„Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. / Naturgewordene Planken / Sind Schiffe – ihr Anblick erhellt. / Und weitet unsere Gedanken.“ Diesen letzten, leicht geänderten Vers des Gedichts „Segelschiffe“ von Joachim Ringelnatz stellt der in Weißenthurm am Rhein geborene Henry Albrecht auf seiner Website voran. Er hängt besonders dann seinen Gedanken nach, wenn er während der Hamburger Bootsmesse direkt an der Elbe wohnt und morgens beim Spazierengehen auf dem Deich die riesigen Containerschiffe vorbeiziehen sieht. „Dann sehe ich vor meinem geistigen Auge, dass jetzt mal die ‚Hanseatic‘ vorbeifahren müsste“, sagt Albrecht, der das vor Jahrzehnten in Hamburg beheimatete Passagierschiff der Deutschen Atlantic-Linie in seiner Jugend kennengelernt hat. „Das waren noch Schiffe“, erinnert er sich ein bisschen wehmütig, „mit einem ganz besonderen Flair.“
Die Liebe zu den Schiffen vergangener Epochen ist dem Grafikdesigner schon in die Wiege gelegt worden. Seine Eltern und Großeltern waren Rheinschiffer. Er ist praktisch auf dem Rhein groß geworden: Ab der Geburt bis zum Beginn der Schule ist er nur auf dem Schiff seines Vaters mitgefahren. So hat Henry Albrecht zwar nicht die See-, aber die Binnenschifffahrt von Kindesbeinen an erlebt. Die holländische Küste und deren Häfen waren sein Mittelpunkt, dort faszinierten ihn die großen Schiffe in Rotterdam, Amsterdam oder Antwerpen. Verständlich, dass er eigentlich zunächst die Schifffahrt zu seinem Beruf machen wollte.
„Lass das bloß sein. Das wird nichts werden. Such’ Dir einen anständigen Beruf.“
Das, was er damals sah und das ihn in den Bann zog, wollte er früh festhalten, und so hat er schon als kleiner Junge angefangen zu zeichnen, hat die Schiffe an ihren äußeren Merkmalen erkennen gelernt, sich viele Details gemerkt und die Reedereien und deren Schiffe beispielsweise an den Schornsteinmarken zuordnen können. „Irgendwo ist das dann natürlich hängen geblieben“, sagt er.
Papa riet eindringlich von der Seefahrt ab
Aber zunächst wollte er ja die praktische Schifffahrt zu seinem Beruf machen und lag seinem Vater in den Ohren, dass er zur See fahren wolle. Er erinnert sich noch genau an die damalige Situation, die seinem angestrebten beruflichen Werdegang eine gänzlich andere Richtung weisen sollte. Das war in Rotterdam: Sie lagen neben einem ganz großen Dampfer, da ist er mit seinem Vater das Fallreep hochgestiegen, hat Matrosen interviewt und mit denen über seinen Berufswunsch gesprochen. Die haben ihm aber eindringlich abgeraten: „Lass das bloß sein. Das wird nichts werden. Such’ Dir einen anständigen Beruf.“
Da er aber eine Grundbegabung für das Zeichnen hatte, lernte Albrecht zunächst in Koblenz an einer Fachschule für Gestaltung Grafikdesign und war in diesem Beruf in Firmen, Werbeagenturen und einem Industrieunternehmen im Marketing und in der Werbung tätig. Zeichnen gehörte dazu, allerdings meist Themen aus dem medizinischen Bereich. Das Maritime war sein Zeitvertreib am Wochenende. Außerdem sammelte er Fotos, Bücher, Modelle und andere Artefakte rund ums Meer.
Von Deutschland bis Kalkutta
Bis 1985 hat er Ausstellungen zunächst als Hobby gemacht, meist in seiner Heimatregion. Ab 1986 beteiligte er sich regelmäßig an der Ausstellung art maritim bei der hanseboot in Hamburg und anderen in Norddeutschland, etwa auf der „Rickmer Rickmers“ oder im Verkehrsmuseum Dresden. Seit er im Ruhestand ist, widmet er sich der klassischen Marinemalerei noch intensiver und ist in dieser Form der Schifffahrt treu geblieben, wie er betont. Die Neigung aus seiner Kindheit zum Zeichnen maritimer Motive hat ihn nie losgelassen – er hat sie während zahlreicher Schiffsreisen und Besuche von Hafenstädten in Deutschland, Europa und Übersee noch vertieft.
So erwarb er sich ein breites Spektrum von Kenntnissen und Impressionen der maritimen Szene. Inzwischen sind die Bilder des Mitglieds im Forum der deutschen Marinemaler und der World-Ship-Society in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen zu sehen und auch in vielen Büchern und Magazinen veröffentlicht, die sich mit der Schifffahrt befassen.
Wie die meisten Marinemaler nutzt Albrecht hauptsächlich Fotografien als Vorlage für seine Werke, da die Schiffe ja sehr realistisch dargestellt werden sollen. Ohne detailgetreues Bildmaterial wäre das nicht möglich, vor allem bei historischen Schiffen.
Die Komposition allerdings ist dann oft frei. Gelegentlich wollen seine Auftraggeber ganz ausgefallene Sachen haben. Ein Beispiel erzählt er dazu besonders gerne: Ein Auftraggeber ist bei der Reederei Hansa in Bremen gefahren und konnte sich erinnern, dass sie einmal in Kalkutta ausgelaufen sind. Ein Bild mit „seinem“ Schiff, wie es aus Kalkutta ausläuft, würde er gerne haben. Ob das ginge? Von den Schiffen hat Albrecht in aller Regel selbst ein Foto. Dann macht er sich kundig, wie der Hafen von Kalkutta in den 1950er- oder 1960er-Jahren ausgesehen hat. In Abstimmung mit dem Auftraggeber kommt die Umsetzung des Werks dann zustande.
Neben Öl, Bleistift, Feder oder Tusche setzt Albrecht häufig die Gouache-Technik auf Malkarton ein. Gouache, ein wasserlösliches, deckendes Farbmittel, ermöglicht eine sehr feine und detaillierte Darstellung. Auf Leinwand sei das immer etwas schwieriger, da der Untergrund grober sei und das Gemälde dann nicht so präzise würde, so der Marinemaler.
Ein anderer Auftraggeber hatte selbst ein Schiff auf der Elbe, ist heute aber pensioniert und segelt. Sein Segelboot muss unbedingt im Vordergrund des Bildes sein. Auch das ist machbar für Henry Albrecht.
Mehr von Henry Albrechts Kunst zeigt seine Website www.henry-albrecht.de