Fast so alt wie die Schifffahrt: Als 1877 die berühmte Werft Blohm + Voss gegründet wurde, rüstete Amandus Wilhelm Niemeyer bereits seit 15 Jahren Schiffe im Hamburger Hafen aus. Sein Unternehmen ist sogar viel älter: Die Ursprünge von A. W. Niemeyer gehen auf das Jahr 1745 zurück. Und heute gibt es AWN immer noch: als nach eigenen Angaben größten Yacht- und Bootsausrüster in Europa. Der aktuellste Streich: Eröffnung eines Pop-Up-Stores mitten in der größten Hamburger Mall.
Der lange Weg von der Eisengießerei zum umtriebigen Händler für alles, was Wassersportler an und unter Deck brauchen, war nicht nur geradlinig. Erst vor wenigen Jahren wurde das Unternehmen zweimal komplett umgekrempelt. Nach dem Siegeszug des Online-Vertriebs befand die Geschäftsleitung, große Geschäfte hätten keine Zukunft mehr – und versuchte den Wandel hin zum reinen Internet-Shop.

Doch dieser Versuch scheiterte, der Umsatz sank rapide, die Onliner flogen über Bord. AWN holte sich mit Christoph Steinkuhl einen Verkaufs- und Handelsprofi auf die Kommandobrücke. Und der warf sofort das Ruder herum: Multi-Channel-Vertrieb ist von nun an das Schlagwort. Und damit genießt der langjährige Tchibo-Manager das Vertrauen des Inhabers Christoph Kroschke.
Kroschke, bekannt durch den gleichnamigen bundesweiten Kfz-Zulassungsdienst, ist Eigner von A. W. Niemeyer. Steinkuhls aktuellster Streich kam vor wenigen Tagen: Die Eröffnung eines Pop-Up-Stores mitten in Hamburgs größter Mall, dem Elbe-Einkaufszentrum im noblen Westen der Hansestadt.
Wir sprachen mit Christoph Steinkuhl direkt nach der offziellen Eröffnung – zum „Schnittchentermin“.
„Die absolute Blaupause“
float: AWN im Einkaufszentrum – ist das einfach nur ein PR-Gag, oder was soll das werden?
Christoph Steinkuhl: Das ist ein Pop-Up-Store, er schließt zum 30. September. Das wurde von Anfang an gut angenommen, alle finden das Konzept spannend. Auch der Center-Manager sagt: „Das hatten wir noch nie im Elbe Einkaufszentrum.“ Wir haben hier Elbnähe, also Wassernähe – für mich ist das die absolute Blaupause.
Wenn das funktioniert, dann ist das für mich eine Vorlage für die Dinge, die ich überall tun kann. Das hat natürlich etwas mit Kapazitäten und Budgets zu tun. Wo gehe ich also hin? Gehe ich ins Einkaufszentrum, in Möbel-Malls? Wir werden am 24. Juni noch einen Shop eröffnen an der holländischen Grenze. Da sind wir genau an der Grenze bei Roermond, es ist das größte Einkaufszentrum in ganz Europa. Das kann man multiplizieren in ganz Deutschland.
Zwischen Kleiderständern und Booten ist ja viel Platz. Kommt da noch ein Bassin zum Probefahren?
Steinkuhl: Wir haben bewusst Platz gelassen – wegen Corona, und einige Boote rausgefahren. Normalerweise stehen hier deutlich mehr Boote drin, zum Beispiel unser aktuelles Aktionsboot für 7.999 Euro. Das ist das Susi-Sorglos-Paket. Das heißt: Boot auf Trailer, mit 15-PS-Motor, komplett konfiguriert und führerscheinfrei. Und, ganz wichtig, dazu ein angemeldeter und versicherter Anhänger. Sie kriegen ja als Endverbraucher bei den Zulassungsstellen zurzeit keinen Termin, um etwas anzumelden!
Sofort aufs Wasser
Steinkuhl: Da wir Teil der Kroschke-Holding sind, habe ich natürlich meinen Inhaber angerufen. Ich brauche sofort elf Anmeldungen für Anhänger und Boote. Und die sind hier, und Sie können sofort aufs Wasser. Das ist das Netzwerk. Das mache ich in vier Wochen wieder. Dann haben wir das neue Aktionsboot Ocean Bay 430 Open für 8.999 Euro, mit zusätzlichem Bimini, eingebautem Garmin Plotter und Elektropaket.
Käufer sind in der Regel Neueinsteiger für den Wassersport, die helfen der ganzen Branche, statten sich aus und kaufen Zubehör. Bei uns gibt’s Boote nur im Einstiegsbereich, also von 4,30 bis 7,50 Metern Länge, und alles trailerbar. Bei größeren Booten haben andere deutlich mehr Kompetenzen, das sind wir einfach nicht, das will ich auch gar nicht. Für uns ist das Boot ein Mittel zum Zweck.
Corona hat Ihnen ja viel neues Publikum gebracht …
Steinkuhl: Ja, das muss ich offen sagen. Wir haben natürlich auch gelitten unter Corona. Wir hatten etwas über vier Monate unsere Geschäfte geschlossen. Dann kam im März 2020 die Hamburg Boat Show – ehemals Hanseboot – erstmalig unter der Flagge von AWN. Doch 24 Stunden später kommt die Polizei und schließt alles wegen Corona. Wir haben dann wieder die Öffnung erreicht, wegen unserer Systemrelevanz, das war nicht ganz einfach.
AWN durfte im Lockdown öffnen
Aber es hat nicht so viel genützt, weil die Kunden gar nicht gewusst haben, dass unsere Läden auf sind, weil alles andere geschlossen war. Und was hätte der Kunde auch machen können, beispielsweise mit zwölf Dosen Antifouling? Sie hätten es nur zu Hause lagern können, weil die Häfen alle geschlossen waren. Die Kunden kamen gar nicht zu ihren Booten. Das hat uns also doppelt getroffen. Doch Trübsal blasen ist keine Option, wir haben die Hebel auf den Tisch gelegt.