Dass wir einmal in einem Hafen auf Sardinien liegen und uns an Marty McFly und Doc Brown erinnert fühlen, damit haben wir nicht gerechnet. Allerdings wollen wir nicht „Zurück in die Zukunft“, wie die beiden Helden aus dem Science-Fiction-Blockbuster von 1985. Wir wollen einfach nur los. Auf die Balearen.
Aber wir hadern mit unserem „Flux-Kompensator“, der im Film das Kernstück der Zeitmaschine war. An Bord der Dilly-Dally haben wir zwar keinen richtigen Flux-Kompensator, der uns Reisen durch die Zeit ermöglicht wie in dem Filmklassiker aus den 80er-Jahren, dafür aber einen Fluxgate-Kompass, der es uns ermöglichen soll, von Insel zu Insel zu segeln, ohne selbst am Steuer zu sitzen.

Und das ist fast genauso gut, sofern der Fluxgate-Kompass funktioniert. Tut er aber nicht. Sardinien, wir haben ein Problem! Unser Autopilot jedenfalls scheint sich ein Beispiel an seinen Kollegen der Lüfte genommen zu haben und ist im denkbar ungünstigsten Moment in den Streik getreten.
Wo ist die Zeitmaschine?
Um das Problem zu beheben, muss man aber wissen, wo der Kompass auf dem Boot verbaut ist. Und damit sind wir bei dem Problem, das wir auf Sardinien haben. Wir haben das halbe Boot auseinander genommen, Sichtlöcher gebohrt, um Kabel zu verfolgen, die irgendwo im Nirgendwo verschwinden. Nichts. Und das ist der Moment, in dem wir uns an Marty McFly und Doc Brown erinnern. Denn jetzt hätten wir doch gerne die Zeitmaschine aus dem Film, um einen der Vorbesitzer der Dilly-Dally dabei über die Schulter zu schauen, wie und wo er den kleinen schwarzen Kasten verbaut hat.

Gehen wir noch mal ein paar Tage zurück: Die Dilly-Dally liegt im Hafen von Bonifacio auf Korsika. Wir haben eine fabelhafte Zeit, treffen alte und lernen neue Freunde kennen, während draußen ein Sturm nach dem anderen das Meer aufwühlt.
Längst wollten wir auf den Balearen sein, aber das Wetter will uns einfach nicht gehen lassen. Und wenn nicht gerade ein Sturm über das westliche Mittelmeer fegt, dann zucken Blitze vom Himmel.
Ein Wetterfenster für zwei Tage
Und so verstreichen die Tage. Doch auf den Wettermodellen öffnet sich plötzlich ein Fenster. Kein sonderlich großes, aber immerhin. In zwei Tagen könnten wir an der Westküste Sardiniens sein, im Norden bei Alghero. Rund 90 Seemeilen von Bonifacio entfernt.
Dort liegt unser Freund Jan auf seiner Makamae vor Anker, der bereits einige Wochen vor uns die Türkei verlassen hat. Nun endlich könnten wir ihn einholen, um fortan die Reise gemeinsam zu bestreiten.
Mit einem Zwischenstop nach 50 Seemeilen in dem Naturreservat Asinara planen wir den Trip, um pünktlich zu einem ganz besonderen Tag in der Bucht bei Alghero anzukommen: dem Doppelgeburtstag von Arzum und Bordhund Cingene. Arzum tritt ein halbes Jahr nach mir dem Club der Fünfzigjährigen bei, Hundedame Cingene wird stolze 14 Jahre alt.

Asinara war seit dem 1. Weltkrieg Gefangenenlager und später Gefängnisinsel, in der bis zur Schließung 1997 Mitglieder der Mafia gefangen gehalten wurden. 2018 lebten nur noch zwei Männer auf der Insel. Durch die lange Isolation gibt es auf Asinara viele unberührte Gebiete mit einer vielfältigen Flora und Fauna. Es leben nur sehr wenige Menschen hier, dafür aber Hasen, Wiesel, Mufflons, Wildschweine und natürlich die bekannten Albino-Esel, die zum Wahrzeichen der Insel wurden.
Ankern verboten – der Natur zuliebe
Ankern ist in dem Naturreservat verboten, man muss an den dort gelegten Bojen festmachen, um das geschützte Seegras nicht zu gefährden. In der Hauptsaison ist eine Reservierung unabdingbar, wir kündigen unsere Ankunft über Mail und WhatsApp aber erst wenige Stunden zuvor an, da wir nicht genau wissen, welche der Buchten wir anlaufen werden. Eine Antwort bekommen wir nicht, aber bis auf eine sind alle Bojen frei. Die Ranger, die normalerweise die Mooringgebühr im Dinghy abkassieren kommen, lassen sich nicht blicken. Soll uns Recht sein.

Autopilot im Streik
Aber alles läuft gut. Doch kurz nach der Passage, der dritte Kaffee des Tages dampft gerade in der Tasse, wird die Ruhe von einem hektischen Piepen unterbrochen. Der Autopilot verweigert lautstark seinen Dienst, auf dem Display wechseln sich die Fehlermeldungen ab: no data, no com, no pilot. Dazu ist der Kompasskurs auf 248 Grad eingefroren, obwohl wir akkurate 180 Grad segeln. Auf dem Kartenplotter schiebt sich die Dilly-Dally quer zur Fahrtrichtung Richtung Süden. Wir fahren das System runter und rauf und rauf und runter und versuchen schließlich den Kompass neu zu kalibrieren, indem wir Kreise im Schneckentempo drehen. Nichts hilft.
Für die restlichen 30 Seemeilen an diesem Tag ist das kein Problem, aber wie wollen wir die 200 Seemeilen auf die Balearen ohne den wichtigsten Mann an Bord, den Autopiloten, meistern? Für uns als Zweier-Crew würde das bei den Nachtwachen bedeuten, dass immer einer von uns am Ruder stehen muss. Kein Kaffeemachen, keine Pinkelpausen, selbst zum Trimmen der Segel müsste die Freiwache aus dem Halbschlaf geholt werden.

Doppelgeburtstag auf der Dilly-Dally
Am nächsten Tag wollen wir mittags nach Alghero segeln, vor der Stadt Anker legen, einkaufen, tanken und letzte Vorbereitungen für die Überfahrt treffen. Das ist zumindest der Plan. Doch der Geburtstag fordert seinen Tribut. Vom Apfelstreuselkuchen zum „Traubensaft“ ist es nur ein kleiner Schritt, und so entscheiden wir uns zusammen mit Jan, lieber den Geburtstag zu feiern, als in die Stadt zu fahren. Ein Fehler, wie sich herausstellen wird. Aber immerhin haben wir einen entspannten Geburtstag, der in einem rustikalen Pizza-Restaurant seinen Ausklang findet.

Wir gehen längsseits zur Tankstelle, die pünktlich um 13 Uhr schließt. Wir erreichen sie um 13.01 Uhr. Aber so haben wir wenigstens Zeit bis 15 Uhr, um uns um einen Liegeplatz zu kümmern.

Professore Salvatore und das Fluxgate
Arzum hat Glück. Ein freundlicher Marina-Mitarbeiter von einer der teuren Marinas zeigt ihr nicht nur, wo wir die kostenlosen Plätze finden, er kennt auch einen Experten für Autopiloten, den er gleich anruft: Professore Salvatore.
Salvatore, ein gemütlicher älterer Mann, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, ist im eigentlichen Leben Lehrer für Elektrotechnik. Und er hat Zeit. Kaum haben wir getankt und die Dilly-Dally an den Hafenkai gelegt, steht er auch schon an Bord.

Salvatore hat mittlerweile die Dilly-Dally verlassen. Unfassbar, aber er sagt, er habe noch einen passenden Fluxgate-Kompass, den er jetzt holen wolle. In zwei Stunden sei er zurück. Das Unfassbare daran ist, dass der Kompass für unseren alten Autopiloten nicht mehr hergestellt wird. Wir zerlegen derweil zusammen mit Jan das Boot. So schön das massiv verbaute Holz in den alten Moodys auch ist, muss man hinter die Abdeckung schauen, wird es zum Fluch.

Endlich kann es losgehen!
Wenig später ist Salvatore wieder an Bord und schließt den neuen Kompass an die Steuerungseinheit. Er läuft! Salvatore tippt sich durch die Bedieneinheit, bis alles passt. Den Test im Hafen hat der Kompass bestanden. Wir atmen erleichtert auf. Wie geplant können wir morgen früh zusammen mit Jan zu den Balearen segeln, das schmale Wetterfenster nutzen. Wir bitten Salvatore, den neuen Kompass in die alte Box zu bauen, da wir somit kein neues Kabel legen müssen. Spät abends sitzen wir erschöpft, aber glücklich bei unserer letzten Pizza in Italien. Denken wir!

Italien will uns nicht ziehen lassen
Salvatore kann es nicht fassen. Warum geht auch der neue Kompass nicht? Er checkt die Steuerungsbox, misst alle Kabel durch, tippt sich immer wieder durch das Menü am Display. Sein Kopf raucht wie die Zigarette in seinem Mund. Er vermutet einen Defekt in der Steuerungseinheit. Das wäre teuer. Und zeitaufwändig. Ich bitte Salvatore, noch einer letzten Spur zu folgen. Kann es sein, dass das Kabel zur Box im Bug defekt ist? Salvatore nickt in seiner gütigen und ruhigen Art. „Kann sein. Checken wir es!“ Seelenruhig schraubt er den neuen Kompass in die neue Box. Und siehe da: Der Autopilot erwacht zum Leben.

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