Heute, zum 1. März, verlässt der letzte Top-Manager aus der Startup-Phase den Elektrobootsmotoren-Pionier Torqeedo. Auf Technik- und Produktions-Chef Ralf Plieninger, der ein Jahr nach Gründer Christoph Ballin aussteigt, folgt Markus Müller. Als Interims-CEO übernimmt der 42-jährige das Tagesgeschäft bei Torqeedo. Was heißt diese Personalie für den bayerischen Weltmarktführer bei Elektrobootsmotoren?
Markus Müller, dessen Expertise bei Verbrennermotoren liegt, ist seit März 2021 im Vorstand der Deutz AG und verantwortet als Technikchef den Forschungs- und Entwicklungsbereich des Kölner Motorenherstellers. Was der Wechsel im Top-Management für den 2017 vom Kölner Konzern übernommenen E-Motoren-Hersteller bedeutet und wie es in Gilching strategisch weitergeht, erklärte der Müller im Gespräch mit float.
Als Technikchef der Deutz AG sind Sie ein ausgewiesener Experte für alle Aspekte der Motorenentwicklung. Sie haben ihren Doktor zum Thema Verbrennungsmotoren gemacht und besitzen einen Kfz-Meisterbrief. Als Deutz-Entwicklungschef gehört auch „Elektrizifierung“ zu Ihren Themen. Was reizt sie an der neuen Aufgabe bei Torqeedo?
Markus Müller: Als Ingenieur bin ich begeistert von jeder Art von Technologien und Antriebstechnologien bei der Deutz AG. Wir werden der Zukunft technologieoffen begegnen müssen. Es wird nicht die eine Technologie sein. Das heißt neben unserem klassischen Geschäft, das wir weiter ausbauen: Nicht der Verbrennungsmotor ist der Feind, sondern der Kraftstoff.
Daher kümmern wir uns auch um klimaneutrale oder CO2-freie Kraftstoffe wie e-fuels oder Wasserstoff. Unser Thema heute ist aber die Elektrifizierung: Sie wird bei uns erst im niedrigen Leistungsbereich Einzug halten und sukzessive in höhere Leistungsbedarfe reinwachsen. Um das zu beschleunigen, haben wir 2017 Torqeedo in die Deutz-Familie aufgenommen. Deshalb habe ich auch eine hohe Affinität zur Elektrifizierung.
Welche Rolle sehen Sie für Torqeedo auf welchen Märkten in der Zukunft?
Torqeedo ist in Sachen Systemkompetenz weltweit führend. Sich selbst Marktführer zu nennen, ist es das eine. Aber wenn man es auch widergespiegelt bekommt von Kunden und Wettbewerbern – wie jetzt in Miami auf der Bootsmesse – ist das die beste Bestätigung.
Wir wollen diese Marktführerschaft in unserem Stammmarkt Europa sowie in den USA ausbauen. Aber auch in Asien sehen wir viel Potential. Die Zukunft für Torqeedo wird noch deutlich internationaler als das Geschäft es jetzt bereits ist.
Der Wettbewerb ist da
Es war klar, dass der Wettbewerb irgendwann aufwachen wird, also auch die großen Player. Jetzt ist es soweit: Mercury Marine kommt mit dem Travel-Konkurrenten Mercury Avator, und Volvo Penta kündigt ein E-Innenborder-Motorenprojekt an. Beide Unternehmen haben ein weltweites Service- und Vertriebsnetz. Wie kann Torqeedo hier punkten?
Wettbewerb belebt das Geschäft, das ist extrem wichtig. Auf der Miami Boat Show wurde als Innovationspreis ein V12-Außenborder prämiert. Wenn daher nun auch die großen Anbieter in unser Segment investieren, bekommen wir automatisch auch mehr Aufmerksamkeit.
Die zweite Antwort ist: Torqeedo beschäftigt sich mit diesem Segment schon viele Jahre. Die Lernkurven, die dort genommen wurden, werden auch bei den Großen noch zu nehmen sein. Auf unsere Erfahrung gilt es jetzt aufzusetzen und das weiter auszubauen.
Wir werden uns noch mehr auf den professionellen Einsatz fokussieren.
Wir sind heute in 100 Ländern aktiv. Mit über 2.000 Vertriebs- und Service-Organisationen partizipieren wir jetzt auch von den Service-Centern der Deutz AG, die wir aktiv nutzen, zum Beispiel in Florida. Dort haben wir ein Power-Center eröffnet sowohl für unsere originären Deutz-Produkte als auch einem Torqeedo Store.
Torqeedo ist auf vielen Feldern unterwegs, mit Produkten für Werften und für Endkunden. Wird es eine Neuausrichtung von Torqeedo geben? Oder bleibt es bei beiden Standbeinen?
Torqeedo hat im Freizeitbereich begonnen und mit der Deep-Blue-Serie die Diversifizierung in den kommerziellen Bereich geschafft. Beide Standbeine sind für uns wichtig, aber richtig ist: Wir werden uns noch mehr auf den professionellen Einsatz fokussieren.