Michael Jost, der frühere Strategiechef des Volkswagen-Konzerns, ist einer, der nichts dem Zufall überlässt. Nachdem er den Plan von VW vorangetrieben hatte, ein weltweit führender Hersteller von Elektrofahrzeugen zu werden, verließ er die Automobilindustrie.
Sein neues Ziel: Sich mit seiner Familie auf die Entwicklung innovativer elektrischer Antriebssysteme für Boote konzentrieren. Dazu arbeitet er auch mit Silent Yachts zusammen. Ein erstes Produkt hat er mit QDrive auf der weltgrößten Zubehörmesse, der Metstrade in Amsterdam, im November 2022 vorgestellt. Wir sprachen dort mit dem Visionär über sein Startup eD-TEC.
float: Ihr Start-up eD-TEC mit dem neuartigen Antrieb QDrive tauchte plötzlich aus dem Nichts auf wie ein Deus ex Machina. Einige meiner Journalistenkollegen zweifelten sogar daran, ob Ihr Start-up echt ist. Können sie Ihnen vertrauen?
Michael Jost: Natürlich können sie das! Wenn Sie im Internet nachschauen, sehen Sie meine Erfolgsbilanz. Ich achte auf das, was ich sage, und auf das, was wir mit dem Team entwickeln, denn ich bin ein Teamplayer. Außerdem bin ich seit mehr als 20 Jahren auf dem Wasser und kenne mich aufgrund meines VW-Hintergrunds sowohl mit Oberflächenantrieben als auch mit elektrischen Systemen sehr gut aus.

Ich weiß, was mit den Batterien passiert, und verstehe die Herstellungsprozesse. Ich bin selbst ein wenig beeindruckt von der Geschwindigkeit unseres Wachstums. Das gelingt uns dank der Leidenschaft von jungen Leuten. Außerdem haben wir bisher wenige Fehler gemacht. Sie können uns als Unternehmen also vertrauen. Wir werden liefern.
Autohersteller sind der Bootsbranche voraus
Warum haben Sie sich aus der Automobilbranche kommend für ein Startup im Bereich der Schifffahrt entschieden? Ist es Ihr Hobby?
Die Automobilindustrie ist der Bootsbranche voraus. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden die Autos in Europa vollständig elektrisch und autonom fahren. Als nächstes wird die Schifffahrtsindustrie folgen und danach die Luftfahrt. Meine Leidenschaft ist es, in einer Branche zu arbeiten, in der man viel Spaß hat, und ich bringe alle nötigen Voraussetzungen mit.
Es ist kein Hobby, denn ich prüfe jeden Tag unseren Unternehmenswert. Wir haben einen klaren Plan, wie hoch der Wert unseres Unternehmens ist; wir haben ein Marktmodell, wir kennen die Marktgröße, das Segment und wissen, was wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts erreichen wollen.
Jetzt haben wir ein Zeitfenster, in dem sich die Gelegenheit bietet, denn wir sind auf dem Sprung. In den nächsten 24 Monaten wird sich der Markt verändern, und neue Akteure werden eintreten. Wir sind sicher, dass viele Investments in elektrische Lösungen fließen werden. Zweitens achte ich gerne auf den Cashflow. Wir verbrennen kein Geld. Wir geben es aus unseren privaten Mitteln aus, aber wir werden es innerhalb von drei Jahren zurückbekommen.

Unser Ziel ist es, ab 2023 Gewinne zu erwirtschaften. Ich bin sehr genau, wenn es um Finanzzahlen und technische Lösungen geht. Ich glaube an das System, und in der traditionellen Schifffahrtsindustrie sieht man, dass Bootsbauer Technologien sammeln müssen, weil sie das System sind.
Wir kamen von der anderen Seite und dachten zuerst an das System und suchten dann nach technischen Lösungen, die für den Prozess erforderlich sind.
Motormontage in Deutschland geplant
Wo werden Sie die eD-QDrives herstellen?
Zunächst müssen wir zeigen, dass unser Konzept funktioniert. Das tun wir mit Silent Speed 28. Dann müssen wir die Nachfrage und die zu erwartenden Mengen im Jahr 2023 abschätzen. Die Gehäuse der Antriebe werden in Neuseeland gebaut, während die Montage in Europa stattfindet, ich denke in Deutschland, unter Verwendung europäischer Komponenten.

Warum Neuseeland? Weil die Oberflächenantriebe viel stärker in Australien und Neuseeland nachgefragt werden als in Europa. Wir arbeiten mit Leigh Michau von Q-SPD in Auckland zusammen, den ich seit zehn Jahren kenne und dessen Wissen und Erfahrung ich sehr schätze. Er ist ein gläubiger Mensch, und ich arbeite gerne mit Gläubigen zusammen.
Postmoderne Menschen als erster Markt
Es scheint, dass Sie sich an eine sehr enge Nische von wohlhabenden Kunden wenden, oder ist das das falsche Gefühl?
Die Veränderung des Marktes kommt von der oberen rechten Seite, von den postmodernen Menschen, zur unteren linken Seite, wo sich eher zweckmäßig denkende, traditionelle Menschen befinden. Unsere Technologie ist ziemlich teuer, und das wird auch in den nächsten fünf Jahren so bleiben.

Wir sind also auf der Suche nach Leuten, die auf dem Wasser sein wollen und nur wegen der elektrischen Systeme das Doppelte für das Boot ausgeben wollen. Wir zielen nicht speziell auf die Nische des Geldadels ab, aber wir rechnen mit ihm ebenso wie mit Audi-, BMW- und Tesla-Besitzern.
Nächstes Jahr können wir etwa 25 Systeme ausliefern. Das ist ein kleines Volumen, aber das Image von Bugatti wird nicht besser, wenn Tausende von ihnen verkauft werden. Wenn wir die Stückzahlen haben, werden wir die nächste Generation auf den Weg bringen. Wir haben einen klaren Plan für unsere Plattform.
Ich habe zwar eine Idee, aber das liegt in der Verantwortung von Silent Yachts. Ich kann Ihnen jedoch sagen, wie viel das System kosten wird. Zwei 70-kW-Antriebe plus 80-kWh-Batterie, AI-Box und Elektronik – im Grunde alles außer dem Boot – würden etwa 270.000 Euro kosten.

Das ist ziemlich teuer, und wenn Sie genauer hinsehen, werden Sie verstehen, dass es keine Chance gibt, den Preis in den nächsten fünf Jahren um 50 Prozent zu senken. Die Batterien, die Getriebe und die elektrischen Antriebe werden immer noch teuer sein.
Außerdem müssen wir Jahr für Jahr in die Software investieren. Irgendwann wird der Preis vielleicht um zehn Prozent sinken, aber das System bleibt trotzdem teuer.
Battery-to-Battery-Laden kommt 2024
Sie erwähnten vorhin die Option des Schnellladens von Batterie zu Batterie für eD-QDrives, die ein wechselseitiges Aufladen zwischen Booten und Fahrzeugen ermöglicht. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Ladegeräte für Fahrzeuge und Boote demselben Standard entsprechen werden.
Das Battery-to-Battery-Laden ist keine große Sache und wird nächstes Jahr verfügbar sein. Es wird die Modi Fahrzeug-zu-Fahrzeug, Fahrzeug-zu-Schiff, Schiff-zu-Schiff und Fahrzeug-zu-Haus geben. In der ersten Stufe werden wir in der Lage sein, Wechselstrom zu Wechselstrom zu laden, und das ist nicht kompliziert.
Wenn Elektroautos nächstes Jahr in das Heimsystem integriert werden, warum sollte das nicht auch mit dem Schiff funktionieren? Beim Gleichstrom-zu-Gleichstrom-Laden muss man die Spannung mit einem intelligenten Konverter anpassen, und ich erwarte, dass dieser 2024 kommen wird. Aber es stimmt, dass es in der Automobilindustrie noch keinen internationalen Standard gibt.
Was denken Sie über die sogenannte Reichweitenangst, die Menschen davon abhält, auf Elektroboote umzusteigen?
Es geht um Ladezeit, nicht Reichweite
Die Sorge um die Reichweite … Oh, das kenne ich. In der Autoindustrie hat sich das geändert. Heute geht es nicht mehr um die Reichweite, sondern um die Ladezeit und die Verfügbarkeit von leistungsstarken Ladegeräten. Das Ziel der Automobilindustrie ist es, einen Fahrakku in zehn Minuten mit einem 350-kW-Ladegerät auf 80 Prozent aufzuladen.

Wir haben viel darüber diskutiert, ob die Investitionen in Hochleistungsladegeräte für Sportboote sehr schnell kommen werden. Einige Unternehmen ziehen sogar in Erwägung, die Energiespeicherung in den Häfen zu übernehmen. Boote werden viel weniger genutzt als Autos, und ihre Batterien könnten als Teil des Energiemanagements eingesetzt werden. Die Boote werden also Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems.
War es einfach für Sie, Ihre beiden Söhne in dieses Geschäft mitzunehmen?
Bis vor zwei Jahren war ich nie zu Hause, bin um die Welt gereist und habe im Flugzeug gelebt. Wahrscheinlich bin ich insgesamt die Distanz zum Mond und zurück gereist. Durch Covid-19 bin ich zu meiner Familie zurückgekehrt, und wir sehen, dass wir zusammenleben können.
Ich habe noch nie Zeit mit meinen Jungs am Strand verbracht und im Sand gespielt, und jetzt können wir zusammen arbeiten. Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten. Marc tendiert eher zu Markenstrategie und Marketing, während Mike sich mehr mit Physik und Projektmanagement beschäftigt. Sie können etwas von mir lernen, und ich lerne eine Menge von ihnen. Das ist Emotion, das ist kein Job.
Selbst Boote bauen
Was machen Sie, wenn Hersteller zögern, ihre Boote mit eD-QDrives anzutreiben?
Wenn wir keinen Bootsbauer finden, würden wir selbst Boote bauen. Die Investition wird noch geringer sein als bei der Entwicklung des eD-QDrive. Aber wenn ich anfange, Boote zu bauen, stehe ich in einem Wettbewerb mit Dritten, und das gefällt mir nicht. Im Moment haben wir viele Anfragen und es gibt mehr Nachfrage, als wir liefern können.

In den nächsten fünf Jahren müssen alle kommerziellen Boote elektrisch sein. Und die meisten von ihnen müssen schnell, leise und leicht sein. Es gibt neun Boote für die Wasserschutzpolizei und fünf Boote für Marine-Spezialeinheiten. Die sind fast fertig und warten auf unsere Systeme. Ich bin also nicht beunruhigt und sage mir „langsam, langsam“.