Das Engagement für den Helga Cup ist der Auftakt in eine neue Zeit des Frauen-Regattasegelns. Eine, in der Frauen in den Vereinen selbstverständlich an Regatta-Trainings teilnehmen, die Boote der Segelbundesliga für sich beanspruchen, gemeinsame Trainings organisieren, Manöver und Strategien besprechen werden.
Mit mehr Selbstbewusstsein, größerem Mut und vor allem mehr Wissen und Erfahrung. Egal, wie die Regatta für die einzelnen Teams ausgehen wird: Das bleibt. So schrieb ich am 1. Juni 2018 über den ersten Helga Cup.
Fünf Jahre und eine Vielzahl float-Beiträge später hat sich genau das bewahrheitet. 60 Teams (ca. 300 Frauen) und mehr treffen sich jedes Jahr beim NRV auf der Hamburger Außenalster. Der Helga Cup, dessen altmodischer Name der Kontrapunkt zum erfolgreichsten Regattaformat der letzen Jahre geworden ist, hat für Frauen im Segelsport bereits viel verändert.

Es sind Strukturen entstanden, die tragen, Qualifikationen, die mehr Frauen in den Regattasport bringen. Es sind Netzwerke geknüpft worden, die über die jährliche Regatta weit hinausgehen. Und das international. Prominente Seglerinnen sind auch dabei, wie Olympia-Silbermedaillengewinnerin Susann Beucke, die auf der Inklusionsbahn antritt. Und natürlich ist noch Luft nach oben.
Total überrascht, wie viele Teams gemeldet haben
Eine der engagiertesten Frauen, die den Helga Cup maßgeblich mit aufgebaut hat, ist Silke Basedow. Mit ihrem HSC Women Team ist sie bereits zum zweiten Mal Helga-Cup-Titelverteidigerin. Wir haben mit ihr über fünf Jahre Helga Cup gesprochen.
float: Silke, was erinnerst du besonders vom ersten Helga Cup vor fünf Jahren?
Silke Basedow: Es hat uns damals total überrascht, wie viele Frauen Lust auf Regatta-Segeln hatten, die das vorher noch nie gemacht hatten. Sven Jürgensen, der Organisator, hatte mich gefragt, wie viele Teams wohl dabei sein würden. Ich hatte 12 geschätzt und dachte bei mir, dass es sicher so viele nicht würden. Es hatten sich zwischenzeitlich 80 Teams angemeldet, 62 gingen dann an den Start.
Was hat sich seitdem geändert?
Es gibt ganz tolle Erfolgsstories und man merkt, dass der Helga Cup das Frauen-Regattasegeln auch auf ein deutlich höheres Niveau gebracht hat. In der Segelbundesliga sind viel mehr Frauen am Start als früher – auch wenn da noch Luft nach oben ist. Der Helga Cup hat vielen Frauen in den Vereinen geholfen, diesen Schritt zu gehen und sichtbar zu werden. Sie haben sich organisiert, haben Boote eingefordert und trainiert.

Heute beglückwünschen die Kollegen von der Segelbundesliga in den Clubs ihre Helga-Cup-Regattakolleginnen. Das ist wirklich ein neues Niveau. Nicht, dass es nicht vorher auch sehr gute Seglerinnen gab, aber das waren immer nur einzelne Frauen und nur selten Teams. Wie schätzt du als erfahrene Bundesligaseglerin die Qualität des Cups ein?
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Frauen, die dabeigeblieben sind, das Level jedes Jahr gesteigert haben. Das merkt man der Regatta deutlich an. Der Helga Cup macht ja international auch Schlagzeilen. Wir haben da etwas Wichtiges losgetreten, das über unsere Grenzen hinaus Vorbildcharakter hat.
Hier in Berlin trainieren inzwischen sechs Teams für den Helga Cup von jung bis älter, von hohem bis mittlerem Niveau. Wie haben sich die Strukturen entwickelt?
Es gibt viele Aktivitäten: Trainingsgemeinschaften in Berlin und am Bodensee, in Hamburg finden regelmäßig Regattatrainings statt und Frauenteams vom Helga Cup treffen sich mit Bundesligateams aus der 1. und 2. Bundesliga und trainieren zusammen. In den meisten Fällen ist es nicht nur ein separates Frauentraining, sondern die Frauen messen sich auch mit anderen Teams.

Apropos Segelbundesliga: Entweder ist man zu leicht, wenn man zu viert segelt, oder das Boot wird zu träge, wenn man zu fünft segelt. Es ist deshalb extrem schwierig vorne mitzusegeln. Ändert sich daran durch den Helga Cup etwas?
Ja, es segeln immer mehr Frauen mit. Überlingen hat gerade die Championsleague-Qualifikation gewonnen, da war auch eine Frau an Bord. Es werden mehr Frauen und die Beteiligung von Frauen wird immer selbstverständlicher. Reine Frauenmannschaften sind allerdings noch selten, da es extrem schwer ist die Gewichtsnachteile auszugleichen.
Der Erfolg des Helga Cups ist immer auch eine Frage der guten Organisation. Neben Organisator Sven Jürgensen und dir, Luisa Krüger oder Sina Wolf für die Presse gibt es auch Personen, die man nicht sofort sieht. Wer fällt dir da ein?

Unbedingt Claudia Langenhan vom NRV, die das Event führend organisiert und die mit ihrer Crew vor drei Jahren den Cup gewonnen hat. Die Pulvermädels haben gezeigt, dass auch ein buntes Team mit unterschiedlichen Erfahrungen den Helga Cup gewinnen kann. Das sind die Erfolgsgeschichten, die über die Regatta hinaus total wichtig sind.
Dann auch das Team von St. Pauli, die Sailing Paulinas, die mit dem Helga Cup angefangen haben und jedes Jahr besser werden. Sie segeln immer noch in der gleichen Konstellation und jetzt sogar in der Bundesliga. Den Verein gibt es ja erst seit fünf Jahren!

Auch wichtig finde ich Jocky Hellmich vom Möhnesee, weil er J70-Boote hat und Trainings veranstaltet. Das alles in einem All-inclusive-Rahmen zu einem guten Preis. Für alle, die kein eigenes Boote haben, und das sind ja die meisten, ist das klasse!
Da ist ein großes Netzwerk entstanden. Frauen haben Trainingsgemeinschaften gegründet, die dann auch wieder neue Frauen mit hineinbringen. Was siehst du noch, Silke?
Ich sehe, dass Frauensegeln und Leistungssegeln in der Bundesliga viel stärker zusammengewachsen ist. Es gibt mehr Trainingsmöglichkeiten, aber es müsste natürlich noch viel mehr geben. Ich bekomme als Trainerin viele Anfragen, aber es scheitert oft daran, dass keine Boote zur Verfügung stehen.
Der Ehrgeiz und die Lust zu trainieren sind ja da. Während beim ersten Helga Cup noch alle mitgemischt haben, egal, was sie konnten, wollen die absoluten Anfängerinnen heute lieber erst trainieren, bevor sie sich ins Regatta-Getümmel stürzen. Aber es gibt bei weitem noch nicht genug Trainingsmöglichkeiten.
Wie kann man das verbessern? Wie unterstützen?
Ich habe mir für nächstes Jahr vorgenommen, einen Plan aufzustellen mit Leuten, die Boote zur Verfügung haben, so dass wir mehr gemeinsame Trainings planen und anbieten können. Es geht vor allem um die bessere Ausnutzung der Boote. In der Bundesliga gibt es große Logistikkosten. Es wäre sinnvoll, diese sie noch besser auszulasten und Kapazitäten zu nutzen, die da sind.
Es sind vor allem die Vereine, die Vorbehalte haben, ob Frauen denn ordentlich mit den Booten umgehen. Häufig heißt es: Das sind die Trainingsboote für die Liga und da kann nicht jede Frau drauf segeln … Auf der anderen Seite möchte die Segelbundesliga ja, dass in zehn Jahren Männer und Frauen pari unterwegs sind, so Oliver Schwall letztens in der Presse. Also braucht es da mehr Aufklärungsarbeit.
Kommen wir noch mal auf die Strukturen des Helga Cup zurück. Du hast mit Luisa Krüger die Helga Akademie ins Leben gerufen. Was passiert da?
Die Akademie ist ein Regatta-Seminar, ein Online-Training, das über ein e-Learning-Tool läuft. Es ist ein tolles Format, weil die Seglerinnen sich ganz in Ruhe mit den Inhalten auseinandersetzen können. Wir geben Tipps, was man im Training üben kann, um besser zu werden, alleine oder mit anderen Teams. Die Trainings gehen sehr ins Detail, es gibt On-Board-Kameras und wir haben sehr viel Zeit und Arbeit darin investiert.

Es ist ein tolles Format, weil die Seglerinnen sich ganz in Ruhe mit den Inhalten auseinandersetzen können. Wir geben Tipps, was man im Training üben kann um besser zu werden, alleine oder mit anderen Teams. Die Trainings gehen sehr ins Detail, es gibt On-Board-Videos und wir haben sehr viel Zeit und Arbeit darin investiert.
Darüber hinaus haben wir zwei monatliche Coaching-Calls angeboten. Da haben inzwischen etwa 20 Teilnehmerinnen mitgemacht. Unter den Teilnehmerinnen haben wir dann noch individuelle Coachings verlost, die sehr viel Spaß gemacht haben.
Wie viele internationale Seglerinnen gibt es inzwischen im Dunstkreis des Helga Cups?
Man darf nicht unterschätzen, was der Helga Cup in anderen Ländern ausgelöst hat. Ich war gerade eine Woche in der Schweiz und habe 40 Frauen trainiert. Davor gab es schon ein Training mit 30 Frauen. Das ist nur durch die Helga-Bewegung entstanden. Die Schweizer Liga will mehr Frauen dabei haben und das entwickelt sich nun sehr gut.
Die Stadt Hamburg ist seit einigen Jahren stark in den Helga Cup involviert. Was bedeutet das für das Event?

Es ist eine echte Win-Win-Situation. Hamburg ist eine Sportstadt. Der Helga Cup gehört inzwischen zu den Top-10-Events. Die Stadt hat das Format ganz wesentlich unterstützt und nur mit Sponsoren-Geldern ist eine solche Regatta nicht zu stemmen. Und der Helga Cup ist cool: Frauen, die segeln vor der Hamburger Kulisse, Nachhaltigkeit und Inklusion, das funktioniert.
Inzwischen gibt es auch inklusives Frauensegeln beim Helga Cup. Warum passt das so gut zusammen?
Aus meiner Sicht ist Segeln eine der wenigen Sportarten, in der man fair gegeneinander antreten kann, egal, ob man eine Einschränkung hat oder nicht. In vielen anderen Sportarten ist Inklusion schwieriger, weil man mit einer Einschränkung schon einen Wettbewerbsnachteil hat. Mit den Booten SV14, die wir einsetzen, ist der Unterschied nicht mehr groß spürbar. Da kann eine Frau, die im Rollstuhl sitzt, gegen eine segeln, die nicht im Rollstuhl sitzt.
Beim Helga Cup gehört inklusives Frauensegeln absolut dazu, weil es dem Spirit des Cups entspricht: Jede kann mitmachen und es gibt den Anspruch auf gutes Regattasegeln. Es ist für mich genau der Spirit von Helga, den wir damit schaffen!
Silke, das ist ein wunderbares Schlusswort. Ich danke dir für das Gespräch. Wir sehen uns beim Cup!

Der Helga Cup 2022
Dieses Jahr wird der Helga Cup vom 9. bis 12. Juni in zwei unterschiedlichen Bootstypen ausgetragen – den aus dem Regattasport bekannten J70, auf RS 21 sowie dem speziell fürs inklusive Segeln entworfenen Bootstyp S\V 14 mit Schalensitzen, so dass auch Rollstuhlfahrende am Segelsport teilhaben können.
Schirmherrin des Cups ist Bahnradolympiasiegerin Kristina Vogel, den ersten Startschuss gibt Olympiasilbermedaillengewinnerin Susann Beucke, die mit Olympiasilbergewinnerin Anne Patzwald (Rio 16, Rollstuhlbasketball) auf der inklusiven Bahn mitsegeln wird. Para-Kanutin Lillemor Köper geht schon zum zweiten Mal an den Start.
Gelebte Inklusion gibt es auf der J70-Regattabahn, wenn Blinde, Sehbehinderte und sehende Frauen ohne besondere Vergütung gegeneinander segeln.
Die ukrainische Olympiaseglerin Anastasiya Winkel engagiert sich mit ihrer Olympiakampagne seit dem Krieg in der Ukraine sehr in der Flüchtlingshilfe. Zusammen mit drei ukrainischen Frauen starten sie zu viert als ukrainisches Team.
Insgesamt gehen Frauen aus acht Nationen an den Start. Dabei sind Seglerinnen aus Deutschland, Ukraine, Monaco, Niederlande, Schweiz, Österreich, Frankreich und den USA.
float ist am Wochenende dabei und übergibt am Samstagabend den float-Preis. Wofür? Das erfahrt ihr am Sonntag.