Guido Dwersteg kam wie aus dem Nichts. Plötzlich war er da, als er 2012 mit seiner Bavaria 32 Holiday „Carpe Diem“ eine Atlantikrunde machte und diese Reise in sechs launigen Teilen selbst verfilmte. Diese Verfilmung wurde ein krachender Erfolg. Kein Wunder – Guido ist fast immer gut gelaunt, immer zu Späßen aufgelegt und niemals ein bierernster Bessersegler. Und Guido hat das Internet im Griff. Er ist auf seiner Seite „törn.de“, mit seinen Filmen auf „Segel-Filme.de“ sehr präsent und hält seine Fans auch über die sozialen Medien auf dem Laufenden.
In diesem Frühjahr startet sein nächstes großes Projekt. Guido segelt um „den Tiger“, wie die Skandinavische Halbinsel auch genannt wird. Diese Route ist nicht ohne – schon allein wegen des Papierkrams, der besonders auf russischer Seite anfällt.
float: Guido, warum heisst das eigentlich Tiger?
Guido Dwersteg: Wenn du Skandinavien mal von oben betrachtest, sieht das aus wie ein springender Tiger.
float: Ich habe da stundenlang vorgesessen und ihn nicht gesehen.
Doch! Links unten ist der Kopf. Der Tiger springt.
float: Und was ist das dann hinten an ihm dran? Ein mächtig männlicher Tiger?
Nein, das sind die Füße und die Beine. Und die Kola Halbinsel ist der Schwanz.
(Hinweis der Redaktion: Die alternative Wiki-Seite „Stupidedia“ erwähnt den Tiger tatsächlich: Zitat:“ Skandinavien sieht vom Weltall aus betrachtet wie ein Tiger aus. Gott fand es bei der Erschaffung der Welt sehr lustig einen der kältesten Orte der Welt wie ein tropisches Tier aussehen zu lassen.“)
float: Wie und warum bist Du auf diese Route gekommen?
Ach, so richtig weiß ich das auch nicht mehr. Aber mich hat der Norden schon immer mehr angesprochen. Ich habe mir das damals auf der Karte mal angesehen, wollte eigentlich zunächst nach St. Petersburg segeln. Dann sah ich daneben diese beiden riesigen Binnenseen, den Ladogasee und den Onegasee. Man denkt zunächst überhaupt nicht, dass es dahin einen Seeweg gibt, beim reinzoomen sieht man dann bei St. Petersburg den Kanal, der einen durch beide Binnenseen führt und dann bis zum “Weißen Meer” bringt. Da war die Tour um den Tiger geboren.
float: Was reizt Dich daran besonders?
Wie gesagt, den Norden mag ich, das Rauhe und wie die Leute da oben ticken. Dazu kommt, dass man als Kind des kalten Krieges – das kennst du ja auch – immer so ein komisch dunkles, gefährliches Bild von Rußland hat. Ich war schon überall auf der Welt, aber der Osten war immer irgendwie verschlossen, weil einem stets eingetrichtert wurde, dass das da alles böse ist. Das mal zu sehen, ist ein besonderer Reiz. Das interessiert mich total. Ich will Leute kennenlernen und auch wissen, wie es da aussieht.
float: Wenn man diese Runde mal googelt, findet man fast gar nichts. Kennst du Segler, die das schon mal gemacht haben?
Nein. Es gab zwar früher mal die sogenannte Russ-ARC, eine organisierte Tour durch das russische Revier, wo man von St. Petersburg in einer Flotille durch die Barentssee bis nach Spitzbergen und dann nach Murmansk geführt wurde. Dann gab es wohl einen deutschen Großsegler, der die Runde mal gemacht hat. Aber so Einzelkämpfer auf kleinen Booten – davon weiß ich bisher nichts.
float: Wie herum fährst du?
Sinnvoller wäre es eigentlich, im Uhrzeigersinn zu fahren. Da oben ist Westwind nämlich die vorherrschende Windrichtung. Ich fahre aber anders herum.
float: Warum?
Keine Ahnung. Irgendwie habe ich angefangen, anders herum zu planen und dann bin ich da irgendwie drauf stecken geblieben. Irgendwann ist mir klar geworden, dass der Wind eigentlich in die falsche Richtung bläst. So wild ist das aber nicht, denn vor allem in der Barentssee ist zu der Zeit nach Pilot Charts die Windrichtung so Fifty-fifty auf Ost und West verteilt. Außerdem wollte ich möglichst schnell durch die Ostsee nach Russland kommen, um nach hinten raus ein wenig Luft zu haben, denn ich will da oben im Juli raus sein.
float: Was war die größte Herausforderung an der Vorplanung?
Ja, also Russland macht ein Drittel der Strecke aus, erfordert aber 95% der Vorbereitung. Das ist echt viel, was man da bürokratisch zu lösen hat. Jedoch haben wir jemanden gefunden, Vladimir Ivankiv, der uns vor Ort geholfen hat. Er ist Präsident von “Sail Russia”. Das hat vieles einfacher gemacht, denn er arbeitet als Travel Agent und kümmert sich auch vor Ort um den ganzen Kram. Aber neben Visum und solchen Sachen muss man sich natürlich auch um vieles andere kümmern, so zum Beispiel: Wann machen in St. Petersburg die Brücken auf? Wo gibt es medizinische Versorgung? Hat man Handynetz, wie ist das mit Geld? Also tausend Sachen, die man in einem normalen EU-Land voraussetzt, muss man dort abchecken.
Zum Glück hat mir mein Freund Viktor, der gebürtig aus Kasachstan kommt, sehr geholfen, sich um vieles gekümmert und für mich zum Beispiel mit den entsprechenden Stellen telefoniert. Dort sprechen ja alle nur russisch, Internetseiten sind auf russisch und auch die Literatur ist nur in russischer Sprache und kyrillisch zu kriegen. Ohne Viktor wäre das in der Zeit nicht möglich gewesen. Viktor kommt auch das Stück durch Russland bis Murmansk mit. Er steigt in Helsinki zu. Zum Glück ist er auch Segler, so dass wir deshalb auch auf dem Binnenrevier einen Lotsen sparen, den man sonst an Bord nehmen müsste. Bezahlt natürlich.
float: Obwohl…so eine hübsche russische Lotsin…
Mist! Stimmt! Aber Spaß beiseite, ich glaube, dass die Lotsen eher so richtige russische Bratbären sind, wie man sie sich vorstellt, mit denen man jeden Abend einen Kanister Wodka trinken muss.
float: Darf ich “Bratbär” schreiben? Ich denke nicht, dass irgend ein Russe auf Google Translate das übersetzen kann.
Klar, mach doch.
float: Die russischen Beamten sind laut manchen Berichten hin und wieder schwierig. Hast Du Dich auf etwaige Probleme vor Ort vorbereitet?
Also, alle, mit denen ich gesprochen habe, berichten das Gegenteil. Man sollte nur einen Fehler nicht machen, den mancher Westeuropäer wohl gerne mal macht: Bestechungsversuche. Die Leute sind oft sehr stolz auf ihren Job und mögen so etwas gar nicht. Also mit der Vorstellung hinzufahren: “Denen gebe ich ein paar Flaschen Wodka und dann läuft das”, sollte man besser nicht.
Viktor ist ja auch an Bord und ich denke es ist immer gut, einen zu haben, der sich da auch bei Problemen oder Missverständnisen unterhalten kann.
float: Wie hast Du es geschafft, eine Drehgenehmigung zu bekommen, um wieder einen Film zu produzieren?
Braucht man gar nicht. Offiziell heißt es, dass man überall dort filmen darf, wo es nicht explizit verboten ist. Natürlich würde ich keine Drohne über den Atom-U-Boothafen von Murmansk schicken. Und ich bin natürlich auch keine Produktionsfirma, sondern ein Tourist, der seine Erlebnisse fest hält.
float: Wie viele Meilen sind das in etwa?
Ungefähr 3.500
float: Musst Du am Schiff bestimmte technische Vorkehrungen treffen?
Nein, nur eine neue Schraube habe ich. Bisher war ein popeliger Zweiblatt-Faltpropeller dran, den ich nun gegen einen Dreiflügler mit mehr Bumms ausgetauscht habe, um in dem Binnenrevier mit viel Strömung besser unter Motor voran zu kommen.
float: Wann geht es los?
Ende Mai. Am 10. Juni muss ich in Helsinki sein, weil dort Viktor zusteigt. Am 12. oder 13. ist dann die Einreise nach Russland geplant. Ende September will ich dann zurück auf Fehmarn sein. Denn spätestens Ende Juli sollte ich ums Nordkapp rum sein, weil dann die Chance auf dauerhafte Westwindlagen steigt.
float: Wo kann man dich verfolgen?
Auf meiner Seite, törn.de. Da ist wie auf der Atlantiktour eine interaktive Karte zu sehen. Ich habe wieder einen Yellowbrick-Tracker laufen, auf dem man immer die aktuelle Position fast in Echtzeit sieht. Ich nehme den Tracker auch mit von Bord. Man sieht also wenn ich einen Landtag mache, auf Klo gehe, in eine Kneipe oder was auch immer.
float: Guido, schöne Reise und danke für das Gespräch.
Ein Kommentar
Den Tiger erkenne ich beim besten Willen auch nicht.
Freue mich sehr auf die Berichte und Filme von unterwegs!
Welches Kartenmaterial hast du für Russland an Board?