
Bei ihrem bisher letzten Besuch befestigten die Wissenschaftler schließlich einen Torqeedo Cruise Elektromotor an einem Boot und fuhren hinaus auf den breiten Rio Guapi, um zu demonstrieren, dass das kein Problem ist. Bis auch die Fischer für ihre Küstenfahrt Elektromotoren verwenden können, wird indes noch ein wenig Entwicklungszeit vergehen. Doch schon die bisherigen Erfolge können sich sehen lassen.
Eine Fischerin übernahm die Intiative
„Wir haben viel Glück gehabt“, sagt Wilmsmeier rückblickend zu float. Sie lernten aufgeschlossene Menschen kennen. Besonders beeindruckt waren er und Sorge von einer Piangua-Fischerin: Nynfa, die vier ältere Kinder hat und auch mit Anfang 40 noch täglich in die Mangroven fährt. Sie wohnt in dem winzigen Dorf Santa Barbara de Iscuandé.
„Ohne sie wäre das Projekt nicht so verlaufen“, sagt Wilmsmeier. Sie habe alle anderen motiviert, sich mit dem Thema zu beschäftigen und nicht locker gelassen.“ Während die Männer des Dorfes eher abschätzig am Rande gestanden hätten – „Die fahren lieber schnell und laut“ –, probierten die Piangua-Fischerinnen die Elektromotoren als erste aus.
Nachdem sie gemerkt hätten, wie gut die Sache funktioniert, sei ihnen sehr schnell noch etwas anderes bewusst geworden: „Sie wurden unabhängig.“ Bisher mussten sich die Frauen, wenn sie etwas erledigen, Freunde besuchen oder die Kinder von der Schule abholen wollten, die Männern um Erlaubnis fragen, deren Motorboote zu nutzen. Das war nun obsolet.
Die unterdrückte Mobilität der Frauen
„Es gab zuvor etwas, das man ‚unterdrückte Mobilität‘ nennen könnte“, sagt Wilmsmeier. Die kostenlose Mobilität der Torqeedo-Motoren befreite die Frauen. Innerhalb kürzester Zeit nutzten sie die Elektro-Außenborder nicht nur zur Fahrt in die Mangroven, sondern alles andere auch: Kirchenbesuche, Einkäufe, Familientreffen.

Wilmsmeier sagt lachend: „Schließlich wurden die Motoren für solche Freizeit-Aktivitäten mehr genutzt als für die Pianguas – innerhalb von sieben Monaten sind die damit 5000 Kilometer gefahren!“ Laut Torqeedo schaffen in Europa manche Eigner nicht in zehn Jahren solche Distanzen…
Wie eine Trophäe ins Zimmer gehängt
Auch von einigen Rückschlägen habe sich Nynfa nicht irritieren lassen: „Sie hat immer wieder versucht.“ Probleme, mit denen ein Mensch, der nie zur Schule gehen konnte, konfrontiert sind: Fehlercodes im Motor.“ Der Code E32 zeige zwar lediglich an, dass ein Kabel falsch angeschlossen ist. Doch wer das nicht versteht, sei aufgeschmissen.


Gordon Wilmsmeier: „Das hat mich extrem beeindruckt: diese Wissbegierde, die bei uns verloren gegangen ist, weil wir alles haben und alles so einfach geworden ist.“
Doch nicht überall sei das Projekt derart erfolgreich verlaufen: In einem Dorf war das Verständnis gering. Der Außenborder wurde wie eine Trophäe ins Wohnzimmer gehängt, aber nicht genutzt. Die Gruppe um Nynfa hingegen wurde immer initiativer. Der Höhepunkt war eine selbst organisierte Fahrt in die 19 Kilometer entfernte Stadt El Charco.
Höhere Pinangua-Preise in der Stadt
Dort konnten die Piangua-Jägerinnen ihre Beute zu einem deutlich besseren Preis absetzen als in den üblichen Ankauforten, die näher gelegen sind.
„Es ist unglaublich, wie sich alles entwickelt hat“, sagt Wilmsmeier. Er und Sorge denken bereits an den übernächsten Schritt: Sie träumen von Nationalparks, in denen die Menschen auch ohne fossile Brennstoffe mobil sind. Und sie arbeiten daran, dass die Kleinfischer mehr Geld verdienen, ohne die CO2-Emissionen zu steigern. In Iscuandé haben sie gesehen, dass es möglich ist.
Die kolumbianische Fischereibehörde hat bereits die Arbeitsgruppe „Nautische Elektromobilität“ eingerichtet. Gordon Wilmsmeier: „Wir wollen zeigen, wie offen und modern die Menschen in Regionen arbeiten, die sonst oft übersehen werden. Es ist durchaus möglich, dass die Entwicklungsländer die Industrienationen eines Tages im Bereich Elektromobilität überholen.“