Der Kommissar streicht die erste Hypothese: An der Werft hatte es nicht gelegen. Wer aber hatte ein Motiv, die „Santiano“ zu versenken? Torben M. wendet sich an eine auf Finanzermittlungen spezialisierte Kollegin. Die analysiert die Einkommensverhältnisse von Christoph und Olena H. und stößt auf ein Konto, das aufgrund von Pfändungen gelöscht worden war.
Außerdem entdeckt sie eine weitere Risikolebensversicherung in Höhe von 250.000 Euro bei der Squarelife AG. Keiner der Ehepartner bezog ein Gehalt. Stattdessen wurde Christoph H. jeden Monat von seiner Mutter mit 1.000 Euro unterstützt. Im Monat seines Verschwindens waren es sogar 2.000 Euro gewesen.
Wann ist ein Verschwundener tot?
Unterdessen hatte sich Olena H. ein paar Mal bei der Kriminalpolizei gemeldet: Sie besucht Torben M. in seinem Büro, klagt über Schlafstörungen. Außerdem weiß sie nicht, wie sie an die Lebensversicherungen kommen kann, die ihr Mann zu ihren Gunsten abgeschlossen hatte. Per Mail schreibt sie dem Kommissar, dass sie vom Standesamt eine Sterbeurkunde benötigt. „Sie meinte, sie wolle den Status einer Witwe haben“, erinnert sich der Ermittler. „Frau H. fragte, ob wir ihren Mann für tot halten? Ich antwortete, wir halten ihn für ertrunken. Aber vermisste Personen werden erst nach zehn Jahren für tot erklärt.“
Eine irrige Ansicht des Kommissars, denn laut des Verschollenheitsgesetzes kann jemand, der nach einer Seefahrt vermisst wird, bereits nach sechs Monaten für tot erklärt werden – sofern sein gesunkenes Boot gefunden wird. Andernfalls verlängert sich die Frist um ein Jahr.
Alles nur Zufall?
Anfang Dezember 2019, Christoph H. wurde bereits seit zwei Monaten gesucht, erfährt der junge Ermittler von mehreren Strafverfahren, die bereits gegen Christoph H. vorlagen: eines am Amtsgericht Kiel, weil er sich als Mitarbeiter der Deutschen Krebshilfe ausgegeben und darum einen Kredit über 40.000 Euro bewilligt bekommen hatte.
Ein weiteres am Amtsgericht Walsrode, weil er für die „Stiftung Deutsche Leukämiehilfe“ einen fünfstelligen Betrag eingenommen und ohne Genehmigung eine Sozial-Lotterie ins Leben gerufen habe. Von dem Geld der Stiftung soll er sich bedient und die Gewinner-Lose niemals unter notarieller Aufsicht gezogen, geschweige denn irgendwelche Gewinne verteilt haben.
Torben M. unterbreitet seine Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft in Kiel. Er hofft, dass diese eine Straftat für möglich halten und ihm erlauben, die Wohnung des Ehepaares H. zu durchsuchen, um weitere Beweise zu finden. Doch die Ankläger sind anderer Meinung.
Die Spur wird heiß
In dieser Situation erhält der Kommissar unerwartet Unterstützung. Olena H. hatte nämlich den Tod ihres Mannes bereits bei den Versicherungen gemeldet, unter anderem beim Volkswohlbund und bei Pantaenius, die eine Ermittlerin mit der Recherche über die Eheleute H. beauftragt hatten. Über sie erfährt der Kommissar von weiteren Versicherungen. Telefonate bei diversen bekannten Lebensversicherern ergeben zusätzliche Treffer.
Insgesamt sind es 14 Versicherungen in Höhe von 4,1 Millionen Euro, die seit Sommer 2018 auf das Leben von Christoph H. abgeschlossen worden waren. Jeweils sieben Versicherungen zugunsten der Ehefrau und der Mutter. 589 Euro zahlten Thea und Olena H. monatlich an Beiträgen für die Versicherungen.
Endlich ist auch die Staatsanwaltschaft Kiel davon überzeugt, dass Torben M. eine heiße Spur verfolgt.
Teil 2: Scheintoter Skipper vor Gericht
Teil 3: Scheintoter Skipper verurteilt