Leo beginnt den Rundgang mit seiner neuen kardanisch aufgehängten Kamera in der Werkstatt im ersten Stock des Gebäudes neben der Bootshalle. Von hier führt eine Stiege hinauf in sein Büro und eine Brücke direkt auf die Plattform in Deckshöhe neben der Tally Ho. An Deck arbeiten Clifton und Pete an den Rahmen für die Skylights.
Aber zunächst geht es wieder ein Stockwerk tiefer. Hier steht seine neueste Errungenschaft: Tally Hos Batterie-Bank, bestehend aus acht Lithium-Ionen-Phosphat-Batterien von 200 Ah für den speziellen Diesel-Hybrid-Antrieb.

Leicht, sehr kraftvoll und vor allem brandsicher – jede ein kleines Vermögen wert. Zum ersten Mal macht Leo daher richtige Werbung: Der VPN-Anbieter Surfshark hat zwei dieser „süßen“ Batterien gesponsort.
Alte Planken als gutes Omen
Neuzugang George, der „Teak Manipulator“, hobelt die alten Planken und verspundet die alten Nagellöcher. So bleiben doch noch ein paar Teile der alten Tally Ho in dem Quasi-Neubau, ein gutes Omen.
Die Bretter werden verleimt und zu Kojenbrettern verarbeitet, schöne Raumelemente, die die Kojen seitlich abgrenzen und Schläfer vor dem Herausrollen schützen. Bei hohem Seegang können zusätzlich Leesegel aufgezogen werden. Dem Volunteer macht die Arbeit in dem Team sichtlich Spaß.
Bootsbau-Veteran Richard ist schon „seit Monaten“ mit dem Bau der Kojen beschäftigt, wie er verschmitzt erzählt. Er ist Vollprofi, das merkt man bei jeder seiner Arbeiten. Mit dem Jig-Stick, seiner Messlatte, die er anstatt eines Zollstocks benutzt, ist der „Jig Wizard of First Order“, der Schablonen-Zauberer erster Ordnung. Immer ganz genau, wenn es ums Anpassen beispielsweise eines Schubladenrahmens für die Werkbank im Vorschiff geht.


Seelenbretter im Vorschiff
In der Forepeak (also im Vorschiff) ist auch Patty zugange. Der „Soleboard-Whisperer“ (Bodenbretter-Flüsterer, klingt im Englischen wie Soulboards, also Seelenbretter) baut den Fußboden im Vorschiff. Am Rand sind die Böden fest eingeschraubt und in der Mitte herausnehmbar. Sie sind aus starkem Kiefernholz, das auf Lagern aus Purple-Heart-Holz aufliegt.
Die Wände oder Schotten für den Toilettenraum sind auch aus Kiefer. Die Toilette auf einer Yacht heißt im englischen „Head“, warum, weiß man nicht genau. Das Schott heißt „Bulkhead“.
Dafür, dass kein Holzstück dem anderen gleicht, kassiert er ein dickes Lob von Leo.
Eine Schwelle für die Skylights
Skylights heißen die Oberlichter, die giebelförmig auf klassischen Yachten sitzen und sich öffnen lassen. Pete und Clifton bauen dafür die Rahmen oder Schwellen (Sills), mit denen sie mit dem Deck verbunden sind. Sie fangen mit der größten an, die über der Messe, dem großen Gemeinschafts- und Essraum, sitzt. Diese Schwelle hat eine sehr spezielle Form, mit Falz (Rabbit) und Dichtung (Gasket), denn das Skylight soll abnehmbar sein.
Außerdem bekommt sie eine konkave Außenrundung, damit das Wasser nicht in einer Kante stehen bleiben kann. Da das Deck einen leichten „Deckssprung“ (also eine leichte Kurve) zum Bug und Heck hin hat, muss auch diese Form ausgehobelt werden, ein Job für Clifton, den „Shaping Specialist“ mit den Hammer-Händen.
Für die Eckverbindungen in Gehrungsform ist wiederum Pete zuständig. Eigentlich Tischlerarbeit, aber auch die muss ein echter Shipwright (Schiffszimmerer) beherrschen. „Wir wollen kein außen liegendes Hirnholz sehen!“ Am Ende muss er noch schnell das Endstück für den Ballast-Kiel aus Purple Heart bauen, etwa 100 x 30 x 20 cm, 20 kg schwer und an drei Seiten geformt. Das ist dann wieder richtige Schiffszimmerer-Arbeit und nach seinem Geschmack. Well done, Pete!
Niedergang mit Ablaufrinne
Der vordere Teil der klassischen Yacht nimmt immer mehr Form an. Die Messe kann allerdings noch nicht gebaut werden, weil noch Wassertanks unter dem Boden installiert werden sollen. Der hintere Teil des Schiffes, in dem der Antrieb und sehr viel entsprechende Technik untergebracht sein wird, ist noch ziemlich leer.
Immerhin steht der Motor schon drin. Davor möchte Leo seine kostbare Neuerwerbung, die acht Lithium-Ionen-Phosphat-Batterien, unterbringen. Sie sollen genau unter dem Niedergang vor der Maschine stehen und gut zugänglich sein.
Backbord sind sie gegen die Lotsenkoje-Schlafkammer abgeschottet. An Steuerbord soll ein festes Schott mit Kontrollpanel sitzen. Hinten steht der Motor. Also muss der Zugang über die Niedergangs-Treppe erfolgen.
Hierfür hat Tüftler Leo sich ein ganz spezielles System mit zwei geteilten Treppenelementen ausgedacht, das eine Dichtung und eine Wasserablaufrinne (Gutter) beinhaltet. Denn es kann immer mal eine Dusche vom Wellenschlag den Niedergang herabrauschen. Seine Erklärung klingt etwas kompliziert, aber wir werden in den nächsten Videos die Entstehung verfolgen können.

Jetzt ist es wieder mal „Time to say Goodbye“. Leo ist stolz auf sein Team und die Fortschritte an der Tally Ho. Er verabschiedet sich wie immer mit einem „gewaltigen Dankeschön an alle Unterstützer. See you next time“.
Ein bisschen Background
Seit 2017 arbeitet der Bootsbauer Leo Sampson Goolden aus Süd-England bereits an dem Wiederaufbau der Tally Ho, einem Albert-Strange-Design von 1909. Der Rennkutter gewann 1927 das Fastnet Race, wäre aber nach wechselhafter Geschichte beinahe in Oregon der Kettensäge zum Opfer gefallen.
Die Albert Strange Association suchte einen Bootsbauer für das Projekt und hat in Leo offensichtlich den richtigen Mann gefunden. Er ist gut organisiert, ein exzellenter Handwerker und schafft es, die richtigen Leute um sich zu scharen, um das Projekt zu realisieren.
Vor allem produziert er seit langem regelmäßig Videos seiner Segel-Abenteuer, angefangen mit dem Atlantiktörn mit seinem Folkeboot Lorena bis zu der gesamten Dokumentation des Tally-Ho-Projektes. Durch eine weltweite Fangemeinde bekommt er genug finanzielle Mittel zusammen, um sich gute Werkzeuge, Materialien wie Teakholz, Spruce, Bronze allererster Güte und inzwischen drei fest angestellte Bootsbauer zu leisten.
Außerdem wird er von zahlreichen privaten Fans und Firmen gesponsort und bekommt kostenlose Hilfe von verschiedenen Yacht-Spezialisten. Freiwillige Helfer, die gerne etwas in den Bootsbau hereinschnuppern wollen, vervollständigen sein Team.
Angefangen hatte er das Projekt in Sequim auf dem Hof von Freunden, ist aber inzwischen nach Port Townsend in Washington umgezogen, einem Mekka für klassische Boote, Yachten und Fischer an der äußersten Nordwest-Ecke der USA. Von der originalen Tally Ho ist nicht viel mehr übrig als der Heck-Spiegel und ein paar Planken für den Innenausbau.