Der Pickup rollt über den schmalen Landweg, vorbei an abgeernteten Feldern, an deren Rändern sich haushohe Rübenberge auftürmen. Wir sind in Niederbayern. Jürgen Kaiser dreht den Wagen auf dem Feld und schiebt das angehängte Boot zügig ins Wasser. „Steig schon mal ein“, ruft er. Ich klettere aus dem Wagen heraus und hinten ins Boot. Jürgen schiebt das Boot ins Wasser und springt hinterher. Keine drei Minuten hat das gedauert. So einfach soll das Slippen sein, findet der Inhaber der Bootsmanufaktur Kaiser.
Es ist frisch auf der Donau im tiefen Oktober. Still fließt der Fluss an Irlbach vorbei und schlängelt sich Richtung Straubing. Jürgen startet den Motor und weckt die beiden Rotax-Motoren mit 2 x 260 PS im Heck der K 625. „Halt dich fest“, meint er zu mir und legt den Gashebel nach vorne. Der direkte Schub des Jetantriebs drückt mich in den Ledersessel, und in null Komma nix düsen wir mit 105 km/h über die Donau. Jürgen zieht das Boot mit voller Geschwindigkeit in die Kurven. Das ist wie Karussell fahren, und ich lache bei jeder Kurve wie ein Teenie auf der Kirmes.
Der Rumpf läuft bei den hohen Geschwindigkeiten sehr ruhig und schneidet weich die eigene Welle. Die Steuerung mit Jetantrieb ist anders als bei Booten mit Propeller: Man nimmt das Gas vor der Kurve raus und zieht das Boot mit der Beschleunigung in die Kurve hinein, ein bisschen wie beim Rennwagen. Das Boot geht wie auf Schienen durch die Kurve.
Meine Boote sind Fahrmaschinen, die Spaß machen sollen – schön, gut verarbeitet und ohne viel Firlefanz.
Das Design, die Materialien und die Verarbeitung sind wirklich schön. Das geölte Decksholz aus Thermo-Esche fühlt sich weich an, die Polster sind aus hochwertigem Leder, die Sessel selbst entworfen und gebaut. An Bord ist nur das, was man wirklich braucht, alles ist sehr sauber verarbeitet. Das Cockpit wirkt elegant, die Windschutzscheibe in V-Form ist sehr formschön gestaltet. Am meisten hat es mir das Lenkrad aus Holz und Metall angetan. Das baut Jürgen Kaiser selber, nach eigenem Entwurf natürlich.


Der Kaiser Jürgen ist Niederbayer, das hört man mit jeder Silbe. Ein Bootsbaumeister ist ungewöhnlich in dieser bäuerlichen Gegend. „Bei uns war immer ein Boot im Haus“, erklärt er. Der Vater besitzt eine große Zimmerei in Straßkirchen und war in seiner Jugend begeisterter Wassersportler. Er steckt Jürgen mit seiner Leidenschaft an.
„Mit 19 habe ich mir mein erstes Boot gekauft, eine 17er Fletcher mit 150-PS-Außenborder. Das Boot habe ich immer wieder zerlegt, verstärkt und ausgereift. Als ich damit nicht mehr weiter kam, habe ich beschlossen, selber eins zu bauen.“ Seine Erfahrungen in Hydrodynamik und Statik sammelte er beim Bau von Modellflugzeugen und Rennbooten. Bis 1,20 m waren diese lang und mit Benzinmotoren ausgerüstet.
Jedes Jahr ein neues Boot
Nach der Mittelschule macht Jürgen eine Zimmererlehre im väterlichen Betrieb, absolviert die Meisterschule, wird obendrein noch Bautechniker. Parallel baut er in der Zimmerei des Vaters an seinen Booten: er experimentiert mit Epoxidharzen und Kohlefaserkunststoffen, bricht mit Traditionen und entwickelt eigene neue Konstruktionsformen, verbindet Techniken aus anderen Bereichen für seine Zwecke. Seine Erfahrungen aus dem Modellflugzeugbau und sein fundiertes Wissen über Holz helfen ihm dabei.
Es folgen lehrreiche Jahre. Jedes Jahr baut er ein Boot, verkauft es dann an einen Freund und finanziert mit dem Geld das nächste Boot. So entwickelt er eigene Rümpfe und sein persönliches Design, macht Erfahrungen mit Material und Werkstoffen, probiert viel aus. Das erste Boot fuhr noch mit Außenborder, das zweite war ein Wasserskiboot mit starrer Welle. Dann entdeckt er in Youtube-Videos die Jetboot-Szene in den USA und findet damit die richtigen Motoren für seine Boote.
2006 kauft er den ersten Jetantrieb, heute verbaut er Motorensysteme von SeaDoo-Jetskis. Aber nicht nur die. Denn Jürgen Kaiser hat sich auch auf Elektromotoren spezialisiert. Seine Wahl fiel auf Torqeedo. „Ich habe ein System gesucht, das zuverlässig läuft und wo ein gutes Servicenetz vorhanden ist. Da kommt man zwangsläufig auf Torqeedo.“