Die alte Frage, ob Huhn oder Ei zuerst da waren, lässt sich auch auf die Elektromobilität übertragen. Was also sollte zuerst da sein: elektrische Motorboote oder die dazugehörige Lade-Infrastruktur? Stewart Wilkinson hat sich entschlossen, beides zeitgleich anzugehen – mit zwei Unternehmen.
Vita baut elektrische Motorboote, Aqua stellt in Häfen Ladesäulen für ihre Batterien auf. Der Brite Wilkinson fährt leidenschaftlich gern Boot, und er macht sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Daher hat er sich die Elektrifizierung des Wassersports zur Lebensaufgabe gemacht.
Wilkinson ist auf einer Mission: die gesamte maritime Welt mit elektrischen Ladestationen auszustatten. Alles, was man in einer zeitlichen Distanz von einer bis anderthalb Stunden fährt, könne auch elektrisch gefahren werden, sagt Wilkinson. Eine der neuesten Ladesäulen hat Aqua im Spätsommer 2023 in Cogolin an der Cote D’Azur installiert. Dort sprach float mit Wilkinson über seine Pläne zum Ausbau des Ladenetzes, das natürlich auch nach Deutschland kommen soll.

float: Ein modernes E-Boot an einer Aqua-Säule vollladen dauert etwa eine Dreiviertel- bis zu einer ganzen Stunde. Was macht man eigentlich während dieser Zeit?
Stewart Wilkinson: Die meisten Leute machen eine kurze Pause, trinken einen Kaffee, essen etwas. Wenn man die Batterien nur halbvoll lädt, was oft der Fall ist, muss man sich dafür schon beeilen!
Warum steht jetzt eine Aqua-Ladesäule im Hafen von Cogolin?
Cogolin ist ein fantastischer Ort dafür, die Bucht ist von überall her zugänglich, St. Tropez in der Nähe, St. Maxime in der Nähe. Und das ist unsere Idee: Wir kommen irgendwo hin, wir elektrifizieren die Gegend und die Bootsindustrie kann revolutioniert und dekarbonisiert werden. Und wenn in einem Hafen nicht ausreichend Lade-Kapazität vorhanden ist, produzieren wir den Strom selbst mit Wasserstoff-Generatoren.
Wann hat Aqua damit angefangen?
Aqua begann ursprünglich als Lade-Netzwerk von Vita, dem Bootshersteller. Es startete 2020, als ich Alex Bamberg einstellte, um es aufzubauen. Ich habe das Unternehmen Vita gegründet, um zu zeigen, dass es möglich ist, elektrische Boote zu bauen. Ich bin der Mehrheitsaktionär von beiden Firmen. Und jetzt verbringe ich einen Großteil meiner Zeit mit Aqua. Die beiden Unternehmen werden getrennt voneinander geführt – die einzige Schnittstelle bin ich (lacht).

Kannst du mir die genaue Anzahl der Ladestationen nennen, die ihr derzeit betreibt?
Wir haben bis jetzt etwa 50 Ladesäulen installiert. Es begann vor drei Jahren mit einer Ladestation in Monaco und einer in St. Tropez. Dann in Cannes. Das waren die ersten drei Charger, die wir hatten. Die Verwaltung von St. Tropez hat uns übrigens von Anfang an sehr unterstützt. Momentan konzentrieren wir uns auf die USA, in der Bucht von San Franzisco werden gerade zwei Charger installiert. Und Vita verkauft dort Boote. Auf der Work Boat Show in New Orleans im November waren wir zuletzt präsent, das Interesse war sehr groß.
Was ist eure schwierigste Aufgabe?
Die Herausforderung liegt vor Ort. Alle wollen Ladestationen haben, sie wollen elektrisch fahren, es gibt kaum Widerstand gegen diese Idee, im Vergleich zu dem, was lange bei den Autos hemmte. Die Herausforderung besteht bei uns darin, dass man, wenn man in einem bestimmten Hafen ankommt, Starkstrom haben muss, und dass man klären muss, wo man die Ladesäule aufstellen kann, und dass wir uns auch mit dem Hafen auf eine Konzession einigen müssen. Das kann recht langsam voranschreiten.
Müsst ihr die letzte Meile, also die Starkstrom-Anbindung an die Häfen, finanzieren?
Ja.
Das ist bestimmt sehr teuer …
Nun, das kann es sein und das kann es nicht sein. Ein Yachthafen wie dieser, Cogolin oder St. Tropez ist ideal, weil hier bereits die elektrische Infrastruktur für hohe Ladeleistung vorhanden ist.

Hast du eine Schätzung, wann ihr den Break-even erreicht?
Wir denken, dass der Break-even nach fünf Jahren erreicht ist, je nach Anwendungsfall. Manchmal auch früher. Es ist schwer vorherzusagen, weil die Rentabilitätsschwelle bei reinen Freizeit-Ladern höher liegt, als wenn es ein kommerzieller Charger ist, der von kommerziellen Booten genutzt wird. Zum Beispiel Cogolin: Sie haben hier noch kein elektrisches Arbeitsboot, sondern benzinbetriebene RIBs. Sonst würde sich der neue Lader hier viel schneller amortisieren.
So ist es in Venedig, wo wir Ladestationen für Taxiboote haben. 365 Tage im Jahr nutzen die Taxis dort die Charger – anders als in einem reinen Urlaubsgebiet, wo die Leute die Ladestationen nur in den Sommermonaten intensiv nutzen, in den kälteren Monaten dagegen nicht so sehr.