
Bilder erklären die Wartung
Die simple Bedienbarkeit der Elektromotoren tat ein übriges. Die Universität erstellte Bildversionen der Servicehandbücher mit leicht verständlichen Illustrationen für den Gebrauch und die Wartung der Motoren. Die Muschelfischerinnen waren die ersten, die die neue Technologie testen konnten. „Uns ist schnell aufgefallen, dass die Frauen offener für Innovationen sind. Außerdem schienen sie vorsichtiger mit den Motoren umzugehen“, glaubt Sorge.
Hinzu komme, dass Frauen besonders stark unter Armut und Unsicherheit litten und deshalb eher bereit seien, etwas zu verändern. Warum ist das so? „Die Tätigkeit des Piangua-Sammelns benötigt nur geringe Investitionen, und Frauen haben dort Schwierigkeiten, an Darlehen zu gelangen“, erklärt die private Öko-Stiftung One Earth Future den Zusammenhang.

Ein weiterer Aspekt: Lebensgrundlage in der Region ist der Fischfang. Die Dschungelbewohner legen ihre Netze im Rio Iscuandé, im Rio Guapi und in einigen der Nebenflüsse aus und fahren hinauf zum Pazifik. Traditionell ein Männerjob – harte Arbeit, in der die Fischer tagelang unterwegs sein können.
Hohe Spritkosten schmälern Ertrag
Ob zum Fischfang oder Piangua-Sammeln, die Boote werden mit traditionellen Außenbordmotoren angetrieben. Allerdings ist der Treibstoff so teuer, dass sich kaum Gewinn erzielen ließ: Die Benzinkosten für die Boote lagen bei etwa vier Euro. Um 100 Muscheln zu fangen, sind die Fischerinnen etwa vier Stunden unterwegs, suchen den schlammigen Untergrund rund um die Mangrovenbäume mit den Händen ab.
Der Lohn: fünf Euro. Natürlich sind die Lebenshaltungskosten dort weit geringer als bei uns. Aber tatsächlich können die Frauen mit dem Ertrag der Muscheljagd kaum die Familie durchbringen, hat One Earth Future herausgefunden.

Auch die Natur, die Lebensgrundlage der hier lebenden Menschen, wird durch die Verbrennungsmotoren verunreinigt. Das Forscherteam war überzeugt, dass Elektroaußenborder eine mögliche Lösung darstellen könnten.
Heute teilen sich 25 Muschelfischerinnen die vier Elektromotoren. Die Motoren hätten den Gewinn um 40 Prozent gesteigert, sagt Wilmsmeier im Gespräch mit float. Anfangs wurde der Strom für die Elektroaußenborder zunächst mit effizienten Generatoren gewonnen, später übernahmen das die Solarpaneele. Eine Win-win-Situation. Steigt der Gewinn, müssen die Frauen nicht so viele Muscheln ernten – und das kommt wiederum dem Artenschutz zugute, denn die Muschelernte ist seit Jahrzehnten rückläufig.

Spitzenköche entwickeln Rezepte
Die Muschelfischerinnen und die Wissenschaftler versuchen jetzt, neue, zahlungskräftige Abnehmer für ihre Beute zu gewinnen: kolumbianische Spitzengastronomen. Dabei hilft ihnen Leonor Espinosa, die bekannteste Köchin des Landes. Espinosa lud bereits zu einem Event, auf dem sie mit Kollegen neue Piangua-Gerichte kreierte.
Der Ursprung der Produkte war plötzlich ein Thema. Wilmsmeier und Sorge sind bereits mit Start-ups in Kontakt, die auf nachhaltige Logistik spezialisiert sind und die Muscheln aus den Sümpfen in die etwa 1.000 Kilometer entfernte Hauptstadt Bogotá transportieren sollen.
In Zukunft könnten so auch Krebse, Welse oder Barsche ins Landesinnere transportiert werden. Angesichts der finanziellen Vorteile der Frauen zeigen auch die Männer der Siedlungen um Guapi inzwischen zunehmendes Interesse am neuen Wirtschaftskreislauf. Und sie wollen von Wilmsmeier und Sorge wissen, ob die Elektromotoren in der Lage seien, ihre schweren, bis zu 800 Meter langen Netze zu ziehen.