Die strukturellen Schotten der „Tally Ho“ stehen, und auch die Mastpartner sind am Ende dieser Episode festgebolzt. Gut, wenn einzelne Abschnitte beim Refit-Projekt von Leo Sampson zu einem Ende kommen. Der Wiederaufbau des Rennkutters von 1909 scheint zwar endlos, doch in kleinen Schritten kommt das Team voran.
Gegen den Herbst-Blues
Der Blues ist eine uramerikanische Musikform, entstanden bei den Sklaven auf den Baumwollfeldern, die sich ihr Leid von der Seele sangen. Blues wird auch heute noch viel gesungen und gespielt. Aber nicht nur, wenn die Stimmung am Boden ist. Bei Leo Sampson dient er als musikalische Untermalung für die Fertigstellung des Heckspiegels, und das ist nun wirklich ein freudiges Ereignis. Überhaupt ist die Musikauswahl zu Leos Videos immer wieder exzellent und zeugt von seiner künstlerischen Ader.
Am Ende jeder Episode werden die Songs und Musiker aufgeführt. Es lohnt sich, den Nachspann anzusehen. Auch die liebevoll zusammengestellte Bildauswahl zeugt von Sampsons Liebe zur Ästhetik. Informativ und lehrreich sind seine Videos, die er immer wieder auflockert – durch schöne Bilder vom Hafen, von Hunden und Pancho, der Papageiendame. Sogar ein paar Rehe in Sequim schaffen es in diesen Film.

Nicht nur der Meister selbst erklärt die aktuellen Arbeitsschritte. Auch der Rest der Crew erklärt das Was, Wie und Warum ihrer Jobs. Ob Richard der Oldie, Pete der Profi oder Rowan der Spaßvogel: Jeder bekommt seinen Part in der never ending Story vom Wiederaufbau des englischen Rennkutters Tally Ho, gezeichnet 1909 von Albert Strange, Gewinner des Fastnet Race 1927.
Richard, der Werftälteste
Schon seit mindestens fünf Jahrzehnten im Bootsbau unterwegs ist er seit vielen Jahren eine lokale Koriphäe in Port Townsend. Mit stoischer Ruhe und einem immerwährenden Lächeln auf dem Gesicht baut er Schott für Schott in den Rumpf der Tally Ho ein, um ihn zu versteifen. Man merkt ihm die lange Erfahrung an: Jeder Handgriff sitzt, und er weiß interessant über seine Arbeit zu berichten.

„Das letzte strukturelle Schott, direkt am Mast-Decksbalken (dem Kingbeam) war eine echte Herausforderung. Es hat sich gesträubt, bis es endlich gepasst hat“, sagt er und taucht lachend wieder zwischen den Decksbalken ab.
No Feet Pete, der Profi
Er ist Leos wichtigster Mann. Pete ist seit gut zwei Jahren fest angestellt und kann alle wichtigen Arbeiten an Tally Ho selbständig ausführen. Früher ist er auf Güterzügen als Hobo (das sind Wanderarbeiter, die auf Güterzüge aufspringen) durch Amerika gereist und hat die große Freiheit genossen. Einmal hat er nicht aufgepasst und ist beim Abspringen unter die Räder geraten. Das hat ihn beide Unterschenkel gekostet und den Namen „No Feet Pete“ eingebracht.
Er trägt sein Schicksal gelassen und mit einer Portion Sarkasmus läuft er auf seinen Titan-Prothesen, die er gerne mal verdreht, um Leute zu erschrecken, durchs Leben. Auf seine Fingerknöchel hat er „stumped“ (verstümmelt) tätowieren lassen. Seit er an dem Tally-Ho-Projekt mitarbeitet, ist er sichtlich aufgetaut und gibt bereitwillig Auskunft über seine Arbeit. Diesmal macht er die Mastpartner fertig. Er stemmt ein achteckiges Loch, das konisch zuläuft, hinein. Das ist ganz große Bootsbauerarbeit.
Hier wird später der Mast mit Keilen fest in Position gehalten. Die Mastpartner (die aus einem Stück bestehen) werden – wo sie sichtbar sind – abgerundet und die Auflagen in den Decksbalken, wo Holz auf Holz liegt, mit Bleimennige eingestrichen. Dann werden sie in die Aussparungen an den Mast- Decksbalken eingesetzt und mit langen, 3/4 Zoll starken Bronzebolzen verschraubt.
Diese Bolzen fertigt das Team selbst aus Silizium-Bronze-Stangenmaterial (Rods) an. Hinter dem Mastbalken wird ein dicker Eichenknacken mit Decksbalken und Mastpartnern verbolzt. „Der sorgt dafür, dass das Haupt Sky Light nicht direkt hinter dem Mast sitzt, sondern damit dazwischen noch Platz zum Arbeiten oder Verstauen ist.“ Pete muss es wissen.
Rowan, der Mann für alle Fälle
Rowan stammt aus Brooklyn, das ist der Strandbezirk von New York. Coney Island ist mit seinen Vergnügungsparks und Williamsburg mit seiner lebendigen Künstler- und Musiker-Szene eigentlich ein guter Ort zum Leben. Doch Rowan, eine Art Kunst-Handwerker, zieht es nach Westen. Er ist schon zum dritten Mal an der Tally Ho dabei, diesmal so lange wie nie zuvor. Zuerst war er vor allem als Handlanger und für grobe Jobs zuständig, doch Leo gibt ihm immer anspruchsvollere Aufgaben.
Für den festen Halt eines Schotts, das genau dort platziert ist, wo ein bronzenes Hängeknie und ein waagerechtes Knie keinen Platz für eine Eichenwegerung lassen, baut er eine Halterung aus Silizium-Bronze. Dazu schweißt er aus zwei flachen Bronzestreifen von acht Millimeter Stärke im WIG-Verfahren einen Winkel. Schweißnähte glätten und Kanten runden besorgt die Flex, zum Einsenken der Bohrlöcher wird kurzerhand ein Kegelsenker verlängert.
So geht Bootsbau und man sieht, wie viele Schritte nötig sind, um jedes einzelne Teil zu fertigen, es sind Tausende. Dabei kommt der Humor nicht zu kurz. „Ich mach die Schweißnähte nicht, damit sie schön sind. Sie sollen das Schott halten“, grinst er und kauert sich in seine „Feuchtzelle“. Das ist natürlich kokettiert.
Leos Hölzer
Das alte Holz aus Darlenes und Raouls Garten muss verschwinden, sie sollen’s wieder schön haben und nicht auf einer verlassenen Werft leben. Erstaunlich, wieviel sich in den vier Jahren angesammelt hat. Auch der Bleikiel muss weg. Mit dem Gabelstapler und ein paar Helfern lädt Leo alles, was geht, auf einen Tieflader.
Es ist nicht die letzte Tour. Dafür wird um die Halle in Port Townsend der Lagerplatz voller und voller. Was tun mit all dem Holz? „Eines Tages werde ich das gute Eichenholz und die Purple-Heart-Klötze in einer Aktion verkaufen und weggeben. Wer in der Nähe ist und etwas abholen kann, soll sich melden“, erklärt Leo. Er braucht den Platz, denn schon kommt neues Holz: ein kleiner Stapel Teak-Holz, gut verpackt und im Wert von 15.000 US $.
Es ist heute schwierig, überhaupt sauber zertifiziertes Teak zu bekommen, der internationale Handel steht zu Recht unter strenger Beobachtung. Grau-Importe aus Myanmar, dem früheren Burma, hat nicht nur die Gorch-Fock-Restaurierung bedroht. Leo hat zum Glück eine so großzügige Fan-Gemeinde dass er sich „sauberes“ Teak leisten kann.

Auch wenn er gerne das ganze Deck damit gelegt hätte, reicht es nur für die Leibhölzer (die Cover-Planks) und die mittig liegenden Fischungen (King Planks). Die Decksplanken werden aus kanadischer Gelbzeder (Yellow Cedar) bestehen, eine Kombination, die er schon auf drei Schiffen, die um 1900 gebaut wurden, gesehen hat und die heute noch bestehen. Das Holz dafür hat er schon vor Wochen gekauft, konnte es aber als Privatmann nicht importieren.
Das Problem hat ein Holz-Importeur, der seinen Hilferuf im letzten Video gesehen hat, gelöst – eine Sorge weniger. Auch das Dinghy, dessen Auktion in die Hose gegangen war, ist verkauft. Es hat zwar am Ende nur für 5.500 US-Dollar eingebracht, aber so ist die Spende für Rocking the Boat wenigstens wieder drin.
Alle sind glücklich, Rowan grüßt aus dem viel zu engen Kettenkasten, Nina lackiert den nun endlich kompletten Spiegel und Leo verabschiedet sich mal wieder mit einem massiven Dankeschön von seinen Followern. Wer Lust hat, kann nachzählen, wieviele verschiedene Holzsorten schon in der neuen Tally Ho verbaut wurden. Auflösung in der nächsten Episode.
Wer Leo Sampsons Refit-Projekt unterstützen möchte, folge diesem Link.