Salvatore, ein gemütlicher älterer Mann, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, ist im eigentlichen Leben Lehrer für Elektrotechnik. Und er hat Zeit. Kaum haben wir getankt und die Dilly-Dally an den Hafenkai gelegt, steht er auch schon an Bord.
Seine Finger fliegen über die Tasten des Autopiloten wie die eines Pianisten über die Klaviatur. Skeptisch wackeln seine Mundwinkel von links nach rechts, wenn er genüsslich den Qualm seiner Zigarette verströmt. Seine Diagnose deckt sich mit unserer Vermutung: Der Fluxgate-Kompass ist defekt. Aber natürlich will er sich das Corpus delicti noch einmal anschauen. Und damit beginnt die nicht enden wollende Suche nach einer kleinen schwarzen Box hinter der Verkleidung.
Salvatore hat mittlerweile die Dilly-Dally verlassen. Unfassbar, aber er sagt, er habe noch einen passenden Fluxgate-Kompass, den er jetzt holen wolle. In zwei Stunden sei er zurück. Das Unfassbare daran ist, dass der Kompass für unseren alten Autopiloten nicht mehr hergestellt wird. Wir zerlegen derweil zusammen mit Jan das Boot. So schön das massiv verbaute Holz in den alten Moodys auch ist, muss man hinter die Abdeckung schauen, wird es zum Fluch.
Ich bohre Sichtlöcher in die Verkleidung, um dem Weg des Kabels folgen zu können – und lande erst mal in der völlig falschen Richtung. Während ich mit Schweißperlen auf der Stirn und Flüchen auf den Lippen die Innenwand im Heck abmontiere, entdeckt Arzum das richtige Kabel auf dem Weg zum Bug. Meter für Meter arbeiten wir uns durch das Boot, bis Arzum plötzlich in der Vorderkabine spitz aufschreit: Ich habe ihn! Das Biest hat der Voreigner unter einem der Betten in einer Kiste montiert und das Kabel um etliche Meter verlängert.
Endlich kann es losgehen!
Wenig später ist Salvatore wieder an Bord und schließt den neuen Kompass an die Steuerungseinheit. Er läuft! Salvatore tippt sich durch die Bedieneinheit, bis alles passt. Den Test im Hafen hat der Kompass bestanden. Wir atmen erleichtert auf. Wie geplant können wir morgen früh zusammen mit Jan zu den Balearen segeln, das schmale Wetterfenster nutzen. Wir bitten Salvatore, den neuen Kompass in die alte Box zu bauen, da wir somit kein neues Kabel legen müssen. Spät abends sitzen wir erschöpft, aber glücklich bei unserer letzten Pizza in Italien. Denken wir!
Am nächsten Morgen laufen wir nach den letzten Erledigungen, die wir am Vortag nicht mehr geschafft haben, um 9 Uhr aus. Jan, der vor dem Hafen geankert hat, setzt bereits das Großsegel, als es bei uns wieder piept: „no data“! Der Autopilot streikt erneut. Während ich noch resigniert auf das Display schaue, ruft Arzum bereits Salvatore an und teilt dem Hafen mit, dass wir zurückkommen. Italien will uns nicht loslassen. Jan verschwindet am Horizont.
Italien will uns nicht ziehen lassen
Salvatore kann es nicht fassen. Warum geht auch der neue Kompass nicht? Er checkt die Steuerungsbox, misst alle Kabel durch, tippt sich immer wieder durch das Menü am Display. Sein Kopf raucht wie die Zigarette in seinem Mund. Er vermutet einen Defekt in der Steuerungseinheit. Das wäre teuer. Und zeitaufwändig. Ich bitte Salvatore, noch einer letzten Spur zu folgen. Kann es sein, dass das Kabel zur Box im Bug defekt ist? Salvatore nickt in seiner gütigen und ruhigen Art. „Kann sein. Checken wir es!“ Seelenruhig schraubt er den neuen Kompass in die neue Box. Und siehe da: Der Autopilot erwacht zum Leben.
Wir suchen einen neuen Standort für den Flux-Kompass. Leicht zu erreichen und gut sichtbar, natürlich weit weg von jeglichen Kabeln und möglicher magnetischer Strahlung. Dann stechen wir zu einer einstündigen Probefahrt in See. Alles paletti! Das heißt: fast. Das Wetterfenster hat sich bereits wieder geschlossen. Starker Wind und Gewitter ziehen auf. In den kommenden Tagen, vielleicht sogar zwei Wochen, ist nicht daran zu denken, Sardinien Richtung Balearen zu verlassen. Aber mal ehrlich: Es gibt Schlimmeres. Alghero ist eine atemberaubende kleine Stadt mit historischem Kern. Von den wuchtigen Mauern am Meer hat man einen spektakulären Blick auf einen herrlichen Sonnenuntergang im Westen. Dort, wo die Balearen liegen.
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