Spätberufene sind hartnäckiger. Die Britin Jeanne Socrates kam erst als Frührentnerin zum Segeln. Dann ließ sie aber keinen Längengrad auf ihren Törns um die Welt aus. Mit 77 Jahren errang sie den Titel als älteste Person, die einhand, ohne Hilfe und nonstop um die fünf großen Kaps gesegelt ist.
In ihrem 80. Lebensjahr leidet sie an nichts, was nicht mit ein bisschen Fischöl und Vitamin D kuriert werden könnte. Ihr nächster Plan steht schon fest: mit Freunden in Vancouver essen gehen, dann von Mexiko nach Australien segeln.
Wir haben mit Jeanne Socrates anlässlich ihres 80. Geburtstags telefoniert und uns ihre Geschichte erzählen lassen.
Jeanne, du warst während des Lockdowns in Australien, oder?
Ja. Ich kam 2020 am Valentinstag an und habe bis März 2022 dort gelebt. Das Boot lag währenddessen in Kanada, im Hafen von Victoria. Es wurde nicht bewegt, was nie gut ist für ein Boot … Freunde hatten ein Auge darauf.
Bist du schon wieder längere Strecken gesegelt, seit du zurück in Victoria bist?
Nur mit Freunden, kurze Trips und Tagestörns. Ich habe die letzten Monate jeden Tag an meinem Boot gearbeitet.
Du bist gerade dabei, die Nereida fit für den nächsten Törn zu machen, oder?
Ja, ich muss einiges daran machen. Die Kajütscheiben waren kaputt, Instrumente müssen ausgetauscht werden, die Batterien erneuert. Ich muss dafür jetzt nach Vancouver. Außerdem baue ich neue Solarpaneele ein. Wenn das alles fertig ist, wird sie wunderbar sein. Aber bis dahin ist es noch viel Arbeit.
Am 17. August 2022 wirst du 80 Jahre alt. Was hast du geplant?
Fast alle meine Freunde leben hier auf Vancouver Island in der Victoria-Gegend. Da ich wegen des Bootes nach Vancouver muss, werde ich mit ein paar Freunden dort essen gehen.
Nächstes Ziel: rund Neuseeland
Und dann? Was ist dein nächstes Ziel?
Ich will in Mexiko starten und von dort rüber nach Neuseeland und Australien. Rund Neuseeland bin ich noch nie gesegelt. Ich habe die Cookstraße zwischen der Nord- und Südinsel passiert, war aber nicht im Norden. Auf meinem Weg nach Australien will ich deshalb dort ein bisschen cruisen.

In Australien kenne ich jetzt einige schöne Ecken. Es wird sicher toll sein, dort herumzusegeln. Wenn ich dort bin, werde ich entscheiden, ob ich weitersegle …
Wie fühlst du dich körperlich?
Ich mache diesen Törn vor allem, um zu sehen, wie ich zurechtkomme. Bei meiner letzten Weltumsegelung 2017 hatte ich mir die Halswirbelsäule und einige Rippen gebrochen. Wenn ich in den Mast schaue, geht das gut, aber mal sehen, was bei Lage passiert.
Eigentlich schaue ich nicht aufs Alter. Aber jetzt muss ich sagen, 80 ist „quite a big number“. Es wird also ein Testtörn. Aber ich schließe eine weitere Weltumsegelung nicht völlig aus. Ich will ja nach Westen. Du segelst die meiste Zeit mit dem Wind und der Strömung Richtung Tropen.
Wie lange segelst du schon?
Ich segle insgesamt seit 32 Jahren und seit 28 Jahren auf einer Yacht, seit ich 52 bin.
Du bist die älteste Person, die die Welt umsegelt hat, mit 77 Jahren, nonstop, solo und ohne Hilfe, um alle fünf großen Kaps. Bill Hatfield war 2020 mit 81 Jahren zwar älter, als er seine Weltumseglung abschloss. Er hat aber nur drei Kaps umschifft. Das heißt, du hältst immer noch den Rekord.
Ich finde, man muss für den Rekord alle fünf Kaps gemeistert haben – Robin Knox-Johnston hat 1969 beim Golden Globe Race nur drei umrundet.

Was treibt dich solo aufs Meer?
Die Einsamkeit schreckt mich nicht. Ich liebe es auf dem Wasser zu sein und zu segeln. Ich segle auch gerne mit Freunden, genieße Gemeinschaft an Bord, ich bin ein sehr sozialer Mensch. Aber die Freunde haben nicht immer Zeit und die Törns sind dann schwer zu koordinieren.
Wenn ich längere Törns unternehmen wollte, musste ich eben allein segeln, das war die erste Lektion. So wurde ich zur Soloseglerin.
Es brachte keinen Vorteil, weiter zu arbeiten
Du hattest ein Leben vor dem Segeln, bist dann aber früh in den Ruhestand gegangen. Hast du erst als Rentnerin begonnen?
Nein, ich startete vor meinem Ruhestand mit meinem Mann zusammen. Ich hatte die Möglichkeit Segeln zu lernen und er begleitete mich. Er war 60 und ich 55, als uns klar wurde, dass wir keinen finanziellen Vorteil davon haben würden, wenn wir weiterarbeiteten.
Also haben wir gleichzeitig aufgehört und kauften uns eine Yacht. Wir segelten nach Schweden und weiter in den Norden, ohne Autopiloten und GPS, nur durch unsere Beobachtungen und mit Karten. Später sind wir von England runter nach Frankreich bis Portugal und weiter in die Karibik.
Und seit wann segelst du alleine?
Mein Mann starb 2003 an Krebs. Das Boot lag in der Karibik. Das Jahr, bevor er starb, konnte er schon nicht mehr selber mitsegeln. Aber er genoss es, an Bord zu sein und ich segelte das Boot.