Gibt es auch Nicht-Wassersportler unter Ihren Kunden?
Steinkuhl: Schauen Sie unsere Aktion an: Da gab es 70 Prozent Neueinsteiger. Noch ein Beispiel: Mich hat jemand angerufen, der eines der Susi-Sorglos-Boote kaufen wollte. Er war todtraurig, dass keins mehr aus der Aktion zu haben war. Er war zu spät dran. Von Tchibo weiß ich: Knappes Gut ist sexy. Er sagt: „Ich will dieses Boot kaufen.“ Ich sage: „Sorry, ich hab’ keins mehr,“
70 Prozent Neueinsteiger durch Corona
Dann kamen wir ins Gespräch. Ich fragte ihn, warum er denn nun unbedingt mit Gewalt dieses Boot kaufen muss. Er sagt: „Corona-Zeiten, ich darf nicht reisen, ich habe vier Kinder, an der Ostsee an der Schlei habe ich einen großen Wohnwagen und einen Dauerstellplatz. Ich muss jetzt mit meinen Kindern sechs Wochen Ferien verbringen und den ganzen Tag aufs Wasser gucken.“

Obwohl er kein Wassersportler war, wollte er etwas Spaß auf dem Wasser haben. Dem haben wir dann geholfen … Das sind neue Kunden.
Schicken Sie die auch gleich zur nächsten Bootsschule?
Steinkuhl: Wir haben eine eigene Skipper-Akademie, die wir mit einem Partner betreiben. Im zweiten Quartal nächstes Jahr haben Sie noch eine Chance. Es boomt.
„Online only“ hat nicht funktioniert
Eine Weile hat es ja nicht so geboomt, als der AWN-Partner Hanse Ventures die Online-Offensive vergeigte …
Steinkuhl: Man hat mich geholt, als diese Zeit beendet war. Das lief damals für AWN nicht gut. Hanse Ventures ist ein Unternehmen, das Start-Ups hilft. AWN ist mit 276 Jahren kein Start-Up, das beißt sich. Es war eine Unternehmensentscheidung, online only zu machen. Und ein guter Unternehmer trifft dann eine Entscheidung: „Okay, es funktioniert nicht, ich ändere die Richtung wieder.“ Das hat Herr Kroschke nach drei Jahren gemacht, und davor ziehe ich meinen Hut.
Online-Händler haben ihre liebe Not mit Retouren. Was geht bei AWN am häufigsten zurück?
Steinkuhl: Kommen Sie Ende März in unserem Lager vorbei. Regelmäßig zu Beginn der Saison haben wir schlecht verpackte Anti-Fouling-Dosen. Das ist eins der größten Probleme, das wir haben. Ansonsten hält sich das Problem Retouren in engen Grenzen bei uns. Denn wir arbeiten zu 85 bis 90 Prozent mit Markenartiklern zusammen. Auch für unsere Exklusivmarken gilt: Um das Vertrauen des Endverbrauchers zu erwerben, muss der Qualitätsanspruch mindestens gleichwertig oder höher sein.
Was ist eigentlich der größte Artikel im AWN-Universum?
Steinkuhl: Der größte ist das 7,50-Meter-OceanBay-Schiff, da hinten steht es.
Und der kleinste?
Steinkuhl: Eine Unterlegscheibe, Durchmesser 0,5 Millimeter, zum Preis von 49 Cent oder so. Jetzt haben Sie mich erwischt (lacht). Wenn ich über 22.000 Artikel aus dem Kopf wüsste mit Preisen, könnte ich die Zukunft vorhersagen.
Sicher haben Sie für Ihre Zeit bei Tchibo nicht extra das Kaffeetrinken lernen müssen. Aber haben Sie segeln gelernt für AWN?
Steinkuhl: Bei meiner Antrittsrede wurde ich gefragt: Sind Sie denn Wassersportler? Die Frage habe ich ganz klar mit „Ja“ beantwortet, weil ich schwimmen kann. Damit fängt bei mir der Wassersport an. Ich bin kein Segler, bin mittlerweile leidenschaftlicher Motorbootfahrer, das ist nämlich extrem einfach. Ich habe noch keinen Führerschein. Ich weiß, ich muss daran arbeiten (lacht).
Ein Job wie ein Dompteur
Aber ich glaube, in unserem Haus gibt es so viel Fachkompetenz, dass ich das nicht auch noch können muss. Ich liebe den Handel, ich kann und will nur handeln. Handel ist extrem herausfordernd, weil Sie es mit unglaublich unterschiedlichen Menschen zu tun haben. Sie haben es mit Menschen zu tun, die für ihr Hobby sparen. Andere haben in dritter Generation ein Boot in der Familie. Und es gibt Neueinsteiger. Das zu managen, ist ein Job wie ein Dompteur.
Was ist Ihre einschneidendste Dompteurs-Erfahrung bei AWN?
Steinkuhl: Ich musste lernen, dass die Branche sich als Mikrokosmos sieht – egal, ob von Kunden-, Hersteller- oder Händlerseite. Und dass sie von sich immer behauptet: „Das sind spezielle Gesetze, weil wir so eine kleine Branche sind.“
Doch die Probleme und Aufgaben sind die gleichen wie anderswo in der Freizeitindustrie. Wie bekomme ich die richtige Ware in der richtigen Qualität zum richtigen Preis zum richtigen Kunden? Das ist es!
Am 24. Juni eröffnet A. W. Niemeyer seinen Yacht-Shop an der holländischen Grenze in Wassenberg, Forster Weg 38.