Wenn man jüngere Leute fragt, dann ist Facebook tot. Es lebe Instagram. Da aber Wassersportler nicht unbedingt immer ganz hip sind, gibt es gerade für Segler interessante Gruppen auf Facebook. Hier werden leidenschaftlich verschiedenste Themen diskutiert – mitunter sehr leidenschaftlich. Zum Beispiel darüber, was beim Segeln schiefgehen kann. Ganz aktuell ist der von Erwin Haas kürzlich gestartete Thread mit der Überschrift „Wie beschädige ich am besten ein Schiff“.
Wollt ihr euch an einem Vercharterer rächen? Oder sucht ihr nach Möglichkeiten, das angemietete Boot in einem möglichst katastrophalen Zustand zurückzugeben? Dann finden sich hier „hilfreiche“ Tipps aus der Praxis. Wer diese anwenden will, sollte in jedem Fall vorher sicherstellen, dass eins von beidem zutrifft: Ihr habt genug Geld in eurer persönlichen Rücklage. Oder: Eure Versicherung ist bereit, auch bei ganz grobem Unfug zu zahlen.
Die Sinnfrage für Vercharterer
Ich persönlich habe den Beitrag mit seinen (Stand heute) 54 Kommentaren komplett gelesen. Und ich schwankte zwischen Lachen, Schockstarre und dem Wiedererkennen von bereits Erlebtem. Als Vercharterer wird man sich beim Lesen dieser Gemeinschaftsleistung auf Facebook vielleicht die Sinnfrage stellen. Und sich überlegen, den Charterbetrieb aufzugeben, um stattdessen fern der Küsten im Binnenland eine Bäckerei zu eröffnen.
Die Segeln-Gruppe hat jedenfalls eine sehr schöne Sammlung skurriler Ratschläge zusammengetragen. Einige meiner persönlichen Lieblinge möchte ich hier kurz zitieren:
Ohne Handschuhe erfühlt man das Alter der Muscheln an der Mooring am besten.
Anbrüllen ist 80er. Moderne Skipper schlagen direkt zu.
Verwende den richtigen Knoten und mache ihn ordentlich fest… an der Leiter… in der Schleuse.
Sorge dafür, dass die Crewmitglieder Hartschalenkoffer verwenden. Reise- und Segeltaschen sind was für Weicheier. Schuhe mit färbender Sohle sind die Graffitisprays der modernen Schifffahrtskunst.
Das Tempo wird fünf Meter vor der Pier wie folgt gewählt: Knappes Vollgas, das lädt die Batterien auch beim Anlanden top auf!
Hafenkino veranstalten immer die anderen
Die ach so erfahrenen Charter-Skipper genießen es immer wieder, bei einem Anlegeschluck an Deck zu sitzen, das Hafenkino der anderen zu beobachten und dabei lautstark zu lästern. Einem selbst passiert so etwas ja nie. Hups! Da fällt mir ein, wie ich selbst schon mal ein Seitenfenster der Nachbaryacht mit meinem Anker „geöffnet“ habe. Aber das verschweige ich hier jetzt besser.
Wobei ich mich an dieser Stelle auch outen möchte: Ich kann mich daran erinnern, in einem dänischen Hafen die Crew einer Yacht rund 45 Minuten beim Anlegemanöver beobachtet zu haben. Die guten Menschen wollten neben meiner Charteryacht festmachen. Die Crew versuchte, römisch-katholisch anlegen. Alle anderen Boote lagen aber, Dänemark-typisch, mit dem Bug voran in den Boxen. Die Schwierigkeit war, den richtigen Abstand von der Badeplattform zum Steg zu bekommen.
Mindestens zehnmal wurden die Bugleinen gelöst. Es wurde unter Motor versucht zu korrigieren und neu vertäut. Beschädigt wurde dabei nichts, und angestrengt wurde höchstens meine Lachmuskulatur. Da haben wir es nun: Eigentlich hat die Crew alles richtig gemacht – mühevoll und langsam, aber richtig. Das fällt unter den Begriff Erfahrungen sammeln. Vielleicht sah für andere mein erstes Anlegemanöver im Flensburger Hafen ähnlich lustig aus. Es war eine 36-Fuß-Segelyacht, und ich kann mich noch an die Schweißperlen auf meiner Stirn erinnern.
Jeder hat einmal sein erstes Boot gechartert, um mit einer gewissen Grundnervosität in See zu stechen. Es kann beim Navigieren von Booten einiges schief- und eventuell auch kaputtgehen. Daher gehören Schäden an Schiffen auch zum Alltag eines Vercharterers, die individuell betrachtet und reguliert werden.
Aus dem Nähkästchen geplaudert
float hat Charterunternehmer befragt, womit die Profis in der Praxis zu kämpfen haben. So konnte Thomas Richter von MOLA beispielsweise berichten, dass es in der gesamten Zeit, seit er Boote verchartert, noch nie einen Totalverlust gegeben hat. Zum Glück. Denn in seinem Bestand sind aktuell mehr als 200 Yachten. Zu den größeren Schäden an Booten, so berichtet Richter, gehören in der Regel die unsanften Berührungen mit dem Meeresgrund. Insbesondere Schäden am Ruder sind besonders unangenehm und müssen aufwändig repariert werden.
Ein Klassiker des Scheiterns (also ein „Fail“, wie man das heute nennt) sind ordentlich an der Reling festgezurrten Fender in Verbindung mit einem schwungvollen Ein- oder Ausparkmanöver an der Box. Frei nach der Weisheit „Der Klügere gibt nach“ verabschieden sich dann schon einmal die Relingsstützen aus ihren Verankerungen.
Froh sein können alle, die ein eigenes Boot besitzen, wenn sie havarieren. Denn wer beim Durchfahren der sich schließenden Zugbrücke feststellt, dass der eigene Mast höher ist als die Restöffnung, braucht sich mit keinem Charterunternehmen über den Schaden zu streiten. Das bezahlt man in jedem Fall genüsslich selbst.
Macht Schaden klug?
Die ernste Frage hinter dem Feixen lautet sicherlich: Wie lassen sich Schäden vermeiden? Es wird sich nie alles Unbill vermeiden lassen. Aber vorausschauendes Handeln und Erfahrung, gepaart mit guter Seemannschaft, können die Gefahr reduzieren, Schaden zu erleiden. Es ist ja manchmal auch unterhaltsam, andere bei deren Fehlern zu beobachten. Das ist sicherlich nicht nett, aber doch sehr menschlich. Wir sollten uns alle an die eigene Nase packen. Ich denke, es wird keiner sagen können: „Mir ist noch nie etwas Dämliches auf dem Wasser passiert.“ Und Erwin Haas hat selbst als Vercharterer auf den Kapverden professionell mit Mitseglern zu tun.
Im erwähnten Facebook-Thread kam auch die Idee auf, aus den zusammengetragenen Bemerkungen ein kleines Lehrbuch für Segler zu machen. Dieser Gedanke gefällt mir persönlich gut. Als vorangestelltes Motto könnte Folgendes taugen: „Und immer schön die Wäsche auf den Relingsdraht hängen, denn das vergrößert die Segelfläche.“
Schäden an Booten kommen nicht so oft vor, wie die Berichte darüber vermuten lassen. Das weiß Anne Heinrich, die Geschäftsführerin von Mediamare Yachtcharter. Auf der Sollseite nennt sie eine verlorene Schiffsschraube und Schäden an der Ruderanlage. Aber auch einen Totalschaden hatte Anne Heinrich zu verzeichnen: „Das komplette Schiff war verformt, und der Kiel sah aus wie geschmolzene Schokolade.“ Da hatte die Segelyacht unangenehme Bekanntschaft mit den Bornholmer Felsen gemacht. Der Kunde hatte anfangs angegeben, in einem Wellental im Greifswalder Bodden eine Grundberührung gehabt zu haben. Irgendwann rückte er dann doch mit der Sprache heraus.
Zum Glück kommen in den seltensten Fällen Personen zu Schaden. Lasst uns also über Hartschalenkoffer und vergessene Landstrom-Anschlüsse lachen. So lange keinem Menschen etwas passiert, ist eigentlich alles gut. Das meiste, was beim Segeln schiefgehen kann, lässt sich mit den üblichen Versicherungen begleichen. Das ist für die Betroffenen ärgerlich. Und es bietet besten Nährboden für interessante Facebook-Posts.
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