Der alte Vorsteven ist raus aus der „Tally Ho“, dem Albert-Strange-Cutter von 1910, dem sich der junge englische Bootsbauer Leo Sampson seit zwei Jahren verschrieben hat. Für einen US-Dollar hatte er das Schiff erworben, um es vor der Kettensäge zu retten. 1.000 Kilometer reiste der Holzklassiker auf dem Tieflader zur Werkstatt von Leo Sampson im äußersten Nordwesten der USA. Dort dokumentierte der Brite den Baufortschritt in mittlerweile 50 Folgen auf Video – und wir von Beginn an auf float. Jetzt ist bei seinem Refit-Projekt der neue Vorsteven dran – ein heikler Schritt.
Ein Quasi-Neubau entsteht
Unterstützt durch Sach- und Geldspenden einer ständig wachsenden Fan-Gemeinde und durch freiwillige Helfer, die Leo in die Kunst des Holzbootbaus einweiht, entsteht ein Quasi-Neubau. Denn an dem alten Rumpf wird marodes Holz Stück für Stück durch neue Bauteile ersetzt.
Leo Sampson bringt großes Talent und seine Liebe zu genauer und bestens organisierter Arbeit mit. Er schafft es dabei, seine zeitweiligen Mitarbeiter bei Laune zu halten und ihnen sehr viel über traditionellen Bootsbau beizubringen. Dazu gehören auch einfache Arbeiten – wie Werkstatt aufräumen und Schrauben zählen.

Aufräumen ist auch Teil des Handwerks
In Video-Episode 50 geht der Blick auch in die Vergangenheit: an den Anfang des Projekts, als Leo aus einer – von guten Geistern zur Verfügung gestellten – mit Werkzeug vollgestopften großen Garage in 14 Tagen eine richtige Werkstatt zaubert, wo er seitdem arbeitet.
Zwei Jahre später müssen seine Volunteers Joe und Jack, die sich schon bewährt haben, in einer Bau-Zwangspause den hintersten Teil der Werkstatt aufräumen. Aus einem Chaos von zigtausenden Nägeln, Schrauben und Bolzen schaffen sie ein wohlorganisiertes Magazin. Das ist ein Job zum Durchdrehen und die beste Therapie für einen Zwangsneurotiker.
Es geht aktuell vor allem aber um das Zuschneiden der Teile für die neue Vorsteven-Baugruppe. Zur Bow Assembly gehören vier Teile aus 10 Zoll (rund 25 cm) starkem Purpleheart-Timber, also so genanntem Amaranth-Holz. Das Holz hat eine Dichte von 0,8 t pro Kubikmeter. Das heißt, jedes Teil wiegt um die 300 kg. Gut, dass die Crew einen Gabelstapler hat.

Immer wieder die Zähne nachschärfen
Zuerst werden die genauen Formen vom Schnürboden durch die Nagelkopfmethode auf Sperrholz-Schnittmuster (so sogenannten Patterns und Templates) übertragen, die genau ausgestrakt und gehobelt werden. Dann werden sie auf die Purpleheart-Bohlen gelegt, wobei die Formen aufgerissen werden, um den besten Faserverlauf zu erhalten.
Jetzt kommt die große Kettensäge mit Anschlagschlitten zum Einsatz: Sie schneidet durch das dicke Hartholz wie eine Stichsäge durch Sperrholz. Immer wieder muss Leo dabei die Zähne der Säge nachschärfen, damit der Schnitt nicht heiß wird – das ist eine Aufgabe für den Meister.

Drei verschiedene Schiffshobel
Die grob ausgeschnittenen Teile werden mit dem Elektrohobel an den Außenseiten geglättet. Dabei entsteht dann auch mal ein teurer, 200 kg schwerer exklusiver Esstisch für die Mittagspause mit Freundin Cecca, Hund „Brian“ und Papageiendame „Poncho“ – allerdings nur zum einmaligen Gebrauch.

Mit drei verschiedenen Schiffshobeln werden die konkaven Innenflächen genauestens bearbeitet. Das geht nach Marken so: Makita für grobe Arbeiten, Varitek für feinere – und der Stanley-Handhobel für ganz feine Arbeiten.