Leo hat die letzten Wochen bei seiner Familie und Freunden im englischen Bristol verbracht. Bevor er wieder an die Arbeit geht, hat er sich mit Freundin Francesca, genannt Cecca, und ein paar Freunden noch ein paar Tage Segelurlaub an der türkischen Mittelmeerküste gegönnt. Ein Kaufmann aus den USA hat ihnen für wenig Geld seine 2013 in der Türkei gebaute holländische Alu-Sloop überlassen. Das ist seine Art der Unterstützung des Tally Ho-Projekts.
Es macht der Crew sichtlich Freude, so ein modernes Boot im Retro-Design zu segeln. Noch mehr Freude macht der Bade-Urlaub, und sogar der abschließende Bootsputz wird zum Vergnügen. Ein kleiner Zwischenstopp in Bristol mit einer OP im Gesicht verschafft Leo ein blaues Auge. Aber das ficht ihn nicht an.
Kurz darauf steht er wieder auf seiner Werft in Sequim im US-Staat Washington, wo der Wiederaufbau des von Albert Strange entworfenen Lotsenkutters „Tally Ho“ weitergeht.
Ein paar Tage Ruhe zum Aufräumen
Nicht nur Papageien-Dame Poncho freut sich über das Wiedersehen, auch Cecca ist wieder mit von der Partie. Ein paar Tage Ruhe bleibt ihnen zum Aufräumen, Holz ölen und Vorbereiten – und für kleine Verbesserungen, die das Wohlbefinden bei der Arbeit erhöhen.
Wieder kommen zwei neue freiwillige Helfer, die bekannten Volunteers, ohne die Leo sein Projekt nicht wuppen könnte. Sie profitieren genauso davon, indem sie etwas vom Holzschiffsbau dazulernen und dabei Spaß haben.
Jack hat irische Wurzeln, kommt aus New York und ist Segler und Messerschmied. Er kommt gerade von einer dreimonatigen Pazifiktour und versteht etwas von Schlosserei, Holzhandwerk und von Booten – eine Idealbesetzung. Joe aus Ohio ist etwas älter, hat in der Türkei Englisch gelehrt und Kanus in Näh-Klebetechnik gebaut. Das neue Team macht sich, nach kurzer Einarbeitung, gut.
Die bewährte Nagelmethode
Zunächst zeigt ihnen Leo, wie man mit seiner bewährten Nagelmethode Modelle für die Spanten vom Schnürboden abnimmt, um später aus dem Krummholz am Holzlagerplatz die richtigen Stücke auszusuchen und zuzuschneiden. Leo maßt derweil mit akkurater Schnürbodenarbeit die Vorstevenkonstruktion auf.
Er muss den Steven aus vier Stücken bauen anstatt wie vorher aus dreien. Denn er möchte Kernholz vermeiden. Das könnte zu Rissen führen, in die Wasser eindringt. Das wiederum ließe das Holz rotten.
Das Purple-Heart-Holz ist sehr gut und fast fehlerfrei. Aber es ist schwierig, ausreichend lange starke Stücke zu finden. Bevor mit dem Bau neuer Schablonen begonnen werden kann, muss erst einmal der Weg frei gemacht und der alte Vorsteven entfernt werden. Vorsichtig müssen alle Verbindungen gelöst werden von Knightsheads, Frame Heels und Hoods (das sind verschiedene Längs- und Querverbandshölzer). Viele Props genannte Stützen werden gesetzt, dazu werden innere Versteifungen eingebaut, damit der Rumpf in Form bleibt.
Ein Teil des Rückgrats
Der Vorsteven ist ein Teil des Rückgrats, der Centerline des Boots. Die Planken und Spanten sind drumherum gebaut. Das macht das Entfernen so schwierig. Joe und Jack zersägen die alten Stahl-Bodenwrangen, die Verbindung von Spanten und Kiel. Alle Bolzen und Schrauben bearbeiten sie mit dem Elektrofuchsschwanz als wenn es Holz wäre. Und bald ist der Steven frei. Vorbildlich sind sie dabei mit Helm und dicken Staubmasken ausgestattet. Leo sorgt sich – um und für seine Leute.
Nun müssen noch die Planken vorne vorsichtig auseinander gefächert werden. Wie das Maul eines auf der Seite liegenden Wals öffnet sich der Rumpf vorne und gibt den Steven frei. Hier zeigt sich, aus wie vielen exakt aneinander angepassten Verbundteilen dieser mehr als 100 Jahre alte Rumpf besteht.
Joe und Jack sogen dafür, dass alles rollt
Erst wird vorsichtig mit dem Gabelstapler der obere Teil des Stevens entfernt. Am nächsten Tag folgt, nach sorgfältiger Vorarbeit, der gesamte untere Teil in Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Der Stapler zieht den Steven an einem Gurt hängend heraus. Unten sorgen J. und J. mit Eisenrohren dafür, dass alles rollt und nicht zu viel Reibung entsteht. Der Rumpf ist aber so gut ausgesteift und abgepallt (also abgestützt), dass kaum etwas schief gehen kann.
Es klappt dann auch alles reibungslos. Der alte Vorsteven wird an seine vorerst letzte Ruhestätte im Gras auf dem Holzplatz gebettet. Wieder ist ein großer Schritt zum Aufbau von „Tally Ho“ geschafft. Zum Abschluss zeigt Leo uns noch die kleinen Verbesserungen, die er in Küche und Logis zur Freude von Cecca und der Volunteers angeschafft und eingebaut hat.
Auch eine neue Kükenfamilie gibt es: Nina, Tina, Joni, Janis, Stevie und Dolly. Sie sollen bald mit frischen Eiern für das leibliche Wohl der Bootsbauerfamilie beitragen. Vorher muss Leo aber noch ein größeres Hühnerhaus bauen.
Wer das Tally Ho Projekt unterstützen möchte, kann das hier tun.