still und die Stege sind leer. Hier, im österreichischen Salzkammergut, mitten in den Alpen, entwickelt Frauscher mit seinen Mitarbeitern Boote, die an Lamborghinis auf dem Wasser erinnern und eine ganz eigene Linie haben.
Von Salzburg ist es nur eine knappe Stunde über die Autobahn zur Frauscher Bootswerft. Vorbei am Wolfgangsee nimmt man die Abfahrt Laakirchen und kommt über eine kleine Straße zur Werft. Ein flacher Neubau, der sich zurückhaltend in einer Senke versteckt. Das Gebäude zeigt außen wenig von Frauschers Eleganz, aber der Schein trügt. Denn innen tut sich ein Interieur auf, das bestens zu dem passt, was man von der Werft kennt. Die Frauschers besitzen dieses spezielle Gen für außergewöhnliche Boote, dieses feine Gespür für Eleganz und für den richtigen Zeitpunkt, etwas zu präsentieren. Ich bin gekommen, um zu verstehen, wieso das so ist.

Tradition 1 x 30
Frauscher, das ist Familientradition seit drei Generationen – 90 Jahre, ein ganzes langes Leben. Der erste Frauscher, der Boote baut, wird 1903 geboren. Engelbert Frauscher aus dem Innviertel lernt erst Tischler, dann begeistert er sich am Wolfgangsee für den Bootsbau. 1927 – mit 24 Jahren – geht der junge Bursche nach Wien und übernimmt an der Donau eine kleine Werft und baut Segel- und Ruderboote. 1936 segelt die von ihm gebaute O-Jolle für die Österreicher bei den Olympischen Spielen in Berlin mit.

Im Krieg wird die Werft zerbombt und Engelbert kehrt an seinen Heimatort ins Innviertel zurück. Engelberts Ruf als Bootsbauer hat sich bereits herumgesprochen: Ein General des US-amerikanischen Oberkommandos in Österreich sucht den Holzbootspezialisten auf und bittet ihn, die Boote des Yachtclubs am Traunsee zu betreuen. Schon kurze Zeit später wird Engelbert in Gmunden wieder O-Jollen bauen. Nach dem Abzug der Amerikaner kauft er zusammen mit seiner Frau Fanny die Werft am See. Er ist der erste, der hier 1955 ein Holz-Elektroboot baut.
Tradition 2 x 30
Engelberts Söhne Ernst und Hans steigen als begeisterte Wassersportler – Hans fährt Wasserski und Ernst segelt – schon früh in die Firma ein. Der Bootsverleih mit selbst gebauten Booten floriert und schafft Platz für Neues: Holzmotorboote. Sie heißen Untertasse und Starfish und sind fast durchgängig Einzelanfertigungen. In den 1960er-Jahren eröffnen Hans und seine Frau Dorli eine Segelschule, während Ernst die Werft ausbaut. Zehn Jahre später entwickeln die Brüder zusammen die ersten Polyesterboote. Immer vorne dran in der Entwicklung.
Das Verbot von Motorbooten am Traunsee fordert die Frauschers heraus, ein neues Elektroboot zu entwickeln, das ihre Motorboote mit Verbrennungsmotor ersetzen kann. Es ist das erste Boot der Familienwerft aus Polyester. Hans und Dorli fahren im Sommer mit dem Auto durch Deutschland und bieten die 540 Portofino an. Die Strategie geht auf: Insgesamt werden fast 2.000 Stück gebaut. Ende der 1970er-Jahre starten die Frauschers mit dem Bau des bekannten H-Boots, der größten nichtolympischen Kielbootklasse in Europa, deren Lizenz sie vom finnischen Segelverband erhalten – und mit dem Hans Frauscher 1982 und sein Sohn Stefan 2002 den Weltmeistertitel holen.

Tradition 3 x 30
In dritter Generation steigen Michael, Stefan und Andrea in das Unternehmen ein und übernehmen um die Jahrtausendwende einen schuldenfreien Betrieb. Aber keines der Boote ist richtig gut im Markt platziert, und so beschließen sie, die Marke Frauscher neu zu definieren. Den Gedanken, Segelboote zu handeln oder selbst zu bauen, verwerfen sie und entscheiden sich stattdessen für luxuriöse Elektroboote. Das erste eigene Boot, das sie bauen, ist die 750 St. Tropez, gemeinsam mit Thomas Gerzer, der als Cousin der Familie und Boots-Konstrukteur hinzukommt. Er wird die Marke Frauscher mit seinem Gespür für Design und seinem technischen Know-how in den kommenden Jahren entscheidend prägen.


Die Elektroboote laufen gut, aber immer wieder fragen Kunden, ob es das Boot nicht auch mit einem Verbrennungsmotor gibt. So bauen sie die 757 St. Tropez als erstes Motorboot. Sie verrechnen sich beim Rumpf und lernen etwas für ihre weitere Entwicklung Wesentliches: Von Grund auf neu zu denken. Thomas Gerzer hängt sich rein und entwickelt ein Jahr lang das neue Boot. Es wird das erste Boot der neuen Generation: „Es lief besser als alles, was man bis dahin kannte“, sagt Stefan Frauscher. „Diese Freude an etwas Neuem und Innovativem, das macht uns aus. Es gefällt uns, Dinge zu machen, von denen wir wissen, dass sie vordergründig erst einmal kein Geschäft sind.“ So wie das Hybridmotorboot, das sie als Serienmodell auf den Markt bringen. Es hat sich auch verkauft, aber sein Zweck war ein anderer. Das Projekt hat die Frauscher-Denkweise vorangebracht und das Netzwerk des Unternehmens erweitert. Genau so wie das Wasserstoff-Elektroboot, viel zu teuer, aber ein innovatives und aufregendes Projekt.
Nach der 757 St. Tropez verlassen sie die Klassiker-Welt und bauen ein komplett anderes Boot, die 686 Lido. Es wird zum wichtigsten Boot überhaupt, weil es die Wende im Frauscher-Design markiert: weg von der klassischen Form, hin zu einer modernen und neuen Linie. Noch sind die Frauschers aber auf der Suche. Sie arbeiten mit Architekten, Designern und Freunden zusammen, die sie beraten und begleiten – ihr Netzwerk, das sie Frauscher & Friends-Community nennen. Inzwischen gibt es die 757 St. Tropez, eine 686 Lido und eine 909 Benaco. Aber noch ist die Marke Frauscher, wie wir sie heute kennen, erst als Vorahnung zu erkennen.
Das Frauscher-Gen
Dann entwickelt Thomas Gerzer im Jahr 2011 die 1017 GT. „Mit diesem Boot ist uns der Knopf aufgegangen“, erinnert sich Stefan: „Das ist Frauscher.“ Sie wenden sich an den bekannten österreichischen Produktdesigner Gerald Kiska, der gleich nebenan in Salzburg arbeitet und selbst Motorboot fährt. Ihm erklären sie die 1017 GT und entwickeln gemeinsam mit Harry Miesbauer und Thomas Gerzer die neue Frauscher-Linie: gerader Steven, Stufenrumpf, eine puristische, klare Form und das Z der Hecklinie. Kein Chichi, sondern hochwertig verarbeitet, in Einzelanfertigung.

Ebenso aufregend wie die Boote ist auch das Marketing. Immer wieder fällt die Werft mit ausgefallenen Ideen auf, wie hier mit Actionmodel Miriam Höller auf der Frauscher 1017 GT bei einer tollkühnen Verfolgungsjagd mit Red Bull Air Race Champion Hannes Arch.
Nach diesen Vorgaben entstehen ab 2009 die 858 Fantom, die 747 Mirage und zuletzt 2016 die 1414 Demon. Alle Modelle gibt es in Zukunft als offene und geschlossene Version. Die Elektroboote bleiben das andere wichtige Standbein der Frauschers, mit den etwas klassischeren Linien der 750 St. Tropez, der 650 Alassio, der 610 San Remo und 680 Lido, aber auch einer elektrischen 740 Mirage. Diesen Sommer kommt die 858 Fantom Air neu dazu.
Frauschers erkennen, dass die Marke nun auf den internationalen Markt expandieren muss. Dafür nehmen sie kurzfristig einen Investor hinzu und errichten eine neue Produktionshalle nach modernsten Vorgaben. Gleichzeitig bauen sie auf Mallorca einen eigenen Standort auf. Sie wollen weg vom ewigen Vorurteil, nur Boote für die Alpenseen zu bauen. Im Mittelmeer erleben die Kunden, dass Frauscher-Boote auch in der Welle hervorragend laufen.
Die Produktion
Aus der oberen Etage, wo sich die Büros befinden, schaut man auf ganzer Länge durch ein Fenster herunter in die Produktion und sieht die Bootsbauer bei der Arbeit. Das schafft Verbindung und Nähe in der Zusammenarbeit. Die Kommunikation zwischen Verwaltung, Vertrieb und Bootsbauern ist sehr direkt. CEO Michael Frauscher, der die Produktion leitet, sagt dazu: „Wir sind transparent. Mir ist es ganz wichtig, dass alle Alles sehen können, denn über das Auge wird am schnellsten kommuniziert. Das zeigt sich auch in der offenen Architektur unserer Werft, bei uns ist alles durchsichtig.“

Anton Hunger, der als Porsche-Kommunikationschef die Marke Porsche mit entwickelte, zeigt ihnen, wie man die Produktion effektiver gestaltet. „Just in time“ heißt das im PKW-Bau seit langem etablierte Prinzip. Seitdem baut Frauscher ausschließlich in Einzelanfertigung, jedes Boot ist ein individuelles Projekt. Hat der Kunde das Boot angezahlt, schreibt der Verkäufer eine Arbeitskarte. Daraus errechnet sich die Stückliste. Dann werden die Teile beim Hersteller einzeln bestellt und der Rumpf und das Deck in Auftrag gegeben. In der Werft selbst werden die Boote fertig montiert.
Die Bootsbauer
Zur Arbeitsweise der Werft gehört der vertrauensvolle Umgang miteinander. Die Bootsbauer arbeiten in Teams – für die Elektronik, die Holzarbeiten oder die Auslieferung. Sieben Bootsbauer werden zurzeit bei Frauscher ausgebildet, mitten in den Alpen. Die Mitarbeiter sollen in die Produktionsweise hereinwachsen, damit sie selbst Verantwortung übernehmen können und die Qualität und das Wachstum der Firma mittragen, erklärt Stefan Frauscher. 30 bis 40 % Wachstum, vermutet der Werftchef, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Michael Frauscher führt, sind noch möglich.
Die Kunden
Viele Frauscher-Kunden kommen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, sind relativ jung und haben Sinn für Schönes. Dabei ist der Anteil an Erstkäufern relativ hoch: Sie kommen oft über das Design zum Wassersport. Sie sind emotionale Käufer und schnell entschieden, die wenigsten sind vergleichende Analytiker, die Verbrauchs-Berichte lesen. Der Frauscher-Kunde will den spirit der Marke erleben und das Gefühl haben: Das passt zusammen.
Die Märkte
Als Premiumanbieter verkauft die Werft heute pro Jahr rund 70 Boote, in Zukunft vielleicht 100. Die Werft konzentriert sich auf die Märkte in Mittel- und Südeuropa, nach der Hotspot-Philosophie: Ist ein Hotspot besetzt, dann strahlt das auch in die Umgebung aus. Einer dieser Hotspots ist Mallorca, ein anderer St. Tropez, der gerade aufgebaut und entwickelt wird. Denn die Frauscher-Boote passen dort sehr gut hin.
Elektro
Auf Elektroboote setzt Frauscher weiterhin. In der Werft ist man fest überzeugt, dass dieser Antriebstyp sich weiter im Markt durchsetzen wird. Die Bereiche, wo ein Elektroboot eingesetzt wird, wachsen – und die Werft besitzt mehrere Jahrzehnte Erfahrung im Elektrobootbau. Diese Vorreiterrolle gibt man nicht auf.
In 10 Jahren
„Die größte Herausforderung ist für uns, das Unternehmen erfolgreich an die nächste Generation zu übergeben.“ sagt Stefan Frauscher. „Man darf damit nicht warten, bis es soweit ist.“ Die Übergabe an die vierte Generation und dabei ein neues Führungsteam zu bilden, ist ein gleitender Prozess. Wer aus der Familie dabei sein wird, kann man jetzt noch nicht sagen. Die beiden Töchter von Stefan Frauscher studieren noch, aber Maximilian, Michael Frauschers Sohn arbeitet schon im Unternehmen. „Wenn dann das richtige Team gefunden ist, kann ich als Frühstücksdirektor bei der Bootsübergabe dabei sein“, schmunzelt Stefan Frauscher, „oder mal auf der Messe vorbeischauen.“ Und ein Riesenfest steigen lassen, wenn die Firma hundert wird.
Gerade hat die Werft 90 Jahre Frauscher gefeiert. Nach den Erfolgen der letzten zehn Jahre kann man sehr gespannt sein, was man sich bei Frauscher bis zum Jahrhundertjubiläum noch ausdenken wird.

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Ein Kommentar
Qualität und gutes Handwerk setzen sich auf Dauer durch. Erst recht wenn das Design stimmt.
Gratulation ! Auf die nächsten 90 Jahre. Auch wenn diese Boote für die meisten von uns unerreichbar sind…