Den deutschen Bootsherstellern geht es augenscheinlich gut. Dem Boom-Jahr 2020, als die Bootsproduktion in Deutschland trotz der Corona-Pandemie nicht eingestellt wurde, könnte sich jetzt ein weiteres erfolgreiches Jahr für die deutschen Werften anschließen. Wie sieht es bei den Großen in der Branche, der Hanse Yachts AG und bei Bavaria Yachts, aus?
Wir sprachen dazu mit Jens Gerhardt, Geschäftsführer der Hanse Yachts AG, und Michael Müller, CEO von Bavaria Yachtbau, über ihre aktuellen Einschätzungen und Unternehmenspläne für die Zukunft.
Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf Hanse Yachts?
Jens Gerhardt: Seit Sommer 2020 erfreuen wir uns an einem Auftragsboom, der bis heute anhält. Wir mussten keine Mitarbeiter entlassen, sind sogar weiterhin auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften. Direkt nach dem ersten Lockdown gab es zwei Monate Kurzarbeit, aber nur in Teilen und nicht in allen Fabriken.
Aktuell sind wir voll ausgelastet und haben 40 unbesetzte Stellen in Deutschland, eine ähnlich hohe Zahl in Polen sowie 30 in Frankreich.

Die Auswirkungen der Pandemie haben unsere Produktion zwar ins Stottern gebracht, aber niemals gestoppt. Sogar als wir im Herbst einen Corona-Ausbruch am Hauptstandort in Greifswald abwettern mussten und die gesamte Tischlerei in Quarantäne musste, konnten wir dank Schnelltests und dem Einsatz all unserer Mitarbeiter weiter produzieren.
Wie steht es bei Bavaria Yachts in Giebelstadt?
Michael Müller: Seit September 2020 läuft unsere Produktion mit maximaler Auslastung. Der Auftragseingang ist nach wie vor im Vergleich zu den Vorjahren überdurchschnittlich hoch. Schon Ende November zeichnete sich ab, dass alle verfügbaren Slots für unser Geschäftsjahr 2020/21 (das am 31. Juli endet) ausverkauft sind.
Seit Anfang des Jahres verkaufen wir bereits für das Geschäftsjahr 2021/22. Und obwohl wir die Kapazität für das neue Geschäftsjahr anheben werden, sind wir jetzt schon, also Stand März 2021, bei einigen Modellen bei den Lieferzeiten weit vorgerückt.

Um eine weitere Anhebung der Stückzahlen überhaupt bewältigen zu können, suchen wir zurzeit schon über Radiowerbung in der Region Würzburg nach neuen Mitarbeiter:innen für die Produktion, Technik, Qualitätssicherung und Verwaltung.
Herausforderungen bei den Lieferanten
Gibt es zurzeit Herausforderungen in der Lieferkette? Wie gehen Sie damit um?
Michael Müller: Unser Einkauf steht seit einem Jahr unter einem ungeheuren Druck, die Lieferketten sicher zu stellen und damit die Produktion abzusichern. Und die Herausforderungen wachsen täglich. Die machen gerade einen richtig guten, aber eben auch einen echt schwierigen Job.
Die eventuellen Engpässe sind schwer vorauszusehen. Mal ist es der eine Lieferant, der seine Liefertermine und zugesagten Mengen absagt. Und morgen ein anderer, quer durch alle Segmente. Denn auch unsere Lieferanten haben Probleme mit ihren Vorlieferanten.

In Konsequenz haben wir unsere Lagerpuffer signifikant erhöht und damit mehr Kapital gebunden. Der Brexit und enorm gestiegene Transportkosten tun ein weiteres.
Bisher haben wir fast alle Liefertermine für unsere Boote einhalten können. Aber wir haben unser Händlernetzwerk darauf vorbereitet, dass sich dies immer kurzfristig ändern kann. Wenn ein auch nur so kleines Zubehörteil einfach nicht an uns geliefert wird, dann können wir auch das Boot nicht ausliefern.
Können Sie das bestätigen, Herr Gerhardt?
Jens Gerhardt: Wir kämpfen zurzeit auch mit den Auswirkungen von unterbrochenen Lieferketten, obwohl wir vorsorglich unser Materiallager stark aufgestockt hatten. Neben Motoren kommt es zu unterschiedlichsten Fehlteilen wie Bugstrahlruder, Fenstern oder auch Steckdosen. Dadurch ergeben sich Verspätungen unserer Boote teils bis zu zwei Monaten.

Wo es machbar ist, schauen wir uns natürlich auf dem Markt nach Alternativprodukten für die fehlenden Teile um. Die Qualität steht dabei aber immer an erster Stelle – Kompromisse gehen wir da nicht ein.
Wie haben Sie in Greifswald und Ihren Produktionsstätten außerhalb Deutschlands auf Corona-bedingte Veränderungen reagiert?
Jens Gerhardt: Da wir in der Lage waren, an allen unseren Standorten durchgängig zu produzieren, konnten wir wie gewohnt neue Boote entwickeln und auf den Markt bringen.
Mit der Fjord 41 XL und der Dehler 38 SQ sind uns dabei auch zwei Kassenschlager gelungen.

Auf die abgesagten Messen haben wir mit einem Multimedia-Angebot reagiert, das dem Kunden auf unterschiedlichste Weise die Boote erklärt. Zudem bieten wir ganz private Boat-Shows an, die Kunden unter Einhaltung aller Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen Zutritt zu unseren Booten ermöglicht.
Außerdem haben wir mit dem Balticdesign Institute eine zusätzliche Entwicklungseinheit in Stettin gegründet. Auch in diesem Jahr werden wir noch einige neue Bootsmodelle präsentieren.

Wie sieht die Modell- und Preispolitik bei Bavaria aus?
Michael Müller: Für das Jahr 2021 haben wir unseren neuen Daycruiser Bavaria Vida 33 und bei den Segelyachten die Bavaria C38 bereits im Herbst 2020 vorgestellt. Leider wurden alle Messen abgesagt und wir mussten andere Wege gehen. Alle weiteren Entwicklungsprojekte laufen nach Plan.

Zum ersten Mal in der Geschichte von Bavaria Yachts mussten wir die Grundpreise statt zum 1. August schon zum 1. April erhöhen. Steigende Preise auf den Rohstoffmärkten, Lieferengpässe, höhere Logistikkosten und generelle Materialverfügbarkeit haben diese Maßnahme erforderlich gemacht.
Ein Blick in die Zukunft
Wie ist Ihre Markteinschätzung für Bavaria für 2021 und 2022?
Michael Müller: Für Bavaria Yachts schauen wir sehr positiv in die Zukunft. Der von uns vor zwei Jahren eingeschlagene Weg trägt seine ersten Früchte. Die Marktdynamik tut das Übrige, wir blicken hoch motiviert in die Zukunft.
Schon jetzt sind wir mit unserer Planung weit im Jahr 2022. Der Kunde muss sich also spätestens in diesen Sommer entscheiden, ob er mit einer neuen Bavaria, nach seinen Wünschen gebaut, 2022 in See stechen möchte.

Die Bestellzyklen haben sich komplett verschoben. Früher konnte man noch im Januar Boote für die kommende Saison zusagen. Stand heute sprechen wir von Lieferzeiten von über einem Jahr.
Darauf haben sich unsere Händler gut eingestellt und rechtzeitig Yachten bestellt, die sie jetzt aus ihrem Showroom heraus verkaufen können. So besteht für Kunden noch die Möglichkeit, in diesem Jahr eine neue Bavaria ihr Eigen nennen zu dürfen.
Wie schätzen Sie, Herr Gerhardt, die wirtschaftliche Zukunft für die Hanse Yachts AG ein?
Jens Gerhardt: Bei der Hanse Yachts AG sind wir bis zum Herbst ausgebucht, weshalb wir sehr optimistisch für 2021 und 2022 sind. Corona hat der Yachtszene einen unerwarteten Aufschwung verliehen, der sicherlich noch einige Zeit anhalten wird. Das eigene Boot als sicherer, individueller und luxuriöser Rückzugsort hat eine ganz neue Bedeutung bekommen. Derzeit haben wir das größte Auftragsbuch der Firmengeschichte.
Wird der Boots-Boom auch Ihrer Ansicht nach von Dauer sein?
Michael Müller: Wir glauben, dass der Trend zum eigenen Boot noch länger anhalten wird. Die Menschen wollen ein verlässliches Urlaubsziel, am besten mit dem Auto zu erreichen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man gerne 2.000 km zu seinem Boot fahren möchte oder nur 200 km.

Wichtig ist es, mit dem eigenen Boot die schönen Tage im Jahr erleben zu können. Limitieren werden diesen Trend vielleicht ganz andere Faktoren. Schon jetzt hören wir von langen Wartelisten für Liegeplätze in den deutschen und europäischen Marinas.